Depression, Essstörungen und Demenz sind häufige Folgen einer Diabeteserkrankung. Die neue Leitlinie „Psychosoziales und Diabetes“ der DDG wurde in Berlin vorgestellt und soll Diagnostik, Schulung und Behandlung verbessern.

Chronische Krankheiten bringen oft starke psychische Belastungen mit sich. Die häufigste psychische Begleiterkrankung der Diabetiker ist die Depression. Jeder achte Diabetiker in Deutschland ist depressiv, 30 Prozent haben eine subklinische Depressivität. Auf dieses Problem machte die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Pressekonferenz am 18. Juni 2013 in Berlin aufmerksam und stellte die neue Leitlinie „Psychosoziales und Diabetes“ vor.

Depressionen: Diagnose durch gezielte Fragenstellung

Die international einmalige Leitlinie, definiert Fragen nach dem Wohlbefinden des Patienten um psychischen Erkrankungen leichter zu erkennen. Die Leitlinie soll die Schulungssituation in Deutschland verbessern, zudem gibt sie Handlungsempfehlungen für Ärzte für die Behandlung von Betroffenen. Denn Menschen mit Diabetes und psychischen Problemen brauchen besondere Betreuung, machte PD Dr. Erhard Siegel (Abb. 1), Präsident der DDG, deutlich.

Nur wenige Betroffene bekommen professionelle Hilfe

„Diabetes und Depression interagieren miteinander und beeinflussen sich gegenseitig“, erklärte Siegel, die erste Reaktion auf die Diagnose seien Ärger und Depression. Wird eine Depression nicht frühzeitig erkannt, steigt das Risiko für Folgeerkrankungen enorm. Daher sind Vorsorge und das Bewusstsein für die Gefährdung, unter psychischen Belastungen zu leiden, wichtige Aufgaben.

„Wir müssen die Sorgen und Ängste des Diabetikers erkennen und ernst nehmen. Die Realität sieht leider anders aus, nur 1,5 Prozent der Betroffenen haben professionelle Hilfe durch Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater“, sagte Siegel.

Die psychischen Probleme des Patienten müssen erkannt werden

„Es ist wichtig, dass der Arzt die psychischen Probleme des Patienten erkennt“, so Siegel. Die für den Arzt in der Leitlinie formulierten Fragen sollen das Erkennen von psychischen Erkrankungen erleichtern und beschleunigen, sagte Prof. Dr. Johannes Kruse, Gießen, und gäben innerhalb kürzester Zeit Auskunft über den psychischen Zustand des Patienten.

Die Versorgung von Menschen mit Diabetes und psychischen Erkrankungen sei noch unzureichend, erklärte Dr. Dipl.-Psych. Bernhard Kulzer (Abb. 2), Bad Mergenheim. Sinnvoll wären Beratungsstellen für Diabetiker, „wie es sie für viele Erkrankungen schon gibt“, forderte Kulzer, „Bratungsstellen, wo Patienten, die Probleme mit ihrer Erkrankung Diabetes hingehen können.“

Wenn Demenz eine adäquate Diabetesbehandlung verhindert

„Langfristig erhöhte Blutzuckerwerte steigern das Risiko einer kognitiven Einschränkung“, erklärte Prof. Dr. Karin Lange (Abb. 3), Hannover. Das Risiko für eine Demenzentwicklung bei einer Diabeteserkrankung sei 1,5 bis 2-mal so hoch, im Vergleich zu den Altersgenossen ohne Diabetes. „Eine unzureichende Stoffwechseleinstellung über lange Zeit bei erwachsenen Typ-2-Diabetikern erhöht das Risiko einer Demenz“, so Lange.

Eine adäquate Diabetesbehandlung ohne Einschränkungen sei bei einer vorherrschenden Demenzerkrankung häufig nicht mehr möglich. „Die Therapien sind dann maßgeschneidert auf die Leistungsfähigkeiten des Patienten und dessen Umfeld“, sagte Lange, „es geht nun um die Erhaltung einer guten Lebensqualität.“

Essstörungen und Diabetes: gefährliche Kombination

„Essstörungen können jeden betreffen“, erläuterte Prof. Dr. Stefan Herpertz, Bochum. „Besonders junge Typ-1-Diabetikerinnen stellen eine Risikogruppe dar, um eine Essstörung zu entwickeln.“ Dies sei, so Herpertz, auf die Gewichtszunahme durch die Diabetestherapie zurückzuführen. Häufig entwickeln sie Essstörungen in Form von Fressanfällen, übermäßigen Diäten, Erbrechen und exzessivem Sport.

Junge Diabetikerinnen besonders gefährdet

In dieser Altersklasse sei das „Insulin-Purging“ („Erbrechen über die Niere“) häufig, „Patienten dosieren abends ihr Insulin deutlich geringer und kommen so am Morgen auf ein deutlich geringeres Gewicht,“ erklärte Herpertz; der vermehrte Zucker im Blut werde dann durch die Niere mit dem Urin abgeführt und führe zu einem erhöhten Flüssigkeitsverlust.

„Junge Frauen mit einer Essstörung entwickeln frühzeitig diabetische Folgeerkrankungen“, sagte Herpertz. Vor allem durch Präventionsstudien sollten das Selbstbewusstsein und das Bewusstsein für Folgeerkrankungen gestärkt werden.



von Lena Schmidt
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