Weltweit sterben nahezu doppelt so viele Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie an allen Krebserkrankungen zusammen. In Europa sogar mehr Frauen als Männer. Einen fokussierten Blick auf die Besonderheiten des weiblichen Herz-Kreislauf-Systems und die aktuellen Entwicklungen in der Kardiologie wirft das Universitätsklinikum Regensburg (UKR) in einer Pressemeldung. Über Symptome und Risikofaktoren von Herzerkrankungen bei Frauen informiert Professor Dr. Andrea Bäßler, Oberärztin in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des UKR.

Inmitten des hektischen Arbeitsalltags bemerkte Marie plötzlich eine ungewöhnliche Erschöpfung. Ihr Arbeitspensum, das sie normalerweise locker bewältigte, fühlte sich plötzlich unüberwindbar an. Selbst ein kurzer Spaziergang besserte die Symptome nicht, sondern erschöpfte sie mehr als sonst. Als sie zu Hause beim Abendessen von starken Schweißausbrüchen überrollt wurde und Übelkeit sie überkam, beschloss Marie ärztliche Hilfe aufzusuchen. Im Krankenhaus wurde bei ihr nach Schilderung der Symptomatik der Verdacht auf einen Herzinfarkt gestellt und die weitere Diagnostik veranlasst.

Oft keine klassischen Symptome bei Frauen mit Herzinfarkt

Biologisch ausgestattet mit zwei X-Chromosomen sowie spezifischer Anatomie, Physiologie und Hormonregulation funktionieren weibliche Körper anders als männliche. Frauen mit Herzinfarkt präsentieren sich häufig nicht mit den klassischen Symptomen wie starken Brustschmerzen ausstrahlend in den linken Arm. Diese können auftreten, häufig jedoch in abgeschwächter Form und begleitet von vegetativen Veränderungen wie Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbruch. Auch Schmerzen im Oberbauch und Rücken, Kurzatmigkeit, geringere Belastbarkeit und außergewöhnliche Müdigkeit stehen bei Frauen häufig im Vordergrund.

Diese geschlechterspezifischen Besonderheiten in der Medizin werden von der Gendermedizin erforscht und zunehmend in der klinischen Praxis zur Anwendung gebracht – eine Entwicklung, die derzeit in der Kardiologie, aber auch in vielen anderen Bereichen der Medizin, hoch aktuell ist. Professor Dr. Andrea Bäßler, Leiterin der kardiologischen Ambulanz und Expertin auf dem Gebiet der Gendermedizin am UKR, erklärt die Notwendigkeit einer geschlechterspezifischen Herangehensweise in der Kardiologie: „In Europa verzeichnen wir eine höhere Sterblichkeitsrate bei Frauen in Bezug auf Herzerkrankungen im Vergleich zu Männern. Die Gendermedizin in der Kardiologie setzt genau hier an. Es ist essenziell zu verstehen, dass Frauen und Männer nicht gleich sind. Ihre Unterschiede betreffen dabei nicht nur die Hormone, sondern auch anatomische Gegebenheiten und sozioökonomische Faktoren. Daher ist eine individuelle Gesundheitsversorgung für Frauen von entscheidender Bedeutung.“

Frauenspezifische Risikofaktoren

Je nach Geschlecht zeigen Risikofaktoren für Herzerkrankungen unterschiedliche Auswirkungen. Bei Frauen stellen Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes noch bedeutendere Gefahren für das Herz dar. „Während Männer mit einer solchen Erkrankung eine Risikosteigerung um den Faktor 2-3 aufweisen, beträgt dieser bei Frauen 3-5,“ erläutert Professor Bäßler.

Schwangerschaft, Menopause, Diabetes

Zusätzlich zu den allgemeinen Risikofaktoren sind Frauen von geschlechterspezifischen Gefahren für das Herz betroffen. Beispielsweise besteht im Zeitraum um die Geburt eines Kindes das Risiko einer schwangerschaftsbedingten Herzschwäche. Diese wird mutmaßlich durch das Stillhormon Prolaktin ausgelöst, dessen Abbauprodukt bei gewisser Prädisposition das Herz beeinträchtigen kann. Diese Erkrankung, wenngleich selten, stellt eine lebensbedrohliche Situation dar und kann innerhalb weniger Wochen zu Herzversagen führen.

Eine weitere Gefahr für das Frauenherz findet ihre Ursache in Schwangerschaftskomplikationen wie Diabetes oder einer Gestose. Diese erhöhen das Risiko für Herzerkrankungen im späteren Leben auch nach der Schwangerschaft um das Doppelte. Ebenso ist nach Eintritt in die Menopause besondere Achtsamkeit geboten. In diesem Zusammenhang ist der Rückgang des Östrogenspiegels verantwortlich für eine Erhöhung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da er mit einem Anstieg der Cholesterinwerte, des Blutdrucks und einer Zunahme des Körpergewichts einhergeht.

Tako-Tsubo-Syndrom: Wenn das Herz einer japanischen Tintenfischfalle gleicht


Keine Herzerkrankung unterscheidet derart markant zwischen Mann und Frau wie das Tako-Tsubo-Syndrom. Benannt nach dem japanischen Wort für „Tintenfischfalle“ tritt diese Herzstörung in 90 Prozent der Fälle bei postmenopausalen Frauen auf. Sowohl Symptome als auch Untersuchungsbefunde wie Laborwerte, EKG und Herzultraschall ähneln jenen eines Herzinfarkts, jedoch bei unauffälligen Herzkranzgefäßen. Bei dieser akuten Erkrankung ist die Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigt. Die Herzspitze sowie die angrenzenden Wandabschnitte kontrahieren kaum mehr, wodurch das Herz eine ballonartige Form annimmt, die an eine japanische Tintenfischfalle erinnert.

In den meisten Fällen sind die Auslöser psychische oder physische Stressfaktoren, wie sie beispielsweise bei starken emotionalen Belastungen auftreten, etwa dem plötzlichen Tod eines Angehörigen oder des geliebten Haustiers. Aus diesem Grund wird diese Herzerkrankung auch als Broken-Heart-Syndrom bezeichnet. Frauenherzen reagieren im Allgemeinen sensibler auf psychischen Stress im Vergleich zu Männerherzen. Bei schweren emotionalen Belastungen erhöht sich das Risiko für Herzerkrankungen sogar drastisch.

Vorbeugen, auf Symptome achten und schnell handeln

Das Hauptproblem besteht nach wie vor darin, dass zu viel Zeit vergeht bis Frauen bei einem akuten Herzproblem beim Arzt vorstellig werden. „Frauen neigen dazu ihre Beschwerden zu verharmlosen, da sie sich oft zu viele Sorgen darüber machen, ihre Symptome falsch einzuschätzen. Dabei zählt bei einem Herzinfarkt jede Minute, denn Zeit ist Muskel. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Herzmuskulatur kann Schaden nehmen und die Prognose der Frau verschlechtern,“ erklärt Professor Bäßler. Nicht nur, dass Frauen viel früher beim Arzt vorstellig werden sollten, auch eine hinreichende Kenntnis der frauenspezifischen Symptome ist wichtig.

Angesichts des sprunghaften Anstiegs des Herzrisikos mit der Menopause empfiehlt Professor Bäßler präventiv eine kardiologische Untersuchung spätestens ab dem 50. Lebensjahr: „Es gilt, potenzielle Herzprobleme früh zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“

Ungeachtet der Betonung der Menopause rät sie auch jüngeren Frauen dringend, sich um ihre Herzgesundheit zu kümmern. In den letzten Jahrzehnten wurde eine Zunahme von Herzproblemen bei Frauen unter 55 Jahren verzeichnet. Vor allem Übergewicht, Diabetes, Rauchen und Alkoholkonsum spielen hierbei eine große Rolle und sollten aktiv bekämpft werden, um das Herz bestmöglich zu schützen.


Quelle: Universitätsklinikum Regensburg (UKR) | Redaktion