Im Oktober fand die Herbsttagung der Berliner Diabetesgesellschaft statt. Mit dabei waren Kathrin Boehm, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des VDBD und Yvonne Häusler, Vorstandsmitglied des VDBD. Als Vertreterin der Diabetesfachkräfte war Häusler das erste Mal im Planungsteam und konnte das Programm der gemeinsamen Veranstaltung für Diabetolog:innen, Diabetesberater:innen sowie Diabetesassistent:innen aktiv mitgestalten.

Bereits auf der Herbsttagung der Berliner Diabetesgesellschaft 2022 waren Diabetesfachkräfte eingeladen. In diesem Jahr hat die Fachgesellschaft der Diabetolog:innen in Berlin sich allerdings schon im Vorfeld an Yvonne Häusler, Diabetesberaterin DDG und Vorstandsmitglied des VDBD, gewandt, um sie in das Planungsteam mit aufzunehmen. Damit war der Grundstein für eine Fachtagung auf Augenhöhe gelegt. Für die Themenauswahl wurden Umfragen sowohl unter den Diabetolog:innen als auch unter den Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen durchgeführt. Das spiegelte sich dann auch im Programm wider.

Die Vortragsthemen reichten von "AID - Therapieanpassung bei den unterschiedlichen Systemen in allen Lebenslagen" von Ulrike Thurm, Diabetesberaterin, über "Fallvorstellung und Fehleranalyse AID -System (z.B. im hohen Alter, Schwangerschaft, Transition)" von Dr. med. Corinna Richter, Medicover Berlin-Mitte sowie "Auswertung der Survey Monkey Umfrage der BDG", die Dr. med. Carsten Giesche, St. Gertrauden-Krankenhaus, vorstellte.

Was ist eine "Fishbowl"
Bei der Fishbowl-Diskussionsmethode diskutiert eine kleine Gruppe von Teilnehmenden im Innenkreis (im "Goldfisch-Glas") das Thema, während die übrigen Teilnehmenden in einem Außenkreis die Diskussion beobachten. Möchten Teilnehmende aus dem Außenkreis zur Diskussion beitragen, kann dies in unterschiedlichen Formen erfolgen.

Den Höhepunkt am ersten Tag der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion in Form einer "Fishbowl". Gegenstand diese interaktiven Diskussion war "Delegation und Substitution von Leistungen in der Diabetologie", ein Thema, welches sowohl die Ärzte als auch die Fachkräfte in der Diabetologie immer wieder beschäftigt und durchaus kontrovers geführt wurde. Zu den Diskutanten zählten Dr.
Michael Fiedler, ärztlicher Leiter der Diabetologie, Helios Klinikum und MVZ Berlin Buch, MHBA, Prof. Dr. Volker Großkopf, Jurist, Autor u.a. von Recht in der Medizin und Pflege, Herausgeber der Rechtsdepesche sowie Kathrin Boehm, Diabetesberaterin DDG und stellvertretende Vorsitzende des VDBD. Das Publikum wurde durch Moderation von Dr. Christian Toussaint konstant dazu aufgefordert, zu den Diskutanten auf die Bühne zu kommen, um sich mit ihren Gedanken dazu auch einzubringen.

Prof. Dr. Großkopf stellte in einem Impulsvortrag zunächst die Definitionen und den Unterschied von Delegation und Substitution dar. Grundlage für die aktuelle Diskussion bildete der im Jahr 2023 veröffentliche Rahmenvertrag [1] zur verpflichtenden Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten nach § 64d SGB V innerhalb der Pflegeausbildung. Nach § 64d Absatz 1 Satz 1 SGB V haben die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen in jedem Bundesland gemeinsam mindestens ein Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung durchzuführen. Die Modellvorhaben erstrecken sich auf die Übertragung von ausschließlich ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt, auf Pflegefachpersonen. Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten im Rahmen der Modellvorhaben erfolgt auf Pflegefachpersonen mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 Pflegeberufegesetz. Insgesamt gibt es neben dem Grundlagenmodul "Ein professionelles Berufs- und Rollenverständnis mit erweiterter heilkundlicher Verantwortung entwickeln" acht standardisierte Module [2] zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben u.a. eines zum Diabetes mellitus.

Kathrin Boehm konnte berichten, dass viele dieser Tätigkeiten bereits seit 40 Jahren an die Berufsgruppe der Diabetesberater:innen delegiert wird. Die DDG nahm daher die aktuellen Entwicklungen zum Anlass, dass ab 01.01.2024 in der neuen Weiterbildung zum/zur Diabetesberater:in DDG genau diese Inhalte plus zusätzliche Kompetenzen im Bereich der Diabetestechnologie abzubilden. Bei dem Hinweis, dass das Thema "Recht" Diabetesberater:innen in einem Umfang von 16 UE gelehrt wird, kam die berechtigte Nachfrage von einer Diabetologin "Wie ist das denn bei uns Ärzt:innen in den Kursen zum/zur Diabetologen:in?"

Diese Frage ist laut Kathrin Boehm ein weiterer Grund dafür, dass eine interprofessionelle Zusammenarbeit in der Diabetologie auf Augenhöhe stattfinden muss. Im Rahmen der Schulungs- und Behandlungsprogramme geben Diabetesfachkräfte den Menschen mit Diabetes Hilfe zur Selbsthilfe, warum sollten sie es nicht auch dann tun, wenn Patienten z. B. nach einer OP nicht in der Lage sind, diese Fähigkeiten selbst anzuwenden, da sie nicht auf ihre Ressourcen zurückgreifen können. Diese Frage konnte nicht abschließend geklärt werden, aber eine Diskussion ist immer ein guter Weg, um sich anzunähern.

Am zweiten Tag der Herbsttagung gab es zwei Workshops. Der erste Workshop beschäftigte sich mit dem Erfahrungsaustausch bezüglich der Insulinpumpentherapie und den Stellschrauben der einzelnen AID-Systeme. Dort nahmen ca. 20 Personen, sowohl Diabetolog:innen als auch Diabetesfachkräfte, teil und wurde von drei Diabetolog:innen und Yvonne Häusler als Diabetesberaterin begleitet. Fazit dieses Workshops nach Aussage von Yvonne Häusler war, dass beide Seiten voneinander lernen und profitieren können und auch hier zeigte sich wieder, Diabetologie funktioniert am besten als Teamarbeit.

Im zweiten Workshop wurde ein gemeinsamer Berliner intensivierter Insulinplan erstellt. Auch da trafen sich sowohl Diabetesfachkräfte als auch Diabetolog:innen, um dieses Projekt zu verwirklichen. Dieser einheitliche Insulinplan wird demnächst auf der Webseite der Berliner Diabetes Gesellschaft, BDG, zum kostenlosen Download zur Verfügung stehen. Ein weiterer Schritt, um die Arbeit mit- und untereinander zu erleichtern.

Beide Vertreterinnen des VDBD zeigten sich hochzufrieden mit der Tagung und stellten der Zusammenarbeit auf Augenhöhe in diesem Jahr ein gutes Zeugnis aus. Die Wertschätzung für die Diabetesfachkräfte war deutlich spürbar. Wichtig an dieser Stelle ist, dort anzusetzen und weiterzumachen und das nicht nur in Berlin.


NEU – Die KE-Tabelle

Im Zuge der Ernährungsbroschüre, die der VDBD in diesem Jahr neu aufgelegt hat, wurde auch die KE-Tabelle in Zusammenarbeit mit diabinfo überarbeitet und steht nun auf der Webseite des VDBD zur Verfügung. Die Kohlenhydrateinheitstabelle gilt als ein Referenzwerkzeug, das speziell für Menschen mit Diabetes entwickelt wurde, die Insulin spritzen. Sie bietet Informationen über den Kohlenhydratgehalt von Lebensmitteln, was es den Betroffenen ermöglicht, ihre Insulindosis und Mahlzeiten besser zu planen.Aus Sicht der Diabetesfachkräfte ist die Kohlenhydrateinheitstabelle zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden, das bei der individuellen Beratung und Schulung von Patient:innen mit Diabetes eine zentrale Rolle spielt, um ihre Ernährung zu steuern und ihren Blutzuckerspiegel in Schach zu halten. Sie ist ein leistungsstarkes Instrument, das Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen hilft, ihre Patient:innen zu unterstützen, eine ausgewogene und blutzuckergerechte Ernährung zu planen.

Diese Tabelle bietet Informationen über den Kohlenhydratgehalt verschiedener Lebensmittel und ist bei Menschen mit Diabetes beliebt, die die KE von Lebensmitteln schätzen müssen. Die Idee hinter der Tabelle ist sehr einfach, aber effektiv. Sie gibt jeweils an, wie viel Gramm bzw. welche Portionsgröße eines Lebensmittel einer Kohlenhydrateinheit (1 KE) = 10 Gramm Kohlenhydraten entsprechen. Durch die Verwendung der KE-Tabelle können Diabetesfachkräfte ihren Diabetespatient:innen vermitteln, wie sie den Kohlenhydratgehalt von Lebensmitteln leichter abschätzen und den Einfluss von Kohlenhydraten auf den Blutzuckerspiegel besser verstehen können. Dies ermöglicht es den Betroffenen, ihre Insulindosierungen genauer anzupassen und ihren Diabetes besser zu managen.Das Besondere an der KE-Tabelle ist ihre Vielseitigkeit. Sie kann für eine Vielzahl von Lebensmitteln angewendet werden, von frischem Obst über Backwaren, Süßwaren oder Getränke bis zu verarbeiteten Lebensmitteln. Menschen mit Diabetes können so ihre Ernährung mit einem Blick auf eine ausgewogene Kohlenhydratzufuhr achten und damit ihre Lebensqualität insgesamt verbessern. Auf der VDBD-Webseite finden Sie die neue KE-Tabelle unter: https://www.vdbd.de/ueber-uns/publikationen/broschueren/ oder über den QR-Code anbei.


Literatur:
1. https://www.kbv.de/media/sp/Rahmen-vertrag___64d_SGB_V.pdf
2. Standardisierte Module zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben Fachkommission nach § 53 PflBG

Autor:
Ria Grosse, VDBD
Referentin der Geschäftsführung
Redakteurin Online/Print


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (12) Seite 44-45