Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen sorgt derzeit für Unruhe in der Diabetesszene: Wird bald schon die kostenlose Abgabe eines BZ-Messgeräts zum Straffall? Dr. Martin Lederle hat sich darüber Gedanken gemacht.

Am 21.10. 2015 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht. Als Begründung dafür heißt es im Entwurf:

"Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens ist korruptiven Praktiken in diesem Bereich auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Dies ist nach gegenwärtiger Rechtslage nur unzureichend möglich."

Auch nichtakademische Gesundheitsfachberufe sind betroffen

Der § 299a, der neu in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll, wird nicht nur Ärzte betreffen. Der vorgeschlagene Text lautet:

"Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder

2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Neben allen akademischen Heilberufen sind somit auch alle nichtakademischen Gesundheitsfachberufe betroffen, bei denen die Ausbildung gesetzlich geregelt ist. Hierzu zählen insbesondere MFA, PTA, MTRA, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten und Gesundheits- und Krankenpfleger.

Experte erklärt: Was ist überhaupt ein "Vorteil"?

Dieser Gesetzentwurf hat in der Diabetesszene in Deutschland erhebliche Unruhe verursacht. Viele stellen sich die Frage, ob die kostenlose Abgabe eines Insulinpens oder eines Blutglukose (BG)-Messgerätes schon den Tatbestand der Korruption erfüllen wird. Rechtsanwalt Oliver Ebert, derzeit Vorsitzender des Ausschusses Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft, hat dazu ein ausführliches e-book formuliert.

Beim Durchlesen des Gesetzestextes stellt sich mir beispielsweise die Frage: Was ist überhaupt ein "Vorteil"? Oliver Ebert beantwortet dies wie folgt:

"Unter einem ,Vorteil‘ versteht das Gesetz nicht nur materielle Zuwendungen (z.B. Zahlungen, Kongresseinladungen, Geschenke, Provisionen, Berater-/Referentenverträge, Werbewirkung), sondern auch immaterielle Vorteile (z.B. Steigerung der Bekanntheit, Marktdurchdringung, Ehrenpreise). Der Vorteil muss auch nicht dem Berufsträger unmittelbar selbst zukommen, sondern es reicht, dass ein beliebiger Dritter – beispielsweise Lebenspartner oder Angehörige, aber auch Hersteller, Firmen, Patienten oder Außendienstmitarbeiter – davon profitiert. Es gibt insoweit auch keine Bagatellgrenze; der Vorteil muss nur irgendwie geeignet sein, die Unabhängigkeit der heilberuflichen Entscheidung zu beeinflussen."

Kostenlose Abgabe eines Messgeräts schon Korruption?

Die wichtige Frage "Wird es in der Zukunft strafbar sein, BG- Messgeräte an Patienten abzugeben?" beantwortet Herr Ebert so: "Zu diesem Zeitpunkt lässt sich hierzu noch keine zuverlässige Aussage treffen. Problematisch ist hier sicherlich, dass die Abgabe von Geräten grundsätzlich einen Vorteil für den jeweiligen Anbieter ('Dritter') darstellt. Diese Geräte werden zwar in der Regel kostenlos von den Anbietern zur Verfügung gestellt und auch nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet."

"Ein Vorteil könnte aber möglicherweise in den mit der Gerätenutzung verbundenen künftigen Absatzmöglichkeiten ('Teststreifenbindung') oder der hierdurch erreichten oder intendierten Werbewirkung bzw. Marktdurchdringung gesehen werden", führt Ebert aus. "Gegen eine strafrechtliche Relevanz könnte umgekehrt sprechen, dass Blutzuckermessgeräte als Hilfsmittel regulär verordnungsfähig sind. Sofern ein Arzt im Rahmen seiner Therapie- und Verordnungsfreiheit eine Versorgung mit einem solchen Gerät für notwendig hält, dann kann er dieses verordnen."

"Gem. §§ 31, 33 SGB V hat der Patient dann auch Anspruch auf Versorgung mit diesem Hilfsmittel. Wenn der Patient also ohnehin – zu Lasten der Solidargemeinschaft – per Verordnung mit dem betreffenden Blutzuckermessgerät versorgt werden müsste, dann wird es fraglich sein, ob die kostenlose Abgabe desselben Geräts für den jeweiligen Anbieter tatsächlich einen strafrechtlich sanktionierten Vorteil bringt. Dieser erfährt durch den Verzicht auf eine Verordnung sogar einen Umsatzverlust; durch die unentgeltliche Abgabe des Geräts wird er faktisch nicht besser gestellt als im Falle einer regulären Verordnung", so der Rechtsanwalt.

Das Gesetz soll in den nächsten Wochen im Bundestag verabschiedet werden. Ich bin gespannt, in welche Richtung sich das Ganze noch entwickeln wird.



Autor: Dr Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (4) Seite 5