Fortbildungen sind in allen Berufsgruppen wichtig, doch kaum in einem anderen Bereich so elementar wie in den Gesundheitsberufen. Dass sie gerade dort auch viel mehr als reine Pflichtveranstaltungen sind und oftmals erst neue Perspektiven eröffnen, beschreibt Dr. Martin Lederle im Editorial.

Jeder von uns – egal in welchem Bereich er berufstätig ist – muss sich fortbilden. Für mich ist Fortbildung nicht nur eine leidige Pflicht (ein Vertragsarzt in Deutschland ist zur Fortbildung verpflichtet; wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt, wird die vertragsärztliche Vergütung gekürzt), sondern auch nach mehr als 30-jähriger ärztlicher Tätigkeit bilde ich mich gerne fort. Im Bereich der Diabetologie und verwandte Gebiete gibt es immer wieder Neues.

Fortbildung: Ich bevorzuge Vorträge und Workshops

Es kommt auch immer wieder vor, dass ich durch Fortbildung Zusammenhänge von Dingen erklärt bekomme, die ich im Umgang mit den Patienten erlebt habe, aber bisher nicht erklären bzw. verstehen konnte. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Fortbildung. Ich gehe am liebsten zu Vortragsveranstaltungen oder zu Workshops. Eine Stunde eines gut aufbereiteten und präsentierten Vortrages kann "ergiebiger" sein als z. B. 10 Stunden Literaturstudium; dies ist natürlich vom jeweiligen Referenten abhängig, und da habe ich in den letzten Jahren sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht.

Wenn ich selbst einen Vortrag halte, versuche ich immer die real existierende Versorgungssituation, wie ich sie täglich erlebe, darzustellen. Dies ist manchmal ziemlich ernüchternd (wenn ich z. B. die Verteilung des HbA1c-Wertes bei den etwa 150 Patienten mit Insulinpumpentherapie betrachte, die in der Diabetespraxis Ahaus betreut werden), aber notwendig, um auf der Grundlage dieser Fakten überlegen zu können, ob, wo und wie es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Kirchheim-Forum: eine Fortbildungsveranstaltung, wie ich sie mag

Am 22. und 23. Januar 2016 fand in Berlin das Kirchheim-Forum Diabetes statt, übrigens schon zum elften Mal. Das war eine Fortbildungsveranstaltung, wie ich sie mag. Als Chefredakteur vom Diabetes-Forum bin ich mit meiner Beurteilung natürlich voreingenommen, aber über 1100 Teilnehmer können sich eigentlich nicht irren. Unter dem Oberthema "Lebensweg des Menschen mit Diabetes mellitus" wurden wieder viele interessante Themen präsentiert.

Für mich ist das Besondere am Kirchheimforum Diabetes, dass die Berufsgruppen, die auch im Alltag gemeinsam Patienten mit Diabetes mellitus versorgen, gemeinsam eine Fortbildungsveranstaltung besuchen und miteinander diskutieren. Sie können es hier im Heft sehen (Fotostrecke, Seite 4 und 5) und nachlesen.

Erstmals fand auch ein "Forum Patientenschulung" statt

Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde zum ersten Mal das Forum Patientenschulung angeboten. Nachdem in Deutschland seit mehr als 30 Jahren Gruppenschulungen für Patienten durchgeführt werden, war es dringend erforderlich, die wirksame therapeutische Intervention "Gruppenschulung" einmal gründlich zu beleuchten und zu überlegen, wie dieses "Behandlungswerkzeug" weiterentwickelt werden kann.

Alle, die Gruppenschulungen durchführen, wissen, dass in der Gruppe Dinge passieren können, die in einem 4-Augen-Gespräch nie passieren würden. Ich denke da an eine 38-jährige Patientin mit Diabetes mellitus Typ 1 und intensivierter konventioneller Insulintherapie, die neben ihrem "Hauptberuf" Hausfrau und Mutter noch tageweise berufstätig ist. An diesen Tagen traten immer wieder starke Blutglukose (BG)-Schwankungen auf; die Patientin war ziemlich verzweifelt, da die Korrekturregeln, die zu Hause gut funktionierten, bei ihrer Berufstätigkeit einfach nicht passten.

Vorteile der Gruppenschulung

In mehreren Einzelgesprächen haben wir versucht, gemeinsam ein "passendes Schema" auszutüfteln; die Überlegung zur Durchführung einer Insulinpumpentherapie stand im Raum; dies wollte die Patientin aber eigentlich nicht. In der Gruppenschulung hat sie über ihr Problem berichtet und schon am ersten Schulungstag wurde ihr von den anderen "Experten" = Schulungsteilnehmern der Ratschlag gegeben: "Suche Dir einen anderen Arbeitsplatz". Dies war für die Patientin zunächst eine völlig neue Perspektive, die sie bisher noch gar nicht in Betracht gezogen hatte.

Wir führen in der Diabetespraxis Ahaus die Gruppenschulung für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 an "einem Stück" von montags bis donnerstags durch; dieses intensive Miteinander in der Gruppe setzt immer eine erhebliche Dynamik in Gang. Bis Donnerstag hatte sie sich im Austausch mit den anderen Gruppenmitgliedern mit diesem Vorschlag angefreundet und auch schon einen konkreten Plan für die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz entwickelt.

"Schulung" negativ besetzt: Wettbewerb zur Begriffsfindung

Im Forum Patientenschulung wurde auch darüber diskutiert, dass die Bezeichnung "Schulung" für diese wirksame Therapie ein Begriff ist, der bei den Patienten eher mit negativen Gefühlen besetzt ist.

Das Diabetes-Forum wird einen Wettbewerb starten, um für diese therapeutische Maßnahme einen Namen zu finden, der einfach mit positiveren Gefühlen verbunden ist. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit Ihren Ideen daran beteiligen würden. Mehr zu dieser Aktion werden Sie in der nächsten Ausgabe vom Diabetes-Forum lesen können.



Autor: Dr. Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
Wüllener Straße 101
48683 Ahaus
Tel.: 02561 - 992500

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (3) Seite 7