Nach nur einem Jahr auf dem deutschen Markt gab es für Tresiba jetzt den Vertriebsstopp (wir berichteten). Wie stehen die Chancen, dass das Basalinsulin vielleicht doch weiter von den Kassen erstattet wird?

Am 1. Juli gab der Hersteller Novo Nordisk bekannt, dass der Vertrieb von Tresiba Ende September eingestellt wird. "Diese Nachricht war für mich ein ziemlicher Schock, denn das Unternehmen hatte in den Monaten zuvor immer wieder versichert, Insulin degludec in Deutschland dauerhaft zur Verfügung stellen zu wollen. Auf diese Aussage habe nicht nur ich mich verlassen", kritisiert Dr. Martin Lederle aus Ahaus, Nordrhein-Westfalen.

Patienten und Behandler sind die "Gelackmeierten"

"Die ,Gelackmeierten’ dieser drastischen Entscheidung sind die Patienten, die in den letzten Monaten von Insulin degludec profitiert haben, und auch wir Behandler", betont er. "Was sollen diese Patienten jetzt machen? Umstellung auf eine Insulinpumpentherapie? Rückumstellung auf ein Verzögerungsinsulin, mit dem sie in der Vergangenheit schlechter zurechtgekommen sind? Wechsel auf das jetzt in Deutschland verfügbare Insulin glargin U 300 (Toujeo) mit all seinen Unwägbarkeiten?"

Die Folge des Vertriebsstops sei eine derzeitige "erhebliche Belastung" für die tägliche Arbeit in der Diabetespraxis Ahaus: "Die betroffenen Patienten fühlen sich ,verschaukelt’ und wir Behandler können ihnen nicht richtig weiterhelfen." Dabei kämen Patienten mit dem Insulin, das nur einmal pro Tag gespritzt werden muss, viel besser zurecht.

Insulin degludec sei natürlich kein "Wunderinsulin", so Lederle, "aber viele dieser Patienten haben am eigenen Körper erfahren, dass sie mit diesem Insulin im Vergleich zu den bisher im Gebrauch befindlichen Verzögerungsinsulinen (Lantus, Levemir) deutlich besser zurechtkommen" (siehe Kasten).

Zurück zum alten Basalinsulin?
Nach den Erfahrungen vieler Diabetologen hat Insulin degludec (Tresiba) zahlreiche Vorteile für die Patienten. Dr. Martin Lederle nennt die wichtigsten:
  • Der Blutglukoseverlauf ist viel stabiler.
  • Die Schwankungsbreite der Blutglukosewerte ist geringer.
  • Es sind weniger Hypoglykämien aufgetreten, insbesondere in der Nacht; dies hat dazu geführt, dass die Patienten selbst und auch die Angehörigen in der Nacht wieder beruhigter und damit besser schlafen konnten.
  • Die nur einmal tägliche Gabe des Verzögerungsinsulins ist für viele Patienten eine deutliche Erleichterung im Alltag und damit ein Zugewinn an Lebensqualität.

Der Diabetologe fordert den Hersteller jetzt zum Handeln auf. Die Verantwortlichen hätten eine moralische Verpflichtung gegenüber den Patienten, diese nahtlos mit Insulin degludec weiterzuversorgen. Martin Lederle liefert die Idee gleich mit: Novo Nordisk stellt den Patienten, die in den letzten Monaten von Tresiba profitiert haben und die in einer ambulanten Diabeteseinrichtung in kontinuierlicher Mitbetreuung sind, dieses Insulin im Rahmen einer "Versorgungsstudie" weiter bereit.

Im Rahmen dieser Studie werden von den beteiligten Diabeteseinrichtungen geeignete, patientenrelevante Daten erhoben. "Das wäre Versorgungsforschung im besten Sinne des Wortes", sagt er. "Ich denke, ungewöhnliche Ereignisse erfordern ungewöhnliche Lösungswege.

Forxiga kam wieder zurück

Es geht aber auch anders. Im Dezember 2013 hatte es bereits den Vertriebsstopp eines Diabetesmedikaments gegeben, der im Februar 2014 wieder ausgesetzt wurde: beim SGLT2-Hemmer Forxiga (wir berichteten). Nach zunächst ergebnislosen Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband einigte sich das Gremium seinerzeit preislich doch mit dem Hersteller AstraZenica – obwohl das Präparat ja schon vorläufig außer Betrieb genommen worden war. Anstelle eines Schiedsspruchs, wie bei Tresiba, kam es zu einer Einigung des GKV-Spitzenverbands mit dem Hersteller über einen Erstattungsbetrag für das Präparat.

Forxiga ist heute – wie die Fixkombination Xigduo – weiterhin voll verordnungs- und erstattungsfähig, obwohl es, wie Insulin degludec, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) keinen Zusatznutzen zugesprochen bekommen hatte. Warum also konnte bei Forxiga der Vertrieb in Deutschland wieder aufgenommen werden? Und gibt es bei Tresiba da nicht noch Verhandlungsspielraum?

Wir fragen beim GKV-Spitzenverband nach: "Wir als Verband verhandeln auf Bundesebene einen Erstattungsbetrag. Ist keine Einigung zustande gekommen, wird entsprechend der Rahmenvorgaben die Schiedsstelle eingeschaltet. Zugleich können die direkten Gespräche zwischen beiden Seiten weitergehen", erläutert das Gremium. "Details aus den Verhandlungen (wie z. B. die Höhe des Erstattungsbetrags oder mögliche zeitliche Staffelungen) obliegen der Geheimhaltung – es sei denn, der Hersteller erlaubt uns, solche Aspekte zu kommunizieren. Das kommt jedoch nur sehr, sehr selten vor."

Rabattverträge würden zwischen einzelnen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern geschlossen und könnten sich z. B. zeitlich an einen Erstattungsbetrag auf Bundesebene anschließen. An diesen Verhandlungen sei der Spitzenverband aber nicht beteiligt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.



Autorin: Angela Monecke

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 6-8