Das diabetische Fußsyndrom ist eine gefürchtete Komplikation des Diabetes. Bei diabetischen Ulzera und bei anderen chronischen Wunden sind interdisziplinäre Behandlungskonzepte zur Vermeidung von Infektionen und von fortschreitenden Komplikationen das Ziel.

Einleitung: Die Kaltplasmatherapie kann einen wertvollen Beitrag in der Therapie leisten. Bei kaltem atmosphärischem Plasma handelt es sich um ein teilweise ionisiertes Gas, dessen therapeutische Wirkung unter anderem auf reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies beruht.

Methodik: Ein kleines, batteriebetriebenes Kaltplasmagerät wurde bei zehn Patienten (elf Wunden) mit chronischen Problemwunden aus der diabetologischen Schwerpunktpraxis einmal wöchentlich zusätzlich zur Standardtherapie eingesetzt.

Ergebnisse: Bei sieben von elf Wunden kam es zu einer Verbesserung der Wundverhältnisse. In vier Fällen reduzierte sich die Wundfläche deutlich und in drei weiteren Fällen kam es zu einem nahezu vollständigen Wundverschluss innerhalb von wenigen Wochen. Eine Wunde stagnierte. Drei Wunden profitierten nicht von der Kaltplasmatherapie, wobei in einem Fall die Allergie des Patienten auf das Verbandsmaterial Grund für das vorzeitige Ende der Behandlung war. Hierbei handelte es sich um einen Patienten nach Vorfußamputation beidseits (zwei Wunden) und einer Patientin mit einem Ulcus cruris nach einem Erysipel.

Schlussfolgerung: Die Kaltplasmatherapie ist eine heilungsfördernde Ergänzung zur leitlinien- und stadiengerechten Wundbehandlung von Problemwunden. Sie kann mithilfe eines mobilen Geräts gut in die ambulante Therapie und Pflege integriert werden.

Das diabetische Fußsyndrom (DFS) stellt die mit am meisten gefürchtete Komplikation des Diabetes mellitus dar. Die hohe Prävalenz und Inzidenz von Typ 2 Diabetikern für Fußkomplikationen mit einem hohen Risiko für Amputation (Deutsche Diabetes Gesellschaft 2020; Reike und Fährenkemper 1999) zeigt die Notwendigkeit und Wichtigkeit für abgestimmte Prävention, Diagnostik und Therapie des diabetischen Fußsyndroms. Als Ursachen für die gefürchtete Fußkomplikation sind die fortschreitende Schädigung der Nerven (Neuropathie) und die Schädigung der Blutgefäße (Angiopathie) des Fußes zu nennen. Oft liegen beide Ursachen in Kombination vor (Reike und Fährenkemper 1999; Schaper 2020).

Bei beiden Faktoren, ob einzeln oder in Kombination, ist jedoch die Verletzung der ausschlag-gebende Moment. Liegt eine offene Wunde vor, beginnt in der Regel ein oft jahrelanges Ringen um Wundheilung (Reike und Fährenkemper 1999; Schaper 2020). Rezidivierende Ulzera mit Wundinfektionen führen häufig zum Verlust von Zehen bis hin zur Amputation ganzer Gliedmaßen (Heller 2004; Kröger 2017).

Bei Patienten mit vorhandenen Fußulzera sind patientenorientierte interdisziplinäre Behandlungskonzepte zur Vermeidung von Infektionen und fortschreitenden Komplikationen das primäre Therapieziel. Neben einer leitlinien- und stadiengerechten Wundtherapie mit ausreichen-dem Debridement, Druckentlastung und engmaschiger Kontrolle leistet die Kaltplasmatherapie hier einen wertvollen Beitrag. Als Plasma wird in der Physik ein ionisiertes Gas bezeichnet. Dabei handelt es sich um den sogenannten vierten Aggregatzustand nach fest, flüssig und gasförmig. Natürliche Plasmen wie die Sonne und Blitze sind viele Tausend Grad heiß und sind somit für medizinische Applikationen ungeeignet. Jedoch ist es auch möglich ein nicht-thermisches "kaltes" Plasma zu erzeugen. Dabei werden nur einzelne Gasteilchen (ca. 1 pro 109) durch Energiezufuhr ionisiert, so dass nur wenig Hitze ohne Schädigungspotential entsteht (Gerling und Weltmann 2016).

Die therapeutische Wirkung bei der Kaltplasmabehandlung basiert unter anderem auf der Interaktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies – langlebigen Komponenten des Kaltplasmas – mit Wundpathogenen und dem Gewebe (Schmidt und Bekeschus 2018; Von Woedtke 2019).

Kaltes Plasma verursacht lokal und temporär oxidativen Stress (Graves 2014). Das führt zur Bildung von Mikroporen von wenigen µm-Durchmesser in der Zellmembran. Durch diese Poren dringen die hochreaktiven Plasmaspezies in die Zellen ein (Leduc 2009). Dieser oxidative Stress stimuliert in eukaryotischen Zellen Stress-Response-Mechanismen, wie beispielsweise den Nrf2-Signalweg (Schmidt und Bekeschus 2018). Bis zu einer gewissen Konzentration führt das zu einer Steigerung der Zell- und Gewebefitness, bevor es bei höheren Stressdosen zur Einleitung des programmierten Zelltods – der Apoptose – kommt (Graves 2014). Insgesamt kann die Veränderung der Mikroumgebung in der Wunde durch die vorübergehende Applikation von kaltem Plasma daher bei Patienten mit unterschiedlichen Wundgenesen zur Stimulation des Heilungsprozesses führen. In zahlreichen präklinischen Untersuchungen (Ermolaeva 2011; Klämpfl 2012; Zimmermann 2012; Maisch 2012a, 2012b, 2012c, 2017; Becker 2018; Theinkom 2019) und klinischen Prüfungen (Al Shakaki 2019; Daeschlein 2012, 2015; Heinlin 2013; Hilker 2017; Isbary 2012; Klebes 2015; Rotering 2020) wurde bereits die antimikrobielle Wirkung von kalten Atmosphärendruck Plasmen belegt ohne dass es zu Nebenwirkungen oder Resistenzbildung bei Bakterien kam. Hier berichten wir vom Einsatz eines neuen, für die Ambulanz geeigneten, batteriebetriebenen Kaltplasmageräts bei zehn Patienten mit problematischen Wundverhältnissen in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis mit zertifizierter ambulanter Fußbehandlungseinrichtung (AG-Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft).

Methodik

Patienten: In dem Zeitraum März bis August 2020 wurden zehn Patienten (elf Wunden) mit diabetischem Fußsyndrom, Ulcus cruris, oder traumatischem Hämatom und problematischen Wundverhältnissen aus einer diabetologische Schwerpunktpraxis mit zertifizierter ambulanter Fußbehandlungseinrichtung (ZAFE) für eine Anwendungsbeobachtung von der Kaltplasmatherapie als Add-On zur leitliniengerechten Wundbehandlung ausgewählt. Die Patienten wurden von dem behandelnden Arzt aufgeklärt. Die Behandlung mit Anwendungsbeobachtung erfolgte in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki.

Kaltplasmagerät: Das plasma care® ist ein kleines, batteriebetriebenes Kaltplasmagerät mit einer Zulassung für den Europäischen Wirtschaftsraum als Medizinprodukt der Klasse IIa. Es nutzt die Oberflächenmikroentladungstechnologie zur Produktion von kaltem atmosphärischem Plasma direkt aus der Umgebungsluft. Das plasma care® hat folgende Betriebsparameter: Spannung = 3,5 kVpp, Wechselstromfrequenz = 4 kHz, Plasmaleistung = 0,4 – 1,5 W. Es wird in Kombination mit einem sterilen Einmalaufsatz, dem plasma care® Abstandhalter benutzt. Die zulässige Gesamtbehandlungsdauer für ein einzelnes Behandlungsareal von 13 cm² beträgt 1 bis 3 Minuten. Eine Kaltplasmabehandlung ist alle 24 Stunden möglich. Das plasma care® wurde im Rahmen seiner Zweck-bestimmung benutzt.

Wundbehandlung: Nach Aufklärung durch den behandelnden Arzt erhielten die Patienten eine leit-linien- und stadiengerechte Wundbehandlung mit Kompressions- oder Entlastungstherapie, wenn indiziert, und zusätzlich einmal wöchentlich Kaltplasma für unterschiedlich lange Zeiträume (siehe Abbildung 1). Eine Fotodokumentation der Wunden erfolgte bei jedem Praxisbesuch.

Wundgröße: Die Wundfläche wurde anhand der Fotografien mithilfe von ImageJ (ImageJ 1.53e, Wayne Rasband and contributors, NIH, USA) bestimmt; in jedem Bild mit Lineal wurde zunächst anhand des abfotografierten Lineals und der "Straight"-Funktion das Pixel-pro-Zentimeter Verhältnis bestimmt und über die "Set Scale"-Funktion von ImageJ für das jeweilige Bild festgelegt. Anschließend wurde mithilfe der "Freehand Selection"-Funktion der Wundrand markiert. Zuletzt wurde die umrandete Wundfläche mithilfe der "Measure"-Funktion bestimmt. Da die Fotografien nicht standardisiert wurden (z.B. hinsichtlich Winkel, Distanz zur Wunde, Belichtung), ist aus diesen Informationen lediglich ein Trend ersichtlich.

Zwischen März 2020 und August 2020 wurden zehn Patienten mit elf chronischen Wunden, davon sechs Männer und vier Frauen im Alter von 45 bis 86 Jahren, aus einer diabetologischen Schwerpunktpraxis für eine Kaltplasmatherapie ausgewählt. Acht Patienten waren Diabetiker (7x Diabetes mellitus Typ 2, 1x Diabetes mellitus Typ 1 (LADA)) mit einem durchschnittlichen HbA1c-Wert von 7,5 % ± 1,2 % bei der letzten Messung. Die Diagnose Diabetes mellitus bestand im Schnitt seit 14,6 ± 8,1 Jahren. Alle acht Patienten waren Insulinpflichtig. Abgesehen von einem Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 wiesen alle Patienten diabetische Folgeerkrankungen auf. Beide Nicht-Diabetiker waren aufgrund von offenen Beinen (Ulcus cruris) mit stagnierender Wundheilung in Behandlung. Komorbiditäten waren bei sieben von zehn Patienten bekannt. Weitere Details zu den einzelnen Patienten sind in Tabelle 1 angegeben.

Ein Patient (Patient 10) wies subjektiv bei der Beurteilung der Wundbilder eine Besserung der Wundverhältnisse sowie eine Reduktion der Wundfläche auf. Aufgrund technischer Probleme war eine quantitative Auswertung der Wunde nicht möglich, weshalb der Patient aus der weiteren Beurteilung herausgenommen wurde.

Der Großteil der Patienten (8/9) wies jeweils eine Wunde an einer unteren Extremität auf. Bei einem Patienten (Patient 04) wurden Teilamputationen an beiden Vorfüßen vorgenommen in deren Folge sich an beiden Lokalisationen chronische Ulzera entwickelten. Alle Wunden wurden über unterschiedliche Zeiträume von fünf bis dreizehn Wochen mit Kaltplasma behandelt. Die Behandlung erfolgte jeweils einmal pro Woche in der Praxis zusätzlich zur leitlinien- und stadiengerechten Wundversorgung.

Bei zwei Patienten verschlechterten sich die Wundverhältnisse leicht während der Kaltplasmatherapie. Dieses betraf einen Patienten mit einer beidseitigen Vorfußamputation (04) sowie eine Patientin mit einem Ulcus cruris nach einem Trauma mit Erysipel-Bildung (08). In beiden Fällen kam es nach einer initialen Besserung im weiteren Verlauf wieder zu einer Vergrößerung der Wundfläche .

Insgesamt führte die Kaltplasmatherapie bei sechs von neun Patienten mit problematischen Wunden zu einer Verbesserung der Wundverhältnisse mit besserer Abheilungstendenz bis hin zum einem nahezu vollständigen Wundverschluss in drei Fällen. In der vorliegenden Fallserie wurde bei sechs von zehn Wunden eine Verbesserung der Wundverhältnisse erreicht, drei davon erreichten sogar einen nahezu vollständigen Wundverschluss innerhalb von wenigen Wochen. Drei Wunden vergrößerten sich leicht unter der Kaltplasmatherapie. Eine Wunde stagnierte.

Therapieerfolg

Heilung- und Therapierfolg hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab. So müssen lokale Einflüsse wie kritische bakterielle Kolonisation, das Vorhandenseins eines Biofilms und andere mögliche lokale Ursachen sowie ggfs. weitere Differentialdiagnosen erwogen und immer wieder neu beurteilt werden. Weitere Faktoren, die eine Wundheilung trotz leitliniengerechter Versorgung verhindern sind häufig eine geschwächte Immunabwehr, unzureichende Blutversorgung, die Stoffwechsellage, nicht ausreichende Kausaltherapie und Medikamente. Aber auch Umstände wie mangelnde Körperhygiene und eine ungesunde Lebensweise haben Einfluss auf die Wundheilung. Außerdem gehört die Evaluierung von begleitenden Maßnahmen, wie der Kompressionstherapie und Entlastungsmaßnahmen zu einer notwendigen Ursachenforschung.

Die Ergebnisse der vorliegende Fallserie bestätigen, dass die Kaltplasmatherapie eine heilungsfördernde Ergänzung zur leitlinien- und stadiengerechten Wundbehandlung von Problemwunden aus der diabetologischen Schwerpunktpraxis mit Fußambulanz ist.

Zudem kann sie mit Hilfe eines mobilen Geräts gut in die ambulante Versorgung integriert werden. Weitere kontrollierte Studien sind notwendig, um die Effektivität der Kaltplasmatherapie bei der Behandlung von Problemwunden validieren zu können.


Autor:
Nikolaus Scheper
Praxis Dr. Scheper & Schneider & Veit
Marl, Deutschland / Germany
Interessenskonflikte: N. Scheper hat die Anwendungsbeobachtung im Auftrag der terraplasma medical GmbH durchgeführt.


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (5) Seite 26-28