Wie lässt es sich zwischen den Bereichen ambulante und stationäre Versorgung am besten zusammenarbeiten? Ralf Stähler von den DRK-Kliniken in Berlin berichtet über die optimale Ausgestaltung der Vernetzung.

Der Gesetzgeber hat über die letzten Jahre zahlreiche gesetzgeberische Initiativen mit immer neuen Modellen und Angeboten zur Zusammenarbeit aufgelegt. Die unternehmerische Praxis von Krankenkassen, Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten hat auf dieser Grundlage zahlreiche Modelle der Zusammenarbeit entwickelt.

Versorgungsprobleme werden immer gravierender

Aber und trotz aller Mühen und gut gemeinten Versuche: Mittlerweile drängt sich der Eindruck auf, als ob die all diesen Gestaltungsversuchen der jüngeren Vergangenheit zugrunde liegenden Versorgungsprobleme durch die bisherigen Ansätze gerade nicht bewältigt werden, im Gegenteil eher immer gravierender werden. Zudem drängt sich der Eindruck auf, dass die Formen der Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung mittlerweile derartig ausdifferenziert sind, dass selbst innerhalb der Fachszene kaum noch jemand den Überblick über Regelwerke, Sinn und Zweck, deren Möglichkeiten und Grenzen hat.

In loser Aufzählung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt es gegenwärtig:

  • Individualisierte Verträge zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten zur Integrierten Versorgung,
  • Ambulante Versorgung durch Krankenhäuser im Rahmen der "traditionellen" §§ 115 und 116 SGB V, (Ante Portas: Die spezialfachärztliche Versorgung durch Krankenhäuser im Rahmen des neuen § 116 b SGB V)
  • Medizinische Versorgungszentren von Krankenhäusern und in Kooperation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten,
  • Vertragsverhältnisse zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten über prä- und poststationäre Leistungserbringung,
  • Belegarzt- und Konsiliararztverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten,
  • persönliche und institutionelle Ermächtigungen für Krankenhausärzte und Krankenhäuser zur ambulanten Leistungserbringung,
  • ambulante Operationen an Krankenhäusern und von niedergelassenen Ärzten an Krankenhäusern
  • diverse weitere Kooperationsformen ungeahnten Inhalts und ungeahnter Häufigkeit.

Zu all diesen Formen ambulanter und stationärer Zusammenarbeit gibt es eigenständige Regelwerke, eigenständige Zulassungswege, eigenständige Regeln zur jeweiligen Leistungserbringung, eigenständige Regeln zur Gestaltung der Vertragsverhältnisse und Abrechnung der Leistungen. Mit diesem Zustand können nur wenige zufrieden sein:

Juristen, ohne deren Führerschaft ein sinnvolles, zielgerichtetes und regelkonformes Verhalten im System und insbesondere an den Schnittstellen der Sektoren weder von Krankenkassen noch von Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten nicht mehr umgesetzt werden kann. Außerdem Besitzstandswahrer aller Interessengruppen des Systems, weil deren Fortbestand selbstverständlich umso eher gewährleistet ist, je komplexer und undurchschaubarer dieses System ist. Und dabei drängt die Zeit:

Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Strukturen ist die Verbesserung der Versorgung der PatientInnen – und dahin muss das System ungeachtet und gegebenenfalls auch gegen alle Interessengruppen wieder zurückgeführt werden.

Alternde Gesellschaft: Versorgungsbedarf steigt

Wir alle wissen, dass die Alterspyramide unserer Bevölkerung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen erheblichen Mehrbedarf an ärztlicher und pflegerischer Versorgung erforderlich macht. Wir alle wissen auch, dass aus gleichen altersbedingten Gründen ein wesentlicher Teil der heute noch tätigen ambulanten und stationären Ärzte und Pflegekräfte aus der Berufstätigkeit ausscheidet und nicht durch entsprechenden Nachwuchs ersetzt werden kann. Es steigt also absehbar der Versorgungsbedarf der Bevölkerung, es sinkt absehbar die Möglichkeit, entsprechend personell unterlegte Versorgungsstrukturen zur Deckung des Bedarfs zur Verfügung zu stellen.

Und gleichzeitig beschäftigen wir uns mit Fragestellungen, wie ambulante und stationäre Strukturen zusammenarbeiten können und unterstellen damit implizit, dass es auch dauerhaft unterschiedliche Strukturen geben wird?

Bisherige Versuche der Zusammenarbeit gescheitert

Mindestens der Verfasser dieses Artikels hält die bisherigen Versuche, die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren zu verbessern, für weitgehend gescheitert: Die bisherigen Ansätze, so gut sie auch gemeint und so gut sie auch durchdacht waren, endeten (mit einigen Ausnahmen insbesondere im ländlichen Bereich) im systemischen Ergebnis eben genau nicht in einer Verbesserung der Versorgungssituation der PatientInnen - sondern in einem Verteilungskampf über finanzielle Mittel zwischen den Interessengruppen im System.

Gleichzeitig binden die unverändert vorgehaltene doppelte Facharztschiene im ambulanten und stationären Sektor und die mit den gegenwärtigen Kooperationsmodellen zwischen den Sektoren implementierten Regelwerke derartig viele Ressourcen, dass unverändert erheblicher Verbesserungsbedarf aber auch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen.

Und da es insbesondere den Patienten nicht hilft, wenn der stationäre Sektor versucht, den ambulanten Sektor zu erobern (und das System damit insgesamt träger wird), oder der ambulante Sektor versucht, den stationären Sektor zu erobern (und das System damit noch weiter in Partikularinteressen zerfällt), gibt es aus Sicht des Verfassers nur eine denkbare Lösung:

  • Vollständige Integration von ambulanter und stationärer Medizin,
  • damit die Regelwerke zu Zulassung, Leistungserbringung und Abrechnung zwischen ambulanten und stationären Strukturen,
  • und die Qualitätsmaßnahmen und deren Kontrollen zwischen ambulanten und stationären Strukturen synchronisiert werden.

Dies bedarf eines mühsamen und sicherlich zähflüssigen Diskussionsprozesses – und einer Umstellung nahezu aller bisherigen Systeme und Denkweisen. Angesichts unserer demographischen und finanziellen Rahmenbedingungen ist dieser Diskussions- und Gestaltungsprozess jedoch nicht zu vermeiden – wird er nicht geführt, vollzieht sich die nicht zu vermeidende Entwicklung auch, nur unkontrolliert und nicht gesteuert.

Stellungnahme des BVKD
Der Artikel von Ralf Stähler beschreibt die aktuelle rechtliche Situation der Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor zutreffend. Die Forderung nach Abschaffung der doppelten Facharztschiene wurde schon öfters erhoben und nie waren die Voraussetzungen für eine mögliche politische Umsetzung besser als heute in der Großen Koalition. Allerdings sind hierzu keine Bestrebungen zu erkennen. Demzufolge wird man auch in den nächsten Jahren mit dem derzeitigen Stand der Zusammenarbeit auskommen müssen.

Dabei sind die Schnittstellen der ambulanten und stationären Behandlung von Menschen mit Diabetes mit den DMP gut beschrieben. So heißt es hier für beide Seiten, diese Schnittstellen im Sinne einer gedeihlichen Zusammenarbeit zu nutzen und z.B. auf der ambulanten Seite die Probleme des Patienten, die zur stationären Behandlung geführt haben, konkret zu benennen und auch seine Ressourcen anzugeben.

Andererseits sollte die stationäre Seite die Erkenntnisse aus der Behandlung schnell und treffend zurückmelden. Die gute Behandlung des Patienten funktioniert nur gemeinsam, insbesondere wenn z.B. Therapieregime verändert werden müssen. Dies ist ein Punkt, der von den Krankenhäusern des "Bundesverbandes Klinischer Diabetes-Einrichtungen DIE Diabetes-Kliniken" sehr konkret angegangen wird, insbesondere ist dies ein geprüftes Qualitätskriterium bei den Einrichtungen mit dem Zertifikat "Diabetologicum".

von Luitgard Lemmer (BVKD)

(Der Artikel von Ralf Stähler war bereits am 1. September 2012 im Heft "Gesundheitsstandort Berlin" der Zeitschrift der Berliner Wirtschaftsgespräche erschienen.)



Autor: Ralf Stähler
Geschäftsführer
DRK Kliniken Berlin
Spandauer Damm 130
14050 Berlin

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 40-41