Immer mehr Daten untermauern die Evidenz für Insulin glargin 300 E/ml (Toujeo®). Auf den großen internationalen Diabeteskongressen 2016 wurden dazu aktuelle Metaanalysen präsentiert. Sie zeigen, dass Insulin glargin 300 E/ml bei Typ-2-Diabetespatienten in unterschiedlichen Erkrankungsstadien sowie auch bei eingeschränkter Nierenfunktion eine effektive Blutzuckereinstellung bewirkt. Dabei war das Hypoglykämierisiko im Vergleich zu Insulin glargin 100 E/ml durchweg verringert. (1 - 5)

Von einem guten Basalinsulin fordert Dr. Tobias Wiesner, Leipzig: „Es sollte eine gute Blutzuckerkontrolle sicherstellen und die Titration ohne erhöhtes Hypoglykämierisiko ermöglichen. Die Wirkdauer sollte mindestens 24 Stunden betragen und die Pharmakokinetik ein flaches Profil aufweisen.“

Diese Ansprüche werden von Insulin glargin 300 E/ml erfüllt. So war die Behandlung von Typ-2-Diabetespatienten mit Insulin glargin 300 E/ml in den Studien EDITION 1, 2 und 3 ebenso wirksam wie die Therapie mit Insulin glargin 100 E/ml. Bestätigte (≤ 70 mg/dl bzw. ≤ 3,9 mmol/l) oder schwere Hypoglykämien waren in allen drei Studien unter Insulin glargin 300 E/ml entweder signifikant seltener oder tendenziell seltener als unter Insulin gl 100 E/ml. Dies galt ebenso für die in Japan durchgeführte EDITION JP2-Studie.

Der Vorteil für Insulin glargin 300 E/ml fand sich sowohl in der sensiblen Einstellungsphase auf das Basalinsulin in den Wochen 0 bis 8 als auch in der Erhaltungsphase und über die gesamte Studiendauer. (1 – 4) (Tab. 1)

Eine Metaanalyse von EDITION 1, 2 und 3 auf Patientenebene zeigt, dass es für die Therapiesicherheit von Insulin glargin 300 E/ml hinsichtlich der Hypoglykämien keine Rolle spielte, welchen HbA1c-Wert die Studienteilnehmer unter dem Basalinsulin erreichten. (30) (Abb. 1)

Weniger Hypoglykämien in der gesamten Nacht

Die Therapiesicherheit insbesondere in der Nacht wird in einer Metaanalyse der Studien EDITION 2, 3 und JP2 bestätigt Dabei fand sich unter Insulin glargin 300 E/ml eine geringere Rate nächtlicher Hypoglykämien im Vergleich zu Insulin glargin 100 E/ml, unabhängig davon, wie das Zeitfenster für die Nacht definiert war: Der Vorteil für Insulin glargin 300 E/ml galt sowohl für Ereignisse von 0:00 Uhr bis 5:59 Uhr als auch in einem realitätsnahen Zeitfenster von 22:00 Uhr bis zur Blutzuckermessung vor dem Frühstück. (6)

Aktuelle Studiendaten zu Patienten mit Nierenfunktionsstörung

„Typ-2-Diabetes ist nicht gleichTyp-2-Diabetes“, betont Wiesner, „die Erkrankung ist so unterschiedlich wie die Lebenssituation der Patienten.“ Er nennt etwa Typ-2-Diabetespatienten mit

  • Essstörung,
  • eingeschränkter Betazellfunktion,
  • viel Fettgewebe,
  • beruflich bedingtem Bewegungsmangel
  • oder aber mit viel Sport und Bewegung im Alltag.

Jeder von ihnen benötigt ein individuell auf ihn zugeschnittenes Therapieschema, stellt Wiesner klar.

Eine besonders herausfordernde Patientengruppe sind Menschen mit Typ-2-Diabetes und komorbiden Nierenfunktionsstörungen: Viele Antidiabetika, die sonst häufig verordnet werden, sind bei ihnen kontraindiziert. Das gilt jedoch nicht für die Behandlung mit Insulin glargin 300 E/ml. Es ist für erwachsene Diabetespatienten auch bei moderat eingeschränkter Nierenfunktion zugelassen. (7)

In einer aktuellen Metaanalyse der Studien EDITION 1, 2 und 3 wurde untersucht, ob eine leichte bis mäßiggradige Reduktion der Nierenleistung den Effekt von Insulin glargin 300 E/ml beeinträchtigt. Das Ergebnis: Es wurde kein Unterschied beobachtet. Bei Patienten mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von

  • ≥ 90 ml/min,
  • ≥ 60 bis < 90 ml/min oder
  • ≥ 30 bis < 60 ml/min

fand sich eine vergleichbar gute Absenkung des HbA1c-Wertes um etwa einen Prozentpunkt unter Insulin glargin
300 E/ml vs. 100 E/ml.

Auch die Rate an bestätigten oder schweren Hypoglykämien war jeweils unter Insulin glargin 300 E/ml niedriger als unter Insulin glargin 100 E/ml, unabhängig von der Nierenfunktion: In der Nachtzeit (0:00 bis 5:59 Uhr) lag sie in den drei Gruppen bei 0,6 bis 0,8 und über den gesamten Tag bei 0,7 bis 0,9 Ereignissen pro Patientenjahr. (8)

Hypoglykämieangst beeinträchtigt Patientenalltag

Wiesner stellte den Fall einer 55-jährigen Patientin mit Typ-2-Diabetes vor, Besitzerin eines Schokoladengeschäfts. Ihre Diabeteserkrankung bestand bereits seit sieben Jahren. Sie hatte einen erhöhten HbA1c-Wert von 7,9 % und wurde mit Insulin glargin 100 E/ml (36 Einheiten), Metformin (morgens und abends je 850 mg) sowie Empagliflozin (morgens 25 mg) behandelt.

Die Blutzuckerwerte der Patientin waren über den Tagesverlauf starken Schwankungen unterworfen, sie lagen zwischen 108 und 342 mg/dl (zwischen 6 und 19 mmol/l). Die Anwendung eines kurzwirksamen Insulins zur Kontrolle der Blutzuckerspitzen lehnte sie jedoch kategorisch ab: Da sie die Verkaufstätigkeit in ihrem Geschäft allein ausübte, befürchtete sie einer möglichen Unterzuckerung hilflos ausgeliefert zu sein.

Ihr Hypoglykämieangst veranlasste die Frau zudem, im Laufe des Tages immer wieder kleinere Schokoladenportionen als „Sicherheitskohlenhydrate“ zu konsumieren. Dies führte zu einer fortwährenden Gewichtszunahme, schließlich wog sie 135 kg.

Insulin glargin 300 E/ml kann Selbstsicherheit zurückgeben

Der Diabetologe stellte die Basalinsulintherapie der Patientin auf Insulin glargin 300 E/ml um und ermutigte sie, auf die höhere Hypoglykämiesicherheit dieses konzentrierten Insulin glargin zu vertrauen. Dies gelang: Die Patientin konnte sich von der Vorstellung der „Sicherheitskohlenhydrate“ lösen, stoppte die hochkalorischen Zwischenmahlzeiten und verlor innerhalb kurzer Zeit mehrere Kilogramm an Gewicht. In den folgenden drei Quartalen lag ihr Körpergewicht bei 133 kg, 126 kg bzw. 128 kg.

Infolge der Eindämmung der Glukoseexkursionen sank auch der HbA1c-Wert der Frau in den empfohlenen Bereich < 7 %. Bei den vierteljährlichen Kontrollterminen wurden HbA1c-Werte von 6,7 %, 6,5 % bzw. 6,6 % gemessen. Hypoglykämien traten dabei nicht auf.

Therapieadhärenz gesteigert

Ein weiterer Patient, Lastwagenfahrer im Fernverkehr, war seit elf Jahren an Typ-2-Diabetes erkrankt und hatte mit 7,8 % ebenfalls einen unzureichenden HbA1c-Wert. Hypoglykämien musste er aus beruflichen Gründen unbedingt vermeiden; so applizierte er sein Basalinsulin (22 E Insulin glargin 100 E/ml) immer dann, wenn er „am Parkplatz ankam“, und seinen Mahlzeitenbolus von 26 bis 32 E Insulinglulisin nur dann, wenn er „nicht mehr weiterfahren musste“. Die unregelmäßige Insulintherapie schlug sich in schwankenden Blutzuckerwerten nieder: Tagsüber lagen sie zwischen 100 und 255 mg/ dl (5,6 bis 14,2 mmol/l). Abends versuchte der Mann die Therapiefehler auszugleichen und spritzte mehr Insulin als nötig, so dass sein Blutzuckerspiegel nachts auf Werte um 60 mg/dl (3,3 mmol/l) sank.

Auch er profitierte vom Wechsel zu Insulin glargin 300 E/ml. Schon drei Wochen später lagen seine Werte tags bei 117 bis 200 mg/dl (6,5 bis 11,1 mmol/l). Er gewann Vertrauen in die gleichmäßige Wirkung seines neuen Insulins, applizierte regelmäßig die verordnete Dosis und konnte seine Blutzuckereinstellung weiter verbessern.


Literatur
1) Riddle MC et al., Diabetes Care 2014; 37: 2755 – 2762
2) Yki-Järvinen H et al., Diabetes Care 2014; 37: 3235 – 3242
3) Bolli GB et al., Diabetes, Obesity and Metabolism 2015; 17: 386 – 394
4) Terauchi Y et al., Diabetes Obes Metab 2016; 18 (4): 366 – 374
5) Home PD et al., Diabetes Care 2015; 38 (12): 2217 – 2225
6) Bolli GB et al., Scientific Sessions, ADA, Juni 2016, New Orleans, USA, LB-91
7) Fachinformation Toujeo®, Stand Septem- ber 2016
8) Escalada J et al., Scientific Sessions, ADA, Juni 2016, New Orleans, USA, 69-OR
9) Bonadonna R, Scientific Sessions, ADA, Juni 2016, New Orleans, USA, 928-P