Die Individualisierung der antidiabetischen Therapie bleibt auch in Zukunft eine wichtige Herausforderung für die klinische Praxis. Das zeigt eine aktuelle Befragung von knapp 500 Ärzten, die zu ihren Patienten mit Typ-2-Diabetes und mindestens einer Folgeerkrankung befragt wurden.

Den Zusammenhang zwischen dem Risiko für Folgeerkrankungen, dem tatsächlichen Auftreten und den damit verbundenen Therapiezielen untersuchte eine multizentrischen Querschnittstudie: Von September bis Dezember 2012 wurden ambulant tätige Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet zu ihren Patienten mit Typ-2-Diabetes und mindestens einer diabetesbedingten Folgeerkrankung befragt.

In die Auswertung gingen 3 454 Patientenfragebögen von 483 Ärzten ein. Die Analyse zeigte, dass makrovaskuläre Folgeerkrankungen zeitlich vor den mikrovaskulären Folgeerkrankungen auftraten ("glykämisches Kontinuum") und der Abstand zwischen "frühester" und "spätester" Folgeerkrankung bei 3,3 Jahren lag. Bei Patienten, die eine Änderung von Zielwerten anstrebten, wurden ambitionierte Zielwerte beobachtet, z. B. eine Gewichtsabnahme um 9,2 kg oder eine HbA1c-Senkung um 1,1 %. Ein klarer Zusammenhang zwischen Begleiterkrankungen bzw. der sich daraus ergebenden Risikoscores und der Definition von Therapiezielen zeigte sich nicht. Die Therapieziele orientierten sich in weiten Teilen an bestehenden Leitlinien.

Für die Praxis
In der multizentrischen Querschnittstudie ABCD dokumentierten 483 ambulant tätige Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet Patientendaten zu Typ-2-Diabetes und diabetesbedingten Folgeerkrankungen von 3 454 behandelten Patienten, 3 441 waren auswertbar:
  • Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug 66,9 Jahre, 46,5 % der Patienten waren 70 Jahre oder älter.
  • Die durchschnittliche Dauer seit Diagnosestellung des Typ-2-Diabetes war 11,1 Jahre.
  • Nur 2,5 % der Patienten erhielten eine Therapie mit oralen Antidiabetika (OADs) mit drei oder mehr Wirkstoffen.
  • Die durchschnittliche Körpergröße betrug 170,7 cm, das mittlere Gewicht 93,0 kg, der mittlere Body-Mass-Index (BMI) 31,9 kg/m2.
  • 2 734 Patienten (79,5 %) hatten mehr als eine Folgeerkrankung, durchschnittlich lagen 3,3 Folgeerkrankungen vor.
  • Die eng mit einem Diabetes assoziierten Folgeerkrankungen waren in der Gruppe der Diabetologen häufiger als in der Nicht-Diabetologen-Gruppe. Dazu gehörten Nephropathie (43,5 % vs. 38,9 %), periphere Neuropathie (70,4 % vs. 43,4 %) und das Diabetische Fußsyndrom (27,2 % vs. 20,1 %).
  • Die Berechnungen des kardiovaskulären Risikos aus den vorhandenen Parametern ergaben ein durchschnittliches 10-Jahres-Risiko für ein akutes Koronarereignis von 15,9 % nach dem PROCAM-Score und von 11,5 % nach dem Framingham-Risk-Score. Ein Zusammenhang zwischen dem PROCAM-Score oder dem Framingham-Risk-Score als Maß für die kardiovaskuläre Prognose und den Therapiezielwerten zeigte sich nicht.
  • Schlussfolgerung: Das Zeitfenster zwischen der ersten und einer weiteren Folgeerkrankung ist kurz. Vor diesem Hintergrund scheint eine stärkere Berücksichtigung des Risikoprofils der Patienten sinnvoll. Die Individualisierung der antidiabetischen Therapie bleibt deshalb auch in Zukunft eine wichtige Herausforderung für die klinische Praxis.

Den vollständigen Beitrag aus der Zeitschrift 'Diabetes, Stoffwechsel und Herz' finden Sie hier.


Quelle: ABCD-Versorgungsstudie: Risikobezogene Therapieziele bei Typ-2-Diabetes mit Folgeerkrankungen? Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2016; 26 (6) Seite 335-341