Ohne Forschung läuft bei der Diabetesbehandlung wie auch in allen anderen medizinischen Bereichen so gut wie nichts. Glücklicherweise gibt es die Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF), die ihren Sitz in New York hat. Prof. Thomas Danne berichtet.

Schwerpunkt Kinderdiabetologie – wie Wandel gelingen kann

Kinderdiabetologiezeichnet sich durch einen stetigen Wandel aus. Die Entwicklung von einem abhängigen Kleinkind zu einem Jugendlichen auf dem Weg in die Erwachsenenmedizin ist ein solcher Wandel.

So kann Transition funktionieren

Privatdozentin Dr. Gudrun Ernst erklärt, worauf es ankommt, damit die Transition gelingt. Ein ganz anderes Umdenken wird hinsichtlich der Früherkennung eines Typ-1-Diabetes verlangt. Über viele Jahrzehnte schien die Notwendigkeit einer Insulinbehandlung des Typ-1-Diabetes ein unaufhaltbares Schicksal zu sein. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Wandel in der Typ-1-Diabetes-Behandlung von der Substitution des fehlenden Insulins zu einer Behandlung der zugrundeliegenden Autoimmunerkrankung bevorsteht.

Screening auf Typ-1-Diabetes

Wie man das Thema eines Screenings auf das Risiko für einen Typ-1-Diabetes mit Familien professionell bespricht, zeigt Prof. Karin Lange in ihrem Beitrag auf. Damit weitere Fortschritte in der Kinderdiabetologie möglich werden, müssen Strategien entwickelt und Fördermittel eingeworben werden.

Juvenile Diabetes Research Foundation

Prof. Thomas Danne beschreibt im dritten Beitrag die herausragende Rolle, die die 1970 von Betroffenen gegründete Juvenile Diabetes Research Foundation dabei spielt.

Die amerikanische Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF) mit Sitz in New York ist die größte Wohltätigkeitsorganisation für Diabetes. JDRF ist der weltweit führende gemeinnützige Geldgeber für die Forschung zur Heilung, Behandlung und Vorbeugung von Typ-1-Diabetes. Obwohl durch die COVID-Pandemie die Spendenbereitschaft geringer war als in den Vorjahren, sammelte JDRF International im Finanzjahr 2022 184 Millionen US-Dollar über seine traditionellen Spendenquellen. Mit dieser Unterstützung insbesondere aus den Reihen der Menschen mit Typ-1-Diabetes sind viele der enormen Fortschritte verbunden, die in der letzten Zeit hinsichtlich der Beschleunigung der Forschung zur Heilung und der Verbesserung der Lebensqualität für Menschen mit Typ-1-Diabetes und deren Angehörige verbunden sind.

Die erste krankheitsmodifizierende Therapie wurde 2022 zugelassen

In einem historischen Moment für die Typ-1-Diabetes-Forschung – an dem die JDRF von Anfang an beteiligt war, indem sie die Forschung seit den 1980er Jahren unterstützte – hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) Tzield® (Teplizumab) zur Verzögerung des Ausbruchs der klinischen Krankheit mit Notwendigkeit einer Insulinbehandlung bei Risikopatienten mit multiplen Diabetesantikörpern und ersten Anzeichen für Störungen des Glukosestoffwechsels (sogenanntes Stadium 2) ab 8 Jahren in den USA zugelassen. Zum ersten Mal in der Geschichte wird Tzield den Autoimmunprozess behandeln, der Typ-1-Diabetes zugrunde liegt, und so den Verlauf der Krankheit verändern. Dies ist die erste krankheitsmodifizierende Therapie – also eine Behandlung, die den Krankheitsverlauf verlangsamen, aufhalten oder umkehren kann – für Typ-1-Diabetes, die zugelassen wurde, aber es wird nicht die letzte sein. Das die europäischen Regulationsbehörden bislang noch nicht soweit sind, hat sicher auch damit zu tun, dass die Aufklärungsarbeit der Stiftung international bislang weniger ausgeprägt ist.

Wie weit sind stammzellbasierte Therapien ?

Mit der Übernahme der Firma ViaCyte durch Vertex haben sich zwei der größten Unternehmen, die stammzellbasierte Therapien für Diabetes entwickeln, zusammengeschlossen, um ihre Ressourcen, Technologien und mehr zu bündeln. Die JDRF hat die von beiden Unternehmen seit Anfang der 2000er Jahre vorangetriebene Stammzellenforschung mitfinanziert. Vertex entwickelt nun eine aus Stammzellen gewonnene Inselersatztherapie und hat gerade beim Europäischen Diabetes Kongress EASD erste Ergebnisse präsentiert. Insgesamt haben sechs im Mittel 44jährige Menschen mit einer Diabetesdauer von 8 bis 47 Jahren, und mehr als zwei schweren Hypoglykämien im Jahr vor Stammzelltransplantation an der VX880-Studie teilgenommen. Zwei Teilnehmer, die bereits ein Jahr beobachtet werden, benötigen kein Insulin mehr, müssen aber weiterhin das Immunsystem unterdrückende Medikamente zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion einnehmen. Ein weiterer Teilnehmer wurde nach 6 Monaten insulinunabhängig.

Behördliche Zulassung mehrerer Typ-1-Diabetes-Therapien und -Technologien

Die JDRF finanziert auch Forschung, um die Entwicklung neuer Therapien und Technologien zu fördern, die das tägliche Leben mit Diabetes einfacher machen. So wurden auch verschiedene kommerzielle Entwicklungen und Zulassungsstudien unterstützt:

  • Insulet Omnipod 5, das erste schlauchlose Patchpump-System zur automatischen Insulindosierung für Kinder ab 2 Jahren
  • Dexcom G7® System zur kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) für Kinder ab 2 Jahren
  • Abbott FreeStyle® Libre 3 System zur CGM für Kinder ab 4 Jahren
  • Senseonics Eversense® E3 CGM-System, das erste langfristig implantierbare CGM-System, für Personen ab 18 Jahren

Der Fünfjahresplan

Die JDRF wurde 1970 gegründet, um Typ-1-Diabetes zu heilen. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht, aber 50 Jahre Diabetes-Forschung haben die Wissenschaft an einen entscheidenden Punkt geführt. Die JDRF publizierte einen 5-Jahres-Plan, wie die Vision einer Welt ohne Typ-1-Diabetes schnellstmöglich vorangebracht werden soll. Demnach wird Forschung entlang von zwei Hauptzielen priorisiert. Erstens, Projekte zur Heilung durch Wiederherstellung der körpereigenen Fähigkeit, Insulin zu produzieren und somit Typ-1-Diabetes zu stoppen, bevor die Erkrankung auftritt, oder alternativ die Insulinunabhängigkeit durch Ersatz mit insulinproduzierenden Zellen zu erreichen. Zweitens, die Verbesserung der Lebensqualität, indem Menschen mit Typ-1-Diabetes in vielfacher Hinsicht unterstützt werden, bis eine "Heilung" gefunden wird. Da die JDRF eine Vielzahl von Forschungsanfragen erreichen, priorisiert dieser Plan, der von JDRF-Wissenschaftlern erstellt und von einem internationalen Vorstand genehmigt wurde, von denen die meisten Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder einen direkten Bezug zum Typ-1-Diabetes haben, die Förderungsmittel der JDRF auf die wichtigsten Ziele.

5 Jahre, 5 Ziele

Die JDRF hat sich dementsprechend 5 Zwischenziele für die nächsten 5 Jahre gesetzt. Die ausgeschriebenen Einzelprojekte werden somit fünf übergeordneten Zielen zugeordnet:

1. Entwicklung und Umsetzung einer globalen universellen Typ-1-Diabetes-Screening-Strategie, die Menschen mit erhöhtem Risiko in der Bevölkerung identifiziert und die diabetische Ketoazidose (DKA) bei der Diagnose reduziert.

2. Beschleunigung der Entwicklung von krankheitsmodifizierenden Therapien, die die Entwicklung und das Fortschreiten von Typ-1-Diabetes verzögern, aufhalten oder umkehren.

3. Vorantreiben der Entwicklung von Betazellersatztherapien der ersten Generation, die eine Verringerung des Insulinbedarfs und andere Vorteile nachweisen, möglicherweise unter Einsatz einer lokalen Immunsuppression.

4. Verbesserung der Lebens- und Stoffwechselqualität bei Menschen mit Typ-1-Diabetes, mit Verringerung täglicher Belastungen und der Komplikationen sowie Abbau von Hindernissen für den Einsatz neu zugelassener, lebensverändernder Behandlungsansätze5. Förderung einer Gemeinschaft von Typ-1-Diabetes-Forschern und Klinikern durch Ausbildungsstipendien und Netzwerkaktivitäten – und Überbrückung der Kluft zwischen Hormonspezialisten, Transplantationschirurgen, Psychologen und Immunologen.

Warum Screening?

Die von der JDRF mitfinanzierte Forschung hat herausgefunden, dass das Vorhandensein von zwei oder mehr spezifischen Diabetes-Autoantikörpern bei einer Person darauf hinweist, dass die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einen Typ-1-Diabetes zu erkranken, nahezu 100 % beträgt. Es ist auch erwiesen, dass wir, wenn wir mehr Menschen auf diese Autoantikörper untersuchen, ihnen sagen können, worauf sie achten müssen, und sie begleiten können, um eine DKA bei der Diagnose zu verhindern. Bei der DKA handelt sich um eine ernste Komplikation, die bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auftreten kann, und die zu lebensbedrohlichen Komplikationen und zum Tod führen kann. Menschen mit Diabetes wissen, was zu tun ist, um die DKA zu vermeiden - aber Menschen, bei denen die Diagnose noch nicht gestellt wurde, wissen das nicht. Deshalb erleidet leider ein erheblicher Prozentsatz der Menschen bei der Diagnose eine DKA. Und schließlich weiß man, dass direkte Familienangehörige von Menschen mit Typ-1-Diabetes zwar ein erhöhtes Risiko haben ebenfalls an Diabetes zu erkranken, dass aber in ungefähr 85-90 % der neu diagnostizierten Fälle niemand sonst in der Familie Typ-1-Diabetes hat. Ein universelles Screening wird also auch die Identifizierung von Risikopersonen in der Gesamtbevölkerung und die Entwicklung von Therapien beschleunigen, die das Fortschreiten von Typ-1-Diabetes verlangsamen und die Krankheit eines Tages heilen können. In den letzten zehn Jahren hat die JDRF mehr als 66 Millionen Dollar in die Früherkennungsforschung investiert. Vielleicht wird eines Tages Typ-1-Diabetes wie Polio oder Masern sein, und wir werden nur noch in unseren Impfbüchern darüber lesen.

Krankheitsmodifizierende Therapien

Typ-1-Diabetes ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die in verschiedenen Stadien fortschreitet. Personen in den Stadien eins und zwei der Krankheitsentwicklung haben zwei oder mehr Autoantikörper und können normale oder leicht veränderte Blutzuckerwerte haben. Die therapeutischen Maßnahmen in diesen Stadien zielen darauf ab, das Auftreten von Krankheitssymptomen zu verzögern oder zu verhindern, sobald sich die Autoimmunität entwickelt hat. Bei Menschen im dritten Krankheitsstadium sind die Symptome bereits fortgeschritten und sie benötigen eine Insulintherapie. Die therapeutischen Ansätze in diesem Stadium zielen darauf ab, die Funktion der Betazellen zu erhalten und die Blutzuckerkontrolle wiederherzustellen. Während neue Therapien und therapeutische Konzepte zur Heilung entwickelt werden, die die Autoimmunität stoppen und die Betazellen in den Stadien eins bis drei wiederherstellen, bleibt der Ersatz der Inselzellfunktion durch eine Zelltherapie im Stadium des lange bestehenden Typ-1-Diabetes der einzige Ansatz, von dem wir nach gegenwärtigem Kenntnisstand erwarten können, dass eine vollständige Glukosekontrolle und Insulinunabhängigkeit erreicht werden kann.

Ausblick

Die JDRF tut mehr als nur die Typ-1-Diabetes-Forschung zu finanzieren. Seit ihrer Gründung im Jahr 1970 hat die JDRF über 2,8 Milliarden Dollar für die Suche nach Heilungsmöglichkeiten für Typ-1-Diabetes zur Verfügung gestellt, aber das ist nur ein kleiner Teil der Arbeit. Die JDRF ist weltweit führend auf dem Gebiet des Typ-1-Diabetes und hat vor, sich jetzt vermehrt auch international zu engagieren. Damit die Forschungsergebnisse auch rasch in den Alltag der Menschen mit Typ-1-Diabetes gelangen, sucht die JDRF die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten von Entwicklung, Zulassung, und Erhältlichkeit von Produkten weltweit, einschließlich Unternehmen, Organisationen, Regierungen und anderen Einrichtungen, um so schnell wie möglich wissenschaftliche Fortschritte in den Alltag von Menschen mit Typ-1-Diabetes zu bringen. Außerhalb von den U.S.A. ist die JDRF bisher besonders in Canada, Australien, Israel, den Niederlanden und Großbritannien aktiv. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft weitere Länder hinzukommen.


Autor:
Prof. Dr. med. Thomas Danne
Chefarzt Diabetologie, Endokrinologie und Allgemeine Pädiatrie sowie klinische Forschung
Kinderkrankenhaus auf der Bult, Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover
E-Mail: danne@hka.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (11) Seite 10-13