Mit einer Einigung im Vermittlungsausschuss beim Krankenhaustransparenzgesetz ist ein erster kleiner Schritt getan. Das große Ringen um die Klinikfinanzierung folgt aber erst noch.

Man kennt sie, die Patienten, die trotz schlechtester Prognose immer weitermachen, und das oft erstaunlich agil. Unter den deutschen Kliniken finden sich derzeit überproportional viele solcher Prognoseverweigerer: In der Diskussion um die Krankenhausreform ist stets zu hören, der deutschen Kliniklandschaft drohe eine Pleitewelle. Nach einer aktuellen Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon war im vergangenen Jahr tatsächlich ein Anstieg von Krankenhaus-Insolvenzen zu verzeichnen, von sieben im Jahr 2022 auf 30 im Jahr 2023. Das ist zwar ein drastischer Anstieg, aber noch keine Welle. Der Grund für die Resilienz: Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft schießen Träger 500 Millionen Euro zu, um die Patientenversorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten – jeden Monat. Die Finanzgefahren sind also real, ob Energiepreise, allgemeine Inflation oder darauf folgende Lohnsteigerungen für das Personal – alle belasten die Ausgabeseite. Die Einnahmen dagegen lassen sich wegen der komplexen Statik des Gesundheitssystems weit weniger dynamisch anpassen.

Die tragende Säule dieser gesetzlich geregelten Klinikfinanzierung ist das System der Disease Related Groups (DRG), auf Deutsch passender Fallkostenpauschalen genannt. Die Unwucht dieses Systems zu lindern hat sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, aktueller Anlass war die Coronapandemie. Die Angst vor den Virusfolgen veranschaulichte drastisch den Wert, Betten und Versorgungsstrukturen auch für den Fall der Fälle vorzuhalten. Im Mai 2022 wurde, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Regierungskommission eingerichtet zur Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung. Ziel war, das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen zu ergänzen.

Im politischen Ringen um die Krankenhausreform sind also aktuelle Geldkrisen und langfristige Strukturdebatten zu einem herausforderndem Ganzen verschmolzen. Weil zusammenkam, was nicht zusammengehörte, entschied sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach 2023 dazu, die Reform in zwei Gesetze aufzuspalten, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und das Krankenhaustransparenzgesetz. Letzteres wurde nun im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat diskutiert, nachdem der Bundesrat es im November gestoppt hatte. Just am Abend des 61. Geburtstags des Ministers, dem 21. Februar, einigten sich die Vertreter von Bundestag und Bundesrat: Mit einem "Transformationsfonds« lockte Lauterbach die Länder an Bord, 50 Milliarden Euro sollen darin von 2025 an für zehn Jahre die große Krankenhausreform umsetzen helfen. Die Summe sollen sich Bund und Länder je zur Hälfte teilen, der Bundesanteil größtenteils aus dem beitragsfinanzierten Gesundheitsfonds stammen. Im Transparenzgesetz auch vor den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss schon vorgesehen waren Regelungen zu zusätzlicher Liquidität in Höhe von sechs Milliarden für die Klinken in diesem Jahr. Zusätzlich sollen die Landesbasisfallwerte angehoben werden. Diese Verkettung von Transparenz und Finanztransfer war im Vorfeld kritisiert worden. "Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das Transparenzgesetz als Druckmittel zu nutzen, um eigene Vorstellungen in der Krankenhausreform durchzudrücken", warnte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) Prof. Dr. med. Heiner Wedemeyer angesichts der drohenden Insolvenzwelle unter den Krankenhäusern davor, die Existenzsicherung der für die Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser aus politischen Gründen weiter zu verschleppen. Eine stabile Krankenhausversorgung zu sichern, müsse für alle Beteiligten in Bund und Ländern das oberste Ziel sein, hinter das eigene politische Ambitionen zurückstehen müssten, so die Fachgesellschaft.

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss wird davon ausgegangen, dass das Transparenzgesetz am 22. März den Bundesrat passieren könnte. Lauterbach will die Pläne für die eigentliche Krankenhausreform Ende April in das Bundeskabinett bringen.

Atlas soll schnell starten

Mit dem Transparenzgesetz soll ein Online-Atlas geschaffen werden, der Auskunft über Kliniken bundesweit gibt, von 1700 Standorten ist die Rede. Verzeichnet sein soll darin, welche Leistungen ein Krankenhaus anbietet sowie Daten zur Behandlungserfahrung, zum ärztlichen und pflegerischen Personalschlüssel sowie zu Komplikationsraten bei bestimmten Eingriffen. Laut Lauterbach ist trotz der Verzögerung durch die Extrarunde im Vermittlungsausschuss der Start des Transparenz-Portals für den 1. Mai geplant. Das Fazit des Ministers nach der Verhandlungsrunde Mitte Februar war positiv: "Es gibt mehr Geld für die Kliniken und eine bessere Übersicht über die Qualität der Häuser." Damit könne die befürchtete Insolvenzwelle abgewendet werden.

Diabeteskompetenz statt Gießkanne

Auf ihrer Jahrespressekonferenz, genau am Tag nach der Einigung zum Transparenzgesetz im Vermittlungsausschuss am 22. Februar, widmete sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) zum wiederholten Mal dem Thema Diabetesversorgung im Krankenhaus. DDG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz bezeichnete die Ergebnisse als "klaren Schritt weiter", gleichwohl blieben Fragezeichen. Er wandte sich dagegen, Geld mit der Gießkanne zu verteilen, drei Punkte will die DDG bei der Krankenhausreform in die politische Agenda miteinfließen lassen:

  • Versorgungsqualität muss finanziert werden – Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge und Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge erhalten.
  • Strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern
  • Vulnerable Gruppen schützen: Kinder sowie multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung.

Aus Sicht der DDG muss gerade in der Krankenhausreform Diabetes ernst genommen und nicht nur über Herzkatheter und Stroke Units, sondern auch über "Diabetes Units" im Sinne von Diabetesbehandlungsteams in den Krankenhäusern gesprochen werden. Die Fachgesellschaft setzt sich laut Gallwitz sehr dafür ein, dass die Diabeteskompetenz in das Transparenzregister aufgenommen wird. Sie könne sich allerdings nur indirekt einbringen, da die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hier die Verhandlungen mit dem Ministerium führe.

Revolution oder Reförmchen

Der Minister selbst hat durchaus Erwartungen für einen großen Wurf geweckt: Die Reform sei "eine Revolution", da die Finanzierung der Kliniken komplett umgestellt und die Spezialisierung "ganz nach vorne" gebracht werde. Gleichwohl zeigte Gallwitz sich realistisch: Die DDG habe zwar Leistungsgruppen vordefiniert als Basis der Kalkulation der geplanten Vorhaltepauschalen. "Wir befürchten, dass das Raster für diese Leistungsgruppen sehr, sehr grob werden wird und es schwierig werden wird, ganz konkret und ganz filigran alle unsere Forderungen sofort durchzusetzen", schränkte er ein.

Schon Ende Januar hatte sich Lauterbach zuversichtlich gezeigt, dass die Krankenhausreform als auch das Transparenzgesetz jetzt rasch vorangetrieben werden. Er sprach von einem Aufgeben der Blockadehaltung der unionsgeführten Länder, "die Krankenhausreform ist zurück in der Spur. Diese beiden Reformen sind existenziell – sowohl für Patienten – wie auch für die Krankenhäuser", sagte der Minister auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Prof. Reinhard Busse, Prof. Jens Scholz und Prof. Michael Hallek. Lauterbach betonte auch dort den Ansatz hinter dem Portal: "Wenn Patienten wissen, welches Krankenhaus wie gut ist, werden sie besser versorgt. Der Zusammenhang zwischen Behandlungsqualität und Behandlungsergebnis ist eindeutig." Für eine informierte Entscheidung aller Patienten brauche es deshalb den mit dem Transparenzgesetz geplanten "Klinik-Atlas".

Auf der Pressekonferenz schilderte auch Lauterbach die Hintergründe der Gesetzesinitiativen: "Die Krankenhausreform ist nötiger denn je, denn wir haben zwei voneinander unabhängige Probleme zu lösen: Viele Krankenhäuser, die wir dringend benötigen, sind in wirtschaftliche Not geraten. Das betrifft oft kleinere Kliniken auf dem Land. Das zweite Problem: Wir sehen große Qualitätsdefizite in Krankenhäusern, weil zu wenig Spezialisierung stattfindet. Macht man spezielle Eingriffe nicht regelmäßig, kommt es zu vermeidbaren, schweren Komplikationen", wiederholte der Minister sein Credo.

Gesundheitsforscher Prof. Reinhard Busse von der TU Berlin veranschaulichte die Relevanz des Klinik-Atlas anhand einer Auswertung von sieben Erkrankungsgruppen. "Das Ergebnis ist, dass die Sterblichkeit bei Herzinfarkt und Schlaganfall um 30 Prozent geringer ist, wenn der Patient oder die Patientin in ein gutes Krankenhaus geht, anstatt ins schlechtere. Wenn Patienten sich vor Operationen im Klinikatlas schlau machen würden, dann hätten wir tausende Komplikationen weniger", so das Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung.

Der Vorsitzende des Verbandes der Universitätsklinika in Deutschland, Jens Scholz, wählte auf der Pressekonferenz des Ministers schonungslose Worte: Es könnten nicht mehr alle Kliniken "am Tropf" gehalten werden. "Uniklinken können koordinierende Funktion und Steuerung machen. Wir können nicht alle behandeln, wollen aber dazu beitragen, dass alle die bestmögliche Medizin erhalten, die es gibt", erklärte er.

Ambitionierter Zeitplan

Der Berichterstatter der Grünen-Bundestagsfraktion für Krankenhauspolitik, Prof. Dr. Armin Grau, zeigte sich Ende Januar auf dem Gesprächskreis Gesundheit des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) optimistisch, "die Krankenhausreform trotz der Widerstände hinzubekommen". Seine Prognose: "Wir werden eine Krankenhausreform bekommen, weil wir sie ganz dringend benötigen." Ein so komplexes Vorhaben wie die Krankenhausreform in nur einem Jahr – nämlich dem abgelaufenen Jahr 2023 – umzusetzen, sei immer ein sehr ambitioniertes Vorhaben gewesen, gestand der Grünen-Politiker zu. Das Ziel, das Gesetz jetzt im Sommer zu verabschieden, sei immer noch sehr anspruchsvoll.

Die Vizepräsidentin der DDG Prof. Dr. univ. Julia Szendrödi äußerte auf der Pressekonferenz der Fachgesellschaft klar eine grundsätzliche Erwartung an die Reform: "Wir müssen schauen, dass die Ökonomie uns nicht vorschreibt, was wir erfüllen, sondern der medizinische Bedarf, und dass wir dann schauen, wie wir das refinanzieren – und nicht umgekehrt."

Digitalgesetze verabschiedet
Am 2. Februar hat der Bundesrat zwei Gesundheitsgesetzen der Ampelkoalition zugestimmt. Die Länderkammer machte damit den Weg frei für das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Das DigiG enthält Regelungen zur flächendecknenden Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab Anfang nächsten Jahres. Die Akte soll per Opt-out-Verfahren eingeführt werden, Patienten müssen also aktiv widersprechen, wenn sie ihre Gesundheitsdaten nicht digital gesammelt zur Verfügung haben wollen. Diese für den Roll-out vorgesehene Frist bis Anfang 2025 bezeichnete die Vorstandschefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen Dr. Doris Pfeiffer in einem Kommentar als "mehr als ambitioniert". Auch die Leistungserbringer sind vom planmäßigen Verlauf der Einführung noch nicht überzeugt und sprechen von dringendem Nachbesserungsbedarf. In einer gemeinsamen Pressemitteilung nach der Gesellschafterversammlung der gematik GmbH im Januar kritisierten unter anderem Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Deutscher Apothekerverband, dass nach wie vor elementare Bestandteile, die für eine nutzenstiftende Verwendung im Versorgungsalltag benötigt werden, fehlen würden. So sei keine Volltextsuche der Inhalte einer ePA möglich, ein zentraler Virenscanner für die Inhalte sei ebenfalls nicht vorgesehen. Diese offenen Punkte hätten dazu geführt, dass keine Leistungserbringerorganisation auf der Versammlung der Freigabe eines Dokumentenpakets zu fachlichen Konzepten und technischen Spezifikationen der "ePA für alle" zugestimmt hat. Verabschiedet wurde es trotzdem. Das GDNG soll eine beschleunigte Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken erreichen. Daneben regelt das Gesetz auch, wie Krankenkassen Routinedaten nutzen können, um Versicherte auf mögliche Krankheitsrisiken hinzuweisen.

Autor:
© privat
Marcus Sefrin
Redaktion MedTriX GmbH
Lüneburg


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (3) Seite 6-8