Eine einfache Checkliste kann frühzeitig auf Patienten hinweisen, die stark hypoglykämiegefährdet sind.

„Es ist eine ärztliche Kunst, Hypoglykämie-Risikopatienten zu entdecken, möglichst bevor eine schwere Hypoglykämie stattgefunden hat“, betonte Dr. Stephan Kress, Landau, bei einer Pressekonferenz Ende 2014 in Berlin.

Was treibt das Hypoglykämierisiko in die Höhe?

Die Gefahr von Unterzuckerungen steigt bekanntlich mit nachlassender Betazellfunktion und sinkender Glukagonsekretion. Dazu kommen viele weitere „große“ und „kleine“ Risikofaktoren, die leichter zu erfassen sind. 13 davon – fünf Major- und acht Minor-Kriterien – wurden nun zum Hypoglykämie-Risikoscore zusammengestellt (Tab. 1).

Major-Kriterien

Bereits erlebte schwere Unterzuckerungen, ein geriatrischer, fragiler Gesundheitszustand sowie kognitive Störungen stellen per se drei „große“ Risikofaktoren dar, wie Kress betonte. (1 – 3) Zudem verschlechtern sie die Hypoglykämie-Wahrnehmung, und ein solcherart vermindertes Hypoglykämie-Empfinden ist ein weiteres Major-Kriterium. (4) Großen Anteil am Hypoglykämierisiko haben auch schwere Nierenfunktionsstörungen mit glomerulärer Filtrationsrate < 30 ml/min. (5)

Minor-Kriterien

Die acht Minor-Kriterien, die laut Literatur ebenfalls mit gehäuften Unterzuckerungen verbunden sind, betreffen etwa das Lebensalter, die Erkrankungsdauer und den Wissensstand des Patienten sowie seine weiteren Komorbiditäten und die damit oft einhergehende Polypharmazie (Tab. 1).

Nicht zu vergessen ...

„Zu bedenken sind auch Fehler beim Blutzuckermessen und/oder bei der Insulindosierung, verspätete Mahlzeiten, intensiver Sport, verstärkte Insulinwirkung bei Sonnenbad, Sauna oder versehentlich intramuskulärer Injektion und die verminderte Glukoseneubildung bei Alkoholgenuss“, zählte Kress weiter auf. Diese Aspekte wurden aber nicht in den Score aufgenommen – sie lassen sich kaum vorhersagen.

Signale für erhöhte Wachsamkeit

„Ein erhöhtes Hypoglykämierisiko haben Patienten, bei denen mindestens ein Major- oder drei Minor-Kriterien erfüllt sind oder beides zugleich“, nannte Kress den Cut-off.

Rückblickend hätte sich der Score bei den 45 Patienten, die in letzter Zeit mit schwerer Hypoglykämie in seine Klinik eingewiesen wurden, bereits bewährt: Die Hälfte von ihnen hätte man anhand der Major-, die übrigen anhand der Minor-Kriterien rechtzeitig als gefährdet erkennen können, so Kress.

„Eine solche Information ist hilfreich für die behandelnden Haus- oder Fachärzte, um mit den Patienten frühzeitig eine individuelle Strategie zur Vermeidung von Unterzuckerungen zu erarbeiten“, beschrieb er den Nutzen der neuen Checkliste. Eine prospektive Validierung des Scores soll in Kürze erfolgen.


Literatur
1) Davis TM et al. JCEM 2010; 95 (5): 2240 – 2247
2) Budnitz DS et al. NEJM 2011; 365 (21): 2002– 2012
3) Bruce DG et al. Diabetologia 2009; 52 (9): 1808– 1815
4) Amiel SA et al. Diabet Med 2008; 25 (3): 245– 254
5) Maynard GA et al. Diabetes Spectrum 2008; 21: 241 – 247