Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, hat an die Bundesregierung appelliert, am sogenannten Bestandsmarktaufruf für Arzneimittel festzuhalten. „Die Nutzenbewertung für bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel ist für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung unentbehrlich“, sagte Ludwig auf einer Tagung der Arzneimittelkommission im Rahmen des 38. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer in Berlin.

Keine Nutzenbewertung

Bislang kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nicht nur neu entwickelte Arzneimittel auf deren Nutzen untersuchen lassen, sondern auch Wirkstoffe, die bereits vor dem 1. Januar 2011 zugelassen wurden. Nach dem Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung soll dies künftig nicht mehr möglich sein. Dies soll auch für die laufenden Verfahren des G-BA für 25 Wirkstoffe gelten.

Bewertungsergebnisse der Gliptine

Ludwig verwies auf der Tagung auf die Bewertungsergebnisse der Gliptine (orale Antidiabetika) – dem bislang einzigen Bestandsmarktaufruf des G-BA. Hinweise auf einen geringen Zusatznutzen gegenüber der Standardtherapie wurden nur bei zwei der Wirkstoffe festgestellt. „Bedenkt man, dass Gliptine etwa 10-fach teurer sind und ihre Verordnungszahlen rasant steigen, wird die potentielle Bedeutung des Verfahrens auch für die Kostenentwicklung deutlich“, sagte Ludwig. Das Verfahren bereits nach Aufruf der ersten Wirkstoffgruppe jetzt wieder zu beenden, konterkariere die Zielsetzung einer rationalenArzneimittelversorgung und erschwere die unabhängige Information von Ärzte und Patienten.

60% ohne therapeutischen Zusatznutzen

Prof. Dr. Ulrich Schwabe, ordentliches Mitglied der AkdÄ und Mit-Herausgeber des Arzneiverordnungsreports, betonte auf der Tagung, wie wichtig die Regelungen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) für die zukünftige Entwicklung der praktischen Arzneitherapie sind. Mit
Blick auf die im AMNOG angelegt frühe Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln berichtete Schwabe, dass im vergangenen Jahr nur vier von 15 bewerteten Arzneimitteln ein beträchtlicher Zusatznutzen zugesprochen worden sei. „Damit haben 60 Prozent der bisher bewerteten neuen Arzneimittel keinen tatsächlichen therapeutischen Zusatznutzen gezeigt“, so Schwabe.

Aktuelle Leitlinien, Informations- und Fortbildungsprogramme wären hilfreich

In einem weiteren Schwerpunktthema beschäftigten sich die Experten auf der Tagung mit aktuellen Fragen der Antibiotikatherapie. Als Problem bezeichnete es Prof. Dr. Winfried Kern vom Universitätsklinikum Freiburg und Mitglied der AkdÄ, dass bakterielle Erreger mit mehrfacher Antibiotika-Resistenz zunähmen und zugleich die Entwicklung neuer Antibiotika stagniere.

Gerade bei Atemwegsinfektionen sollten Antibiotika nicht routinemäßig verordnet werden. Die Regeln für die Antibiotika-Prophylaxe bei Operationen sollten besser beachtet und der Einsatz von Breitband-Antibiotika wie Cephalosporinen und Fluorchinolonen reduziert werden. Schließlich müssten nach Ansicht Kerns Aspekte der Dosierungsfragen vor allem beikritischen Infektionen und Infektionen durch minderempfindliche und resistente Erreger stärker berücksichtigt werden. Besser abgestimmte und aktuelle Leitlinien, Informations- und Fortbildungsprogramme wären hier hilfreich.

Mehr Zurückhaltung bei der Antibiotika-Verordnung

Mehr Zurückhaltung bei der Antibiotika-Verordnung könne helfen, die Entwicklung von multiresistenten Keimen zu vermeiden, bestätigte auch Prof. Dr. Ulrich Höffler, Direktor des Hygiene-Instituts am Klinikum Ludwigshafen und Mitglied der AkdÄ. Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Infektionen in Krankenhäusern sei das Händewaschen mit Alkoholen und Rückfettern. Bei den Krankenhaus-Infektionen gebe es ein breites Spektrum von Bakterien, aber auch von Viren und Pilzen einschließlich Noroviren, Candida spp., MRSA und multiresistenten gramnegativen Stäbchen.

Umgang mit infektiösen Komplikationen

In einem weiteren Vortrag berichtete Prof. Dr. Georg Maschmeyer, Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam und Mitglied der AkdÄ, über den Umgang mit infektiösen Komplikationen in der Tumortherapie.


Nach einer Pressemeldung der Bundesärztekammer