2015 war ein Ereignisreiches Jahr für die Diabetesszene in Deutschland. Diabetes-Forum-Chefredakteur Dr. Martin Lederle blickt zurück auf wichtige Themen.

In der Diabetesszene in Deutschland ist im vergangenen Jahr einiges passiert. Mich persönlich hat am meisten das Thema Tresiba® (Insulin degludec) beschäftigt und betroffen gemacht. Am 1. Juli 2015 hat die Firma Novo Nordisk mitgeteilt, dass der Vertrieb von Tresiba® Ende September 2015 eingestellt werden soll.

Diese Nachricht hat natürlich bei den betroffenen Patienten eine erhebliche Unruhe ausgelöst. In der Diabetespraxis Ahaus waren vor allem Patienten mit Typ-1-Diabetes betroffen, die vorher schon andere Verzögerungsinsuline verwendet hatten und jetzt mit Tresiba® gut zurecht gekommen sind.

Das Hin und her im Fall "Tresiba"...

Weil sie mit diesem Insulin gute Erfahrungen gemacht haben, haben sich die meisten dieser Patienten dafür entschieden, es so lange wie möglich zu verwenden. Kurz vor Ablauf der angekündigten Frist hat Novo Nordisk am 29. September mitgeteilt, dass Tresiba® bis auf weiteres in Deutschland verfügbar bleiben sollte; in der entsprechenden Pressemitteilung hieß es aber auch: "Das Unternehmen behalte sich weiter vor, den Vertrieb auch kurzfristig einzustellen."

Diese Ankündigung wurde dann am 16. Dezember 2015 wahr: Novo Nordisk teilte mit, dass der Vertrieb von Tresiba® am 15. Januar 2016 eingestellt wird. Wir haben die betroffenen Patienten über diese Entwicklung informiert: Viele haben sich bis zuletzt Tresiba® rezeptieren lassen, um in den nächsten Monaten noch die Vorzüge nutzen zu können.

Ich hatte damit keine Probleme, denn Tresiba® war aufgrund der bestehenden Regularien für die gesetzlichen Krankenkassen in den zurückliegenden Monaten das preisgünstigste Insulinanalogon in Deutschland. Die betroffenen Patienten können das, was da in den letzten Monaten "abgelaufen" ist, nicht verstehen.

Seit dem 15. Januar 2016 kann Tresiba® für Patienten in Deutschland nur noch über eine Auslandsapotheke bezogen werden; die "Hürde", die überwunden werden müsste, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt, ist sehr hoch. Viele der betroffenen Patienten mit Typ-1-Diabetes werden sich in den nächsten Wochen damit beschäftigen (müssen), ob für sie als Alternative eine Insulinpumpentherapie in Frage kommen könnte.

Chance vertan – zum Nachteil der Patienten

Ich habe versucht, mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nachzuvollziehen, warum sich diese Angelegenheit so entwickelt hat. Meine Recherchen legen nahe, dass es für die zwei Verfahrensbeteiligten (Novo Nordisk und der GKV-Spitzenverband) ein "Zeitfenster" gegeben hat, in dem sie sich auf eine Vereinbarung hätten einigen können, um die Versorgung der betroffenen Patienten mit Tresiba® zu sichern. Diese Chance ist meiner Ansicht nach von beiden Seiten nicht genutzt worden, zum Nachteil der Patienten.

Die aktuell verfügbar Imagebroschüre von Novo Nordisk ist überschrieben mit "Gemeinsam für Menschen mit chronischen Erkrankungen"; auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbandes kann man unter dem Stichpunkt "Wir über uns" lesen: "Die Gesundheit der 70 Millionen Versicherten steht dabei im Mittelpunkt seines Handelns." Offensichtlich haben im "Tresiba® -Verfahren" die Akteure, die das vorliegende Resultat durch ihr Handeln oder Nichthandeln bewirkt haben, aber nicht in erster Linie die Interessen und Bedürfnisse der betroffenen Patienten im Auge. Schade.

Bei Diabetesfortbildungen für Hausärzte habe ich 2015 häufig von den hausärztlichen Kollegen gehört: "Ich habe die Übersicht verloren, welches der neuen antidiabetischen Medikamente schon zugelassen ist, schon wieder vom Markt genommen wurde bzw. wieder verfügbar ist." Selbst für mich war es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten, welche Substanzen verordnet, nicht mehr verordnet oder wieder verordnet werden konnten.

Positive Überraschung: Empagliflozin

Viel Aufsehen und Euphorie bewirkte im September 2015 die Publikation der Daten über den SGLT-2-Hemmer Empagliflozin ("EMPAREG-Outcome"-Studie). Prof. Dr. Gallwitz, Präsident der DDG, äußerte sich dazu in einer Pressemitteilung vom 24.09.2015 wie folgt: "Der 2014 zugelassene Wirkstoff Empagliflozin aus der neuen Wirkstoffklasse der SGLT2-Hemmer zeigt nicht nur Sicherheit, sondern senkt die relative Rate an Herz-Kreislauf-Tod um 38 Prozent und auch die Gesamtsterblichkeit um 32 Prozent bei Typ-2-Diabetes und bereits bestehender kardiovaskulärer Erkrankung".

Diese Effekte wurden offensichtlich nicht durch deren blutglukosesenkende Wirkung erreicht.

Ich bin gespannt, wie es mit dieser Substanz bzw. mit der Substanzgruppe weitergehen wird. Auch das Jahr 2016 wird aus diabetologischer Sicht spannend werden.



Autor: Dr Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
Wüllener Straße 101
48683 Ahaus
Tel.: 02561 - 992500

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (1/2) Seite 5