Kovatchev BP, Singh H, Mueller L, Gonder-Frederick LA; Charlottesville, USA; Diabetes Care 2022: 45: 2636 – 2643.

Ziel: Dokumentation der Veränderungen der Blutglukosespiegel und der vom Anwender ausgelösten Boli nach dem Übergang von einem Low-Glucose-prädiktiven System (PLGS) zu einem automatischen Insulinabgabesystem (AID) während des realen Gebrauchs.

Forschungsdesign und Methoden: Wir analysierten 2 329 166 Tage (6 381 Patientenjahre) kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) und Insulintherapiedaten von 19 354 Personen mit Typ-1-Diabetes während einer einmonatigen PLGS-Anwendung (Basal-IQ-Technologie), gefolgt von einer dreimonatigen AID-Anwendung (Control-IQ-Technologie). Die Ausgangsdaten sind wie folgt: 55,4 % Frauen, Alter (Median/Quartile/Bereich) 39/19 – 58/1 – 92 Jahre, mittlerer ± SD Glukose-Management-Indikator (GMI) 7,5 ± 0,8. Primärer Endpunkt war die Zeit im Zielbereich (TIR) (70 – 180 mg/dl). Zu den sekundären Endpunkten gehörten CGM-gestützte Kennzahlen zur Glukosekontrolle und die Häufigkeit der vom Benutzer veranlassten Boli.

Ergebnisse: Im Vergleich zu PLGS erhöhte die AID die TIR im Durchschnitt von 58,4 auf 70,5 %. Auch der GMI und die prozentuale Zeit oberhalb und unterhalb des Zielbereichs verbesserten sich: von 7,5 auf 7,1, von 39,9 auf 28,1 % beziehungsweise von 1,66 auf 1,46 %; alle p-Werte < 0,0001. Eine Stratifizierung der Ergebnisse nach Alter und Ausgangs-GMI ergab klinisch signifikante Unterschiede. Am stärksten war die Verbesserung der Glukosespiegel bei Personen unter 18 Jahren (Verbesserung der TIR um 14,0 Prozentpunkte) und bei Personen mit einem Ausgangs-GMI von > 8,0 (Verbesserung der TIR um 13,2 Prozentpunkte). Die Zahl der von den Anwendern veranlassten Korrekturbolusgaben sank von 2,7 auf 1,8 pro Tag, während die Zahl der von den Anwendern veranlassten Mahlzeitbolusgaben mit 3,6 beziehungsweise 3,8 pro Tag stabil blieb.

Schlussfolgerungen: Die Umstellung von PLGS auf AID wurde bei mehr als 19 000 Personen mit Typ-1-Diabetes unter Alltagsbedingungen erfasst und führte zu einer Verbesserung aller glykämischen Parameter, die den in randomisierten klinischen Studien beobachteten Verbesserungen entsprach, sowie zu einer Verringerung der vom Anwender initiierten Boli. Die Veränderungen der Glukosespiegel und des Verhaltens bei der Verwendung von AID können sich jedoch je nach demografischer und klinischer Gruppe stark unterscheiden.

Kommentar: Diese Real-World-Daten bestätigen Ergebnisse aus zwei vorangegangen, randomisierten, kontrollierten Studien (jeweils im NEJM publiziert). Die positiven Ergebnisse der Control-IQ-Technologie ließen sich über eine breite Altersspanne beobachten. Es ist beachtlich, dass sowohl die Patienten mit sehr guten als auch sehr schlechten GMI-Ausgangswerten eine Verbesserung der TIR und des GMI mit paralleler Reduktion der Hypoglykämieraten erreichen konnten. Der Algorithmus kann somit als sicher bewertet werden. Allerdings verbesserte sich die TIR in der Gruppe mit dem höchsten GMI-Ausgangswert nur auf 54,1 %. Unter anderem dieser Fakt lässt vermuten, dass neben der AID-Technologie zusätzliche intensive Schulungsmaßnahmen notwendig sind, um wirklich optimale Ergebnisse zu erreichen.



Autor:
Prof. Dr. med. Michael Hummel

Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (6) Seite 48