Nur rund ein Drittel der Typ-2-Diabetiker in Deutschland absolvieren eine Diabetes-Schulung. Wieso diese Zahl so gering ist und wie diese erhöht werden kann, darüber haben wir mit Dr. Oliver Funken von der Ärztekammer Nordrhein gesprochen.

Die meisten Patienten-Schulungen wurden bzw. werden mit Typ-2-Diabetikern durchgeführt. Verfolgt man die Schulungszahlen über die Jahre, so erkennt man eine Stagnation. Nun sind ja bekanntlich die Schulungen eng an die DMP gekoppelt.

Schaut man sich die DMP-Teilnehmerquoten und die Zahl der abgerechneten Schulungen an, dann kann man ableiten, dass nur ein Drittel der Typ-2- Diabetiker eine Diabetes-Schulung absolviert hat. Die mindestens genau so wichtige Hypertonie-Schulung fand bei nur 10 bis 15 Prozent dieser Patienten statt. Die Teilnahmequoten bei den DMP Asthma/COPD und KHK liegen deutlich unter 50 Prozent und die Schulungszahlen sind sehr bescheiden.

Darüber haben wir mit Dr. Oliver Funken, Vorsitzender der Ausschüsse Prävention und Gesundheitsberatung sowie Qualitätssicherung der Ärztekammer Nordrhein, gesprochen.


Herr Dr. Funken, wie bewerten Sie diese Zahlen bzw. Entwicklungen?
Dr. Oliver Funken: Die Einführung der DMP Programme hat ja schon eine Verbesserung gebracht. Die jetzigen Strukturprobleme der Schulungen konnten bei der Konzeption nicht berücksichtigt werden. Die von Ihnen genannten Zahlen zeigen das ja auch. Zu den relevantesten Strukturproblemen gehören:

  • Geringe Patientenzahlen
In vielen Praxen sind die Patientenzahlen für die Schulungen niedrig, die dann eben auch selten sattfinden. Somit kann keine Routine entstehen.

  • fehlendes Terminmanagement
Um die Schulungen effizient durchzuführen muss ein verbindliches Terminmanagement vorhanden sein, sonst wird es zeitaufwändig Schulungsgruppen zu koordinieren. Dies fördert nicht die Motivation beim Praxisteam.

  • zu wenig schulende Mitarbeiter
Die im Rahmen der DMP Ausbildung geschulten Zahl der MFA´s ist weit grösser als die Zahl, die tatsächlich die Schulungen dann durchführen. Dies mag einerseits an dem mit der Schulung verbundenen mehr an Arbeit und an den meistens am Abend gelegenen Schulungsterminen liegen; andererseits auch an der nicht adäquaten Vergütung für diese Zusatzleistung.

Wieso ist es so schwierig, Patienten zur Teilnahme an einer Schulung zu bewegen?
Funken:Viele Patienten haben wenig Eigenmotivation um ihren Lebensstil zu ändern. Zudem haben Schulungen bei Erwachsenen einen ungewohnten Stand und erinnern so an Schule.

Als Resultat erfolgen kurzfristigen Absagen oder auch einfach nicht zum vereinbarten Schulungstermin kommen, dies kennt jede Praxis. Die Motivation Patienten immer wieder anzusprechen sinkt dann nach und nach. Viele Praxisteams haben dann auch keine Motivation zu schulen, was sich wiederum auf die Patienten überträgt. Ein Teufelskreis.

Die Teilnahmezahlen bei COPD sind zudem besonders niedrig, da bei dieser Erkrankung hinzukommt, dass die Patienten häufig auch noch weiterrauchen und somit aus Scham und Schuldgefühlen nicht an Schulungen teilnehmen.

Welche Bedeutung hat die Patientenschulung für die Hausarzt-Praxis?
Funken: Wir wissen aus vielen Studien, dass erfolgreich durchgeführte Schulungen zu einer deutlichen Verbesserung der Arzt-Patienten-Beziehung führen. Sich die Lebensqualität der Patienten verbessert und sich die Anzahl der Entgleisungen, die Menge der Medikamenten und die Arztpatientenkontakte reduzieren. Dies führt also zu einer Effizienzsteigerung der Hausarztpraxen und setzt Kapazitäten für andere Aufgaben frei.

Wie könnte man die Hausarzt-Praxen darin stärken, ihre Patienten noch mehr zur Teilnahme an den Schulungen (am DMP) zu bewegen?
Funken: Wichtig ist, dass das Praxisteam lernt, wie man Patienten zu Schulungen motiviert. Deshalb werden wir spezielle Motivationsschulungen für alle Hausarztpraxen ab dem 4. Quartal 2015 erstmals anbieten.

Zudem muss ein Strukturwandel hin zu Schulungsgemeinschaften in Praxisverbünden erfolgen. Der organisatorische Aufwand zur Schulungsterminverwaltung wird dann aus den Praxen in eine "Anmeldezentrale" verlagert.

Der Hausarztverband wird hier organisatorische Unterstützung leisten und die Ausgründung von regionalen Schulungsgemeinschaften fördern. Mittelfristig ist auch webbasiertes Anmeldesystem vorstellbar.

Selbstverständlich kann nicht jede Hausarzt-Praxis Patientenschulungen durchführen. Wie könnte eine "nicht-schulende Praxis" diese "Versorgungslücke" schließen?
Funken: Der Hausarztverband unterstützt die regionalen Schulungsgemeinschaften nicht nur beim Aufbau. Wir werden parallel einen Pool von interessierten MFA aufbauen, die die verschiedenen Schulungen dann dort regional in Nebentätigkeit durchführen. Diese MFA´s werden zuvor einheitlich geschult, sodass wir flächendeckend eine standardisierte, qualitativ gleichwertige und leitlinienkonforme Schulungen für alle Praxen anbieten können.

Zurzeit schulen wir schon neben den klassischen DMP Programmen auch Wundversorgung, Hygiene, Qualitätsmanagment, Sturzprophylaxe, und Impfen. Für das Jahr 2016 sind weitere Themenblöcke geplant. In dem von uns geplanten System können alle Hausarztpraxen teilnehmen und von den Schulungsgemeinschaft profitieren.

Herr Dr. Funken, vielen Dank für das Gespräch.

Schwerpunkt Schulung und Basistherapie im DMP


Die Fragen hat Dr. Herbert Hillenbrand gestellt.

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 18-19