Die VDBD AKADEMIE hatte zur 4. VDBD-Tagung eingeladen. Dr. Eric Risch war dabei und berichtet hier über die bestens besuchte Veranstaltung.

Die Vorzeichen konnten nicht besser sein. Bei strahlend blauem Himmel hatte die VDBD AKADEMIE am 25. März zur 4. VDBD-Tagung nach Frankfurt am Main eingeladen. Ein Novum dabei: Erstmals wurde die inzwischen etablierte Veranstaltung von der VDBD AKADEMIE geplant sowie organisiert.

Den rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde in der Mainmetropole ein überaus breites Themenspektrum geboten. Update-Vorträge widmeten sich spezifischen Themen der Diabetesberatung sowie innovativen medikamentösen Therapien. Ein Vortrag indessen hatte einen etwas anderen Fokus: Diabetes in der Pubertät.

Und dies aus gutem Grund. Diabetes mellitus ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter in Deutschland. Etwa 25 000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren sind vom Typ-1-Diabetes betroffen. Während die Kleinen spielerisch lernen, was es mit Über- und Unterzuckerung auf sich hat, stehen in der Pubertät Themen wie Liebe, Sex und Zärtlichkeit oder auch Diabetes und Alkohol hoch im Kurs. "Die Pubertät ist eine schwierige Zeit im Leben, egal ob mit oder ohne Diabetes", unterstrich denn auch Dr. Simone von Sengbusch in ihrem Vortrag.

"Das körperliche Wachstum mit starker Wirkung der Sexualhormone aushalten, erste Beziehungen Finden und eingehen, und gleichzeitig die oft konfliktreiche Ablösung von den Eltern, das sind sehr große Leistungen, die die jungen Menschen in wenigen Jahren schaffen müssen", so die renommierte Oberärztin von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. In jedem Jahrzehnt habe es dabei eigene, besondere Herausforderungen an die Jugend gegeben. "Eine einfache Pubertät", gab von Sengbusch zu bedenken, "hat es vermutlich nie gegeben."

Das Leben steht unter dem Begriff der Veränderung

Fakt ist: Heute müssen sich Jugendliche einem starken Leistungsdruck in der Schule, ständiger Kommunikationsbereitschaft, einem überbordenden Nahrungsmittelangebot, hohen Konsumwünschen und der weit greifenden Digitalisierung der Lebenswelt stellen. Die Pubertät beinhaltet aber auch Reorganisationsvorgänge innerhalb der Familie. Verantwortlichkeiten, Kontrollmechanismen und Beziehungen untereinander werden neu definiert.

Das Leben stehe unter dem Begriff der Veränderung, so von Sengbusch, im rein körperlichen, aber ebenso im psychischen und im sozialen Bereich. Und neben diesen üblichen Aufgaben, die jeder in der Pubertätsphase zu meistern habe, stehe bei den Jugendlichen mit Diabetes eine wohl therapierbare, aber nicht heilbare Diagnose mit vielen Auflagen mit im Raum. Diese Tatsache rücke nun ins Bewusstsein eines jeden Betroffenen, darüber hinaus das Wissen und Verständnis von möglichen Spätkomplikationen, eingeschränkter Spontaneität und Zukunftsängsten in Bezug auf Beziehungen und Beruf.

Auch kommt es in der Pubertät im Körper zu einer ausgesprochenen hormonellen Revolution mit den bekannten Veränderungen der sekundären Geschlechtsmerkmale. Was aber bedeutet das für den Diabetes? Wachstums- und andere Hormone können die Wirkung des injizierten Insulins abschwächen und sich negativ auf den Blutzucker auswirken. Da diese in der Pubertät sehr unregelmäßig in den Körper ausgeschüttet werden, kommt es zu einem ständig wechselnden Insulinbedarf. Das macht es schwierig, den Diabetes unter Kontrolle zu halten.

Insbesondere in den frühen Morgenstunden werden bei Jugendlichen vermehrt Hormone ins Blut abgegeben, die den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. In einem solchen Fall spricht man vom DAWN-Phänomen. Das bedeutet, dass der Tag oft schon mit einem hohen Nüchternzucker beginnt, und allgemein ist mehr Insulin nötig. Höhere Insulindosen bedeuten aber auch höhere Hypoglykämie-Gefahr. Deshalb werden mehr Blutzucker-Selbstkontrollen und Dosis-Anpassungen gefordert.

"Eine persönliche, professionelle Beratungshaltung, die den Jugendlichen nicht beschämt"

"... aber oftmals von den Jugendlichen nicht umgesetzt", merkte von Sengbusch im Rahmen ihres Frankfurter Vortrags an. Denn auch die Interessen und Prioritäten im Leben verändern sich auf dem Weg vom Kind zum Erwachsensein. Verpflichtungen wie das Diabetesmanagement werden dann gern vernachlässigt, was häufig zu Konflikten innerhalb der Familie führt. "Haben zuvor die Eltern die Therapie gemanagt, müssen Jugendliche nun lernen, Schritt für Schritt die Verantwortung selbst zu übernehmen, so die Lübecker Kinder- und Jugendmedizinerin."

Das sei oft mit Gefühlen der Verunsicherung und Überforderung verbunden. Es könne ziemlich demotivierend sein, wenn man sich um eine gute Blutzuckereinstellung bemühe und die Werte dann letztlich doch nicht optimal seien. Die Jugendlichen müssten immer wieder erkennen, wie weit Wunsch und Wirklichkeit im Leben oftmals voneinander entfernt lägen, sagte von Sengbusch.

"Der Schlüssel ist dabei zunächst eine persönliche, professionelle Beratungshaltung, die den Jugendlichen nicht beschämt, egal wie gut oder schlecht die Insulintherapie umgesetzt wird", empfahl von Sengbusch den anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegen Ende ihres bemerkenswerten Vortrags im Rahmen der 4. VDBD-Tagung.

Jugendliche von einer eingefahrenen HbA1c-Spur auf eine bessere Spur zu leiten, sei harte Arbeit und benötige viel Zeit. Regelmäßiges Coaching und Gruppenschulungen mit anderen Jugendlichen könnten dabei wie ein Katalysator wirken, wenn die Schulenden mit Freude, mit Elan und mit modernen Medien arbeiteten.

Tagungsfilm unter: www.vdbd-akademie.de


Autor: Dr. Eric Risch
Pressebeauftragter des Verbands der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (5) Seite 50