Diabetesprofis aus ganz Deutschland haben sich Mitte Mai in Berlin zum Diabetes-Kongress der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) getroffen. Eingeladen hatte Kongresspräsident Professor Matthias Blüher. Das Motto der Tagung: Vielfalt und Individualität – Diabetes neu denken.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat Professor Dr. med. Andreas Fritsche zum neuen Präsidenten gewählt. Sein Leitspruch für die nächsten zwei Jahre lautet: "Wir brauchen eine Investition in Menschen und Menschlichkeit." Professor Dr. med. Andreas Fritsche ist ab sofort für zwei Jahre Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Der Diabetologe ist stellvertretender Leiter des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz-Zentrums München, Leiter der Abteilung Prävention und Therapie des Diabetes mellitus sowie Leiter der Diabetestherapiestation und Diabetesambulanz an der Universität Tübingen. In seiner Amtszeit möchte Fritsche das Augenmerk besonders auf die aktuelle Krankenhausreform sowie die damit einhergehenden Herausforderungen in der Diabetologie legen. Wichtig sind ihm darüber hinaus der Kampf gegen öffentliche und politische Stigmatisierung von Menschen mit Diabetes sowie finanzielle Anreize für die sprechende Medizin. Fritsche folgt Professor Dr. med. Andreas Neu, der nun das Amt des Past-Präsidenten innehat. Zur Vizepräsidentin der DDG hat die Mitgliederversammlung Professorin Dr. med. Julia Szendrödi, Ärztliche Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg, neu in den Vorstand gewählt.

Krankenhausstrukturreform Thema der nächsten Jahre

Die neue Präsidentschaft der DDG wird durch eine sehr turbulente Zeit in der Gesundheitspolitik geprägt sein: "Die Krankenhausstrukturreform wird uns in den kommenden Jahren begleiten und hoffentlich zu nachhaltigen positiven Veränderungen führen, die zwingend nötig sind", so der neue DDG-Präsident. "Da Diabetes mit etwa acht Millionen Betroffenen – Tendenz steigend – in Deutschland eine Volkskrankheit ist, muss dies in den politischen Entscheidungen gut abgebildet werden."

Diabetesbehandlung in allen Ebenen etablieren

Wichtig wäre deshalb in den Augen des neuen Präsidenten, eine qualifizierte, zertifizierte und stufengerechte Diabetesbehandlung auf allen Versorgungsebenen zu etablieren. Dafür sollten Einrichtungen adäquate finanzielle Anreize erhalten. Das sind Ziele, die die DDG in den kommenden zwei Jahren auf ihrer Agenda haben wird.

Kostendeckende Pflege für Kinder und ältere Menschen

Besonders wichtig ist Fritsche zudem, dass vulnerable Gruppen – also Kinder und multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes – kostendeckend eine besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung erhalten. Voraussetzung dafür sei auch, Vorurteile gegenüber der Stoffwechselerkrankung sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik abzubauen, so der Diabetologe. "Nicht nur in der Öffentlichkeit herrscht oft ein stereotypes, diskriminierendes Bild des übergewichtigen, trägen Menschen mit Typ-2-Diabetes vor. Auch in der Politik bemerken wir häufig eine Simplifizierung der Erkrankung und das Klischee `des Diabetikers´", bedauert Fritsche. Es sei anzunehmen, dass dies auch ein Grund dafür sei, dass häufig falsche gesundheitspolitische Entscheidungen getroffen werden, die eine präzise Prävention und Behandlung des Diabetes verhindern.

Sprechende Medizin: unerlässlich für die Effizienz

Um Patientinnen und Patienten eine nachhaltige und effiziente Diabetestherapie zu gewährleisten, sei darüber hinaus die sprechende Medizin in der Diabetologie unerlässlich,. "Insbesondere bei chronisch Erkrankten ist es für den Behandlungserfolg ausschlaggebend, sich intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen, gemeinsam in die individuelle Lebenssituation passende und umsetzbare Therapiestrategien einzuarbeiten und diese dann in einem engen Follow-up zu überprüfen. Unsere Erfahrung ist: je enger das Arzt-Patienten-Verhältnis, desto besser der therapeutische Outcome", erklärt Fritsche. "Wir müssen sprechende Medizin honorieren und in sie genauso investieren wie beispielsweise in Gentechnik, Digitalisierung oder mRNA-Therapie. Dies wäre eine Investition in Menschen und Menschlichkeit."

Fritsche sieht in der Krankenhausstrukturreform und den Ambitionen, das Prozeduren-getriebene DRG-Vergütungssystem auf den Prüfstand zu stellen, eine große Chance, auch hier Verbesserungen in der Diabetesversorgung zu schaffen. Auch dies möchte er in seiner Präsidentschaft fokussieren.

DDG
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9300 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

Der DDG-Vorstand

In der DDG Mitgliederversammlung am vergangenen Freitag wurden neu in den Vorstand gewählt: Professorin Dr. med. Julia Szendrödi aus Heidelberg, die das Amt der Vizepräsidentin übernimmt, Professor Dr. med. Karsten Müssig aus Georgsmarienhütte als Präsident für die Herbsttagung 2025, Professor Dr. med. Jochen Seufert aus Freiburg als neuer Schatzmeister sowie Professor Dr. med. Martin Heni aus Ulm als Kongresspräsident 2025. Professor Dr. med. Baptist Gallwitz übernimmt weiterhin das Amt des Pressesprechers, als Niedergelassene und Vertreter des BVND sind weiter Dr. med. Dorothea Reichert und Dr. Tobias Wiesner im Vorstand. Past-Präsident ist nun Professor Dr. med. Andreas Neu aus Tübingen. Dessen erfolgreiche Arbeit für die DDG, und insbesondere für die Kinder mit Diabetes, wird so kontinuierlich fortgesetzt.

Ein wichtiges und vieldiskutiertes Thema bei dem Kongress waren die neuesten Trends in der Diabetestechnologie. Der Ansatz: Wie können Digitalisierung und Innovationen als Gamechanger in der Therapie wirken?

Für insulinbehandelte Menschen mit Diabetes haben Technologie und Digitalisierung einen großen Stellenwert in der modernen Therapie erlangt: Ohne technische Hilfsmittel zur Glukoseselbstkontrolle, zur Insulininjektion und dem dazugehörigen Datenmanagement wäre die Therapie insbesondere bei Diabetes Typ 1 heute undenkbar. Technische Innovationen und die fortschreitende Digitalisierung bieten den Betroffenen eine individualisierte Therapiemöglichkeit je nach Lebenssituation. Diskutiert wurde über neueste Entwicklungen in diesem Bereich, aber auch über bestehende Barrieren, die Möglichkeiten der Digitalisierung adäquat auszuschöpfen und zu nutzen. Denn regulatorische Vorgaben verhindern einen konstruktiven Austausch verschiedener Institutionen wie Praxen, Kliniken und Krankenkassen, aber auch verschiedener Technologien untereinander. Daher fordern Expertinnen und Experten Interoperabilität, offene Schnittstellen sowie Plattformen zur Zusammenarbeit. Dr. med. Sandra Schlüter gab auf der hybrid stattfindenden Kongress-Pressekonferenz zum Diabetes-Kongress einen Überblick über neue Entwicklungen und Trends in der Diabetestechnologie.

Ob bei Blutzuckermesssystemen, kontinuierlicher Gewebezuckermessung (CGM), smarten Insulinpens, Insulinpumpen, AID-Systemen oder Diabetes-bezogenen Apps – es gibt zahlreiche Neuentwicklungen in der Diabetestechnologie. "Bei der klassischen Blutzuckerbestimmung mit Geräten zur Selbstmessung ist die Qualität der verfügbaren Produkte noch immer gemischt", erklärte Dr. Sandra Schlüter, niedergelassene Diabetologin aus Northeim und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft "Diabetes und Technologie" (AGDT) der DDG: "Während es sehr genaue Messsysteme gibt, erfüllen einige auf dem Markt befindliche nicht die Anforderungen." In einer Studie wiesen drei von sieben Blutzuckermesssystemen, deren Teststreifen von gesetzlichen Krankenkassen zur Verschreibung empfohlen werden, nicht die erforderliche Präzision auf.

mhz/DDG


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (6) Seite 40-42