In diesem Beitrag gehen wir auf allgemeine Empfehlungen zu häufigen Impfungen sowie ihre Anpassungen bei Menschen mit Diabetes ein.

Schwerpunkt: Impfungen

Infektionskrankheiten sind eine wesentliche Bedrohung der Gesundheit vor circa hundert Jahren gewesen. Neue Themen der Medizin, wie die Zunahme der chronischen nicht-übertragbaren Krankheiten haben den Fokus unserer Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen u.a. auf Diabetes, Herz-Kreislauf-Medizin, onkologische und neurodegenerative Krankheiten verlegt.

Dramatisch wurden wir durch "reale virale Gefahren", inklusive durch Ebola, vor einigen Jahren aufgeweckt, und die Pandemie mit Sars-CoV-2 respektive der COVID-19-Erkrankung der letzten Jahre hat unser aller Leben maßgeblich verändert.

Noch gibt es keine effiziente und erregerspezifische medikamentöse Therapien nach Ausbruch der Erkrankung, aber wir können das Risiko für Ansteckung und schwere Verläufe durch Impfung drastisch reduzieren.

Häufige virale Erkrankungen, z.B. Influenza, sind nicht nur lokale "Schnupfen", sondern können sich zu systemischen und häufig auch letalen Komplikationen entwickeln. Hiervon sind "vulnerable" Personen besonders gefährdet, z.B. ältere Menschen, immunkomprimierte Personen und auch Menschen mit Diabetes mellitus.

Häufige virale Erkrankungen, z.B. Influenza, sind nicht nur lokale "Schnupfen", sondern können sich zu systemischen und häufig auch letalen Komplikationen entwickeln. Hiervon sind "vulnerable" Personen besonders gefährdet, z.B. ältere Menschen, immunkomprimierte Personen und auch Menschen mit Diabetes mellitus

Deswegen haben sich die Herausgeber entschieden, das Thema Impfung "fristgerecht" zum Herbst zum Schwerpunkt zu nehmen. Im ersten Beitrag gibt es eine allgemeine kurze Übersicht und dann spezifische Beiträge zu COVID-19 und Influenza. Die größte Barriere für eine Impfung ist, dass wir selbst und die Menschen nicht dran denken. Ein "kleiner Piks" kann Leben retten, daran sollte man bei jedem Patientenkontakt denken.

"Es wird bei Impfungen zwischen Standard-, Auffrisch- und Indikationsimpfungen unterschieden."

Es wird bei Impfungen zwischen Standard-, Auffrisch- und Indikationsimpfungen, wie z.B. bei Menschen mit Diabetes unterschieden. Auf Impfungen bei beruflich oder arbeitsbedingt erhöhtem Risiko und Reiseempfehlungen gehen wir nicht ein. Hierzu gibt es immer aktualisierte Empfehlungen auf der Webseite vom Robert-Koch-Institut.

Für Empfehlungen zu Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) und Influenza wird auf die beiden anderen Kapitel in diesem Heft verwiesen.

Empfehlungen zu Standard-Impfungen mit Auffrischung sind in Tabelle 1 zusammengefasst:

Tabelle 1: Empfehlungen zu Standard-Impfungen mit Auffrischung.

Im Folgenden gehen wir ergänzend auf Indikationsimpfungen ein, die für Menschen mit Diabetes relevant sind.

Indikationsimpfungen

Pneumokokken

Es besteht eine Standardempfehlung durch einmalige Gabe des 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) für Menschen im Alter von 60 Jahren und älter. Bei Menschen mit Diabetes ist die Altersgrenze auf ≥ 16 Jahre abgesenkt. Bei Diabetes im Alter ≥2-15 Jahren wird sequenziell mit PV13 und dann mit PPSV23 nach 6-12 Monaten geimpft. Bei Menschen mit Diabetes bzw. Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Pneumokokken-Erkrankungen empfiehlt die STIKO (Ständige Impf-Kommission) eine Wiederholungsimpfung in einem Mindestabstand von 6 Jahren.

Herpes Zoster

Es besteht eine Standardempfehlung durch zweimalige Gabe des adjuvantierten Totimpfstoffs im Abstand von 2-6 Monaten für Menschen im Alter von 60 Jahren und älter. Bei Menschen mit Diabetes ist die Altersgrenze auf ≥ 50 Jahre abgesenkt.

FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis)

Eine Grundimmunisierung und Auffrischimpfung gilt als Indikation bei Menschen, die in Risikogebieten zeckenexponiert sind. Die Saisonalität (April bis November) und Region ist zu berücksichtigen. Risikogebiete und ihre Aktualisierungen sind beim Robert-Koch-Institut im Epid Bull 9/2023 nachzusehen.

Affenpocken/Mpox

Für erwachsene Männer, die Sex mit Männern haben und dabei häufig den Partner wechseln, soll subkutan zweimal mit MVA-BN geimpft werden. Personen, die in der Vergangenheit gegen Pocken geimpft worden sind, brauchen nur eine Impfung.

Worauf achten?

Fehlende Impfdokumentation ist kein Grund auf empfohlene oder notwendige Impfungen zu verzichten. Impfungen bei eventuell bereits bestehendem Impfschutz haben in der Regel kein erhöhtes Risiko. Serologische Kontrollen eines Impfstatus werden nicht empfohlen, Ausnahme z.B. Anti-HBs.

Impfstoffe müssen bei der Lagerung vor Erwärmung (daher Kühlschrank) und Licht geschützt werden.

Impfstoffe sollte vor der Injektion nicht mit Desinfektionsmittel und auch nicht mit der Außenseite der Kanüle in Kontakt kommen (kann die Injektion scherzhaft machen und zu lokalen Entzündungen führen). Daher sollten die Durchstechflasche sowie der Injektionsort "trocken" sein und zur Injektion eine neue Kanüle auf die Spritze aufgesetzt werden.

Perspektiven

Zur Zeit werden über 100 Impfstoffe gegen verschiedene Viren, Erreger bzw. Infektionskrankheiten entwickelt, z.B. gegen Borreliose, COVID-19, Chlamydien-Infektionen, CMV-Infektion, Dengue, Genitalherpes (Infektion mit HSV-2), Influenza, HPV-Infektionen, Lassafieber und Gelbfieber, Malaria, MERS, Metapneumovirus-Infektion (hMPV-Infektion), Nipahviren, M-Pox, Norovirus-Infektionen, Epstein-Barr-Virus-Infektion, Rotavirus-Infektionen, RSV-Infektion, Tollwut, Tuberkulose, West-Nil-Virus-Infektionen und Zika-Virus.

Neue Entwicklungen bei der Herstellung von Impfstoffen ermögliche neue Perspektiven. Hierbei werden neue Targets für die Generierung von Impfstoffen gewählt und auch körpereigene Proteine könnten entsprechend moduliert werden, so dass auch die Abwehr gegen körpereigene Proteine gezielt verändert werden könnte. Dies hat nicht nur Einfluss auf die Behandlung von Krebsformen und des Immunssystems, sondern eventuell längerfristig auch zur Modulation der Autoimmunantwort, z.B. zur Verhinderung des Typ-1-Diabetes, oder der Menge und Aktivität körpereigener Proteine, wie z.B. gegen PCSK-9, zur "lebenslangen" Reduktion der LDL-Cholesterinspiegel im Blut führen. Dadurch werden nicht nur Infektionskrankheiten, sondern eines Tages auch nicht-übertragbare chronische Krankheiten und kardiovaskuläre Risikofaktoren vielleicht besser beherrschbar und damit einen "Gestalten-Wandel" der Medizin im 21. Jahrhundert einleiten.



Literatur:
Robert Koch Institut. Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health. Epidemiologisches Bulletin 4/2023. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2023 vom 26. Januar 2023.

Autoren:
Professor Dirk Müller-Wieland
Marlo Verket
Medizinische Klinik I
Universitätsklinikum Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (10) Seite 10-12

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