Das Ziel jeder strukturierten Behandlung bei Diabetes mellitus ist die Befähigung zum erfolgreichen Diabetes-Selbstmanagement. Das gilt auch und insbesondere im Hinblick auf die Insulin-Dosistitration.

In der aktuellen Diskussion zum Tätigkeitsspektrum einer Diabetesberaterin* wird viel über Dosisanpassungen diskutiert. Eine professionelle Schulungsfachkraft instruiert Patienten in der Regel für eine völlig selbständige Dosisbestimmung – ohne Arzt.

Selbstverständlich kann nicht jeder Mensch mit Diabetes die Dosisanpassung eigenhändig vornehmen. Ist ein Patient etwa aufgrund kognitiver Einschränkungen dazu nicht oder nicht mehr in der Lage, so ist es eine im Team gelebte Praxis, dass die Diabetesberaterin diese vornimmt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür zweifelsfrei vorliegen.

"Wir müssen endlich klären, was andere Berufsgruppen übernehmen könnten"

In der Praxis wird der jeweilige Arzt eine Insulin-Dosistitration nur dann delegieren, wenn er sich sicher ist, dass die Beraterin aufgrund ihres Know-hows und Do-hows diese Aufgabe durchzuführen in der Lage ist. Gleichwohl bleibt eine juristische Grauzone, wie Fachjuristen immer wieder betonen. Vor diesem Hintergrund wäre eine Delegationsvereinbarung zwischen DDG, BVND und VDBD zur Insulinanpassung für Diabetesberaterinnen äußerst hilfreich.

Diese Sichtweise teilte jüngst auch Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), beim Kassengipfel in Berlin. Als eine zentrale Herausforderung nannte Hecken insbesondere die fortwährende Debatte um die Delegation und Substitution von ärztlichen Leistungen: "Wir müssen endlich klären, was andere Berufsgruppen übernehmen könnten, sonst drehen wir uns weiterhin im Kreis."

Aktuell gibt es noch eine weitere Option, die die besagte Klarheit bringen könnte. Die neue Idee, die hierzu auf dem Tisch liegt, sieht vor, dass die Kolleginnen und Kollegen eine jeweils individuelle Stellenbeschreibung im Hinblick auf ihr Tätigkeitsspektrum formulieren und diese vom verantwortlichen Arzt gegenzeichnen lassen. Mit dieser von einer renommierten Juristin ins Spiel gebrachten Idee könnte die herkömmliche Lösung einer verbandsübergreifenden Delegationsvereinbarung vom Tisch sein.

Kernaufgabe der Beraterin

Fakt aber bleibt: Die Dosisanpassung gehört seit vielen Jahren zu den Kernaufgaben der Diabetesberaterin und hat durch den vermehrten Einsatz von Insulinpumpen und Glukosesensoren sogar einen noch höheren Stellenwert bekommen. Zudem beschreibt die Weiterbildungsordnung für Diabetesberaterinnen DDG ausdrücklich diesen Tätigkeitsbereich mit einem angemessenen Stundenumfang. Insbesondere dieser Bereich zeichnet die Arbeit eines interdisziplinären Teams aus. Mehr Rechtssicherheit wäre gleichwohl hilfreich.

Ungeachtet aller genannten Fakten bleibt die kontinuierliche Weiterbildung einer Diabetesberaterin die Voraussetzung für ein kompetentes Delegationsgeschehen auf der Basis einer detaillierten und Einrichtung entsprechenden Stellenbeschreibung.



Autor: Dr. Eric Risch
Pressebeauftragter des Verbands der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (4) Seite 41