Neben Lillys pegylierten Lispro und Sanofis Glargin U300 gab es noch andere Insulinentwicklungen, die auf dem ADA in Boston mit neuen Daten vertreten waren. Eine Übersicht kurz- und langwirksamer Insuline mit unterschiedlichen Ansätzen.
Eine Insulin-Entwicklung der Firma Biodel mit dem Kürzel Biod-531 ist eine Formulierung aus 400 Einheiten pro Milliliter Humaninsulin, EDTA, Citrat und Magnesiumsulfat und soll einen ultraschnellen Wirkeintritt sowie eine basale Wirkdauer haben. Linda Morrow und Kollegen zeigten auf Poster 92-LB eine Studie an zwölf insulinresistenten Typ-2-Diabetikern (mittlerer Insulinbedarf 205 Einheiten pro Tag), in der die Gabe von Biod-531 zweimal täglich direkt vor einer standardisierten Mahlzeit zu einer besseren prandialen Blutzuckerkontrolle führte als Humalog® Mix 75/25-Mischinsulin oder Humulin® U-500 Insulin, ebenfalls vor den Mahlzeiten gegeben.
Die Gabe von Biod-531 20 Minuten nach Start der Mahlzeit resultierte in besserer oder vergleichbarer Blutzuckerkontrolle insgesamt verglichen mit einer Gabe von Human-Mischinsulin oder U-500 vor der Mahlzeit. Für das 921 Kalorien umfassende Frühstück wurden 1,2 Einheiten Insulin pro Kilo Körpergewicht injiziert, für das 963 Kalorien umfassende Abendessen 0,8 Einheiten pro Kilo. Das Mittagessen hatte 669 Kalorien und wurde ohne Insulingabe 330 Minuten nach der morgendlichen Insulingabe eingenommen.
Über 24 Stunden erreichten die Patienten in der Studie mit Biod-531 vor der Mahlzeit einen mittleren Blutzucker von 155,7 mg/dL und mit Biod-531 nach der Mahlzeit 149,8 mg/dL, im Vergleich dazu waren es mit dem Mischinsulin 172,6 mg/dL und mit U-500 154,0 mg/dL.
Dance-501: Tanz mit dem Inhalator
In die Kategorie der inhalativen Insuline fällt Dance-501 vom kalifornischen Unternehmen Dance Biopharm, das von Dr. John Patton gegründet wurde. Der US-Amerikaner war auch schon Mitbegründer von Inhale Therapeutics, das in Nektar umbenannte Unternehmen lieferte die Technologie für das erste inhalative Insulin Exubera. Erklärtes Ziel von Dance ist es, mit seinem als inhalatives Insulin der zweiten Generation bezeichneten System die Probleme der ersten Generation zu lösen, namentlich das unhandliche Applikationsgerät und auch die hohen Kosten.
Das neue Inhalationsgerät verwendet nach Angaben von Dance eine Mikropumpe, in der eine schnell vibrierende Membran mit sehr kleinen, präzisen Öffnungen die Flüssigkeit vernebelt; die Technologie wurde von der Firma Aerogen entwickelt. Auf Bildern zu sehen ist ein ungefähr handflächengroßes, rund ein Zentimeter dickes Gerät, das in eine Hosentasche passen soll.
Das Insulin wird allerdings in flüssiger Form getrennt von dem Gerät in einem Fläschchen aufbewahrt, vor der Applikation werden einige Tropfen in das Inhalationsgerät gegeben. Die patientenindividuelle Dosis wird laut Dance in einem bis drei Atemzügen aufgenommen, das Gerät ist elektronisch gesteuert und zeigt an, wenn der Patient zu schnell einatmet. Die Verwendung einer flüssigen Insulinformulierung statt eines trockenen Pulvers soll zu niedrigeren Produktionskosten führen und Husten vermeiden, so das Unternehmen.
Studie untersuchte Pharmakodynamik von Dance-501
Auf Poster 978-P stellten Eric Zijlstra und Kollegen eine Studie an 24 Menschen mit Typ-2-Diabetes vor, in der Dance-501 einen zur Dosis linearen Konzentrationsanstieg sowie eine dosisabhängig steigende Insulinantwort zeigte sowie eine ähnliche intraindividuelle Variabilität wie Insulin lispro. Die Autoren beschreiben die gefundene Charakteristik als vielversprechend, Dance 501 könne eine klinische relevante Alternative zu injiziertem schnellwirksamem Insulin werden.
Das inhalative Insulin wurde in drei Dosierungen getestet, einer niedrigen mit 70 Einheiten, einer mittleren mit 140 Einheiten und einer hohen mit 210 Einheiten, als Vergleich diente eine äquivalente mittlere subkutane Dosis von Lispro – 18 Einheiten. Der Variabilitätstest wurde mit der mittleren Dosis durchgeführt. In einem zwölfstündigen euglykämischen Clamp wurde die Pharmakodynamik untersucht. Die mittleren pharmakokinetischen und -dynamischen Profile zeigten für die mittlere Dosierung eine schnellere Absorption, Tmax lag bei 54 Minuten mit Dance-501 und bei 89 Minuten mit Lispro.
Als Resultat fanden sie einen schnelleren Effekt, die Zeit bis zur Hälfte der maximalen Glukoseinfusionsrate im Clamp betrug bei Dance-501 49 und bei Lispro 61 Minuten. Während die intraindividuelle Variabilität bei der Fläche unter der Konzentrationskurve, der maximalen Konzentration sowie der maximalen Glukoseinfusionsrate ähnlich zwischen den Insulinen war, fand sich bei Dance-501 mit 29,9 Prozent eine höhere Variabilität der Fläche unter der Glukoseinfusionsrate während des Clamps als bei Lispro mit 17,0 Prozent. Die Autoren fanden keine Sicherheitsbedenken, Husten wurde in der Studie bei drei von 462 Inhalationen beobachtet.
Kleine Unterschiede in Partikelgröße beeinflusst Wirkung nicht
In einem zweiten Poster (1028-P) untersuchten erneut Zijlstra und Kollegen die optimalen Partikelgröße der Insulin-Aerosolpartikel. Sie fanden, dass kleine Unterschiede bei der Partikelgröße die pharmakokinetische Antwort des inhalativen Insulins nicht statistisch signifikant beeinflussen. Zwölf Menschen mit Typ-1-Diabetes erhielten 50 Einheiten Dance-501 oder sechs Einheiten Lispro zur Bewertung der relativen Bioverfügbarkeit. Der Inhalator wurde so konfiguriert, dass er Insulin-Aerosolpartikel mit einer Größe zwischen 3,5 und 4,0 µm (klein), 4,3 und 4,8 µm (mittel) oder 5,0 bis 5,5 µm (groß) bei niedriger Atemgeschwindigkeit erzeugt.
Die Zeiten bis zur maximalen Konzentration waren 86 Minuten bei kleinen Partikeln, 68 Minuten bei mittleren und 63 bei großen. Die maximalen Konzentrationen lagen bei 18,6 µU/mL, 16,7 µU/mL respektive 14,9 µU/mL und die Flächen unter den Konzentrationskurven während des Clamps bei 73, 69 und 61 hµU/mL für die drei Partikelgrößen klein, mittel und groß. Die Bioäquivalenz lag mit zehn bis zwölf Prozent laut der Autoren im für inhalative Insuline typischen Bereich. Nach Angaben des Unternehmens hat Dance-501 Studien der klinischen Phase 2 abgeschlossen, die weitere Entwicklung werde vorbereitet.
Insulintablette senkt Mahlzeitbedarf
Ein orales Insulin entwickelt das israelische Unternehmen Oramed. Das als ORMD-0801 bezeichnete Präparat wird aus magensaftresistenten Kapseln im Gastrointestinaltrakt in die Blutbahn freigesetzt; spezielle Protease-Inhibitoren sowie Absorptionsverstärker sollen den Abbau des Proteins verhindern und die Passage durch die intestinale Barriere erleichtern.
Auf Poster 1058-P zeigten Miriam Kidron und Kollegen Daten, nach denen ORMD-0801 präprandial gegeben die Mengen an Mahlzeiteninsulin reduziert, die Patienten mit Typ-1-Diabetes brauchen, um die Blutzuckerkontrolle aufrechtzuerhalten. Dabei habe es sich sicher und gut verträglich gezeigt. In der randomisierten, doppelblinden Phase-2a-Studie erhielten 15 Probanden dreimal am Tag je eine Kapsel mit 8 mg Insulin 45 Minuten vor der Mahlzeit, zehn Probanden erhielten Placebo. Über sieben Tage wurde der Insulinbedarf dokumentiert und die Blutzuckerwerte mit einem verblindeten kontinuierlichen Glukosesensor erhoben.
Der Nüchternblutzucker war an allen Behandlungstagen mit ORMD-0801 gegenüber dem Ausgangswert reduziert, an Tag sieben um den Maximalwert von 60,2 mg/dL; mit Placebo fand sich an Tag sieben nur eine Reduktion um 10,2 mg/dL. Die verringerten Nüchternblutzuckerspiegel korrellierten nach Angaben der Autoren direkt mit einem reduzierten Bedarf an Mahlzeiteninsulin, an Tag sieben betrug der mittlere Unterschied zwischen der aktiven und der Placebo-Gruppe 5,9 mIU/mL.
An Tag sieben sei in beiden Kohorten eine gleiche Anzahl an hypoglykämischen Events unter 60 mg/dL berichtet worden, die einer klinischen Intervention bedurft hätten. Oramed gab Ende Juni bekannt, dass der erste Patient in eine Phase-2b-Studie zu ORMD-0801 bei Typ-2-Diabetes eingeschrieben worden sei, die in den USA durchgeführt wird.
Ultraschnelles Biochaperone
Eine weitere Entwicklung in dem Bereich der schnellwirksamen Insuline ist das Biochaperone Insulin Lispro der französischen Firma Adocia. Auf Poster 979-P zeigten Grit Andersen und Kollegen eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie eine schnellere Absorption als bei Insulin lispro. 38 Männer mit Typ-1-Diabetes erhielten im Rahmen eines euglykämischen Clamps doppelblind und randomisiert in zufälliger Reihenfolge eine Einzeldosis von 0,1, 0,2 und 0,4 Einheiten pro Kilo Körpergewicht Biochaperone Lispro sowie von 0,2 Einheiten pro Kilo Lispro.
Das ultraschnelle Profil des Biochaperone Lispros sei bestätigt worden durch eine signifikant höhere Insulin-Exposition sowie höhere Glukoseinfusionsraten in der ersten Stunde, die Fläche unter der Kurve der Glukoseinfusionsrate in diesem Zeitraum lag bei 205 mg/kg im Gegensatz zu 122 mg/kg mit dem normalen Lispro. Die Fläche unter der Insulinkonzentrationskurve stieg proportional mit der Dosis von 102 hmU/kg bei 0,1 Einheit pro Kilo auf 444 hmU/kg bei 0,4 Einheiten, pharmakodynamisch wurde bei der Fläche unter der Kurve der Glukoseinfusionsrate während der zwölf Stunden des Clamps ein linearer Anstieg mit der Dosis von 726 über 1.357 auf 2.422 mg/kg beobachtet.
Das Biochaperone Lispro sei gut toleriert worden, Reaktionen an der Injektionsstelle keine beobachtet worden. Letzten Dezember hat Adocia mit Lilly eine Partnerschaft für die Entwicklung und Vermarktung von Biochaperone Lispro vereinbart, die Entwicklung werde aber weiter intern bei Adocia erfolgen.
Schnelleres Aspart vor Zulassungsantrag
Unter dem programmatischen Namen "Faster-Acting Insulin Aspart" entwickelt Novo Nordisk ebenfalls ein neues kurzwirksames Insulin. In Poster 994-P stellten Bruce Bode und Kollegen Daten zum Einsatz bei 43 Patienten mit Typ-1-Diabetes und Pumpentherapie vor, die Blutzuckerkontrolle zwei Stunden nach einer standardisierten Mahlzeit habe durch das noch schnellere Aspart verbessert werden können, so die Autoren.
In der 14-tägigen Studie wurden gleich zwei Formulierungen der Weiterentwicklung gegen das ursprüngliche Aspart getestet, auf dem Poster allerdings nur Daten zu der Variante präsentiert, die jetzt weiterentwickelt wird. Für den primären Endpunkt wurde die mittlere Veränderung der Plasmaglukose nach der Mahlzeit herangezogen, sie lag bei 3,03 mmol/L mit dem schnelleren Aspart und bei 4,02 mmol/L beim normalen Aspart.
Die verblindet während der Studie getragenen CGM-Systeme bestätigten laut der Autoren diese Ergebnisse, die größten Unterschiede zwischen den postprandialen Werten mit den beiden Insulinen fand man nach dem Frühstück. Die ebenfalls per CGM ermittelte Zeit mit niedrigen Glukosewerten von 3,9 mmol/L und weniger war unter normalem Aspart mit 2,45 Stunden pro Tag signifikant länger als unter schnellerem Aspart mit 2,03 Stunden.
Das Phase-3-Programm zu dem neuen Insulin heißt Onset und umfasste mehr als 2.000 Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Im März hat Novo Nordisk den erfolgreichen Abschluss des Programms bekanntgegeben. Das Unternehmen plant nach eigenen Angaben, um den Jahreswechsel herum sowohl in der EU als auch in den USA einen Zulassungsantrag zu stellen.
Histidin verlängert Glargin
Wo Aspart schneller wirkt, soll Glargin länger wirken: Das französische Start-up Elinys Bioscience will das nicht wie bei der bereits auf dem Markt befindlichen U300-Formulierung durch die Konzentration erreichen, sondern ganz klassisch durch eine Weiterentwicklung: Dem Glargin-Molekül wurde an der B-Kette ein L-Histidin-Rest hinzugefügt, damit steige die Kapazität, Zink-Ionen bei der Präzipitation nach der Injektion stärker zu binden, die Freisetzung aus dem subkutanen Depot dauere so länger. Die Hilfsstoffe seien die gleichen wie bei Glargin, so You-Ping Chan und Kollegen auf Poster 84-LB.
Auf ihm berichten sie pharmakokinetische und pharmakodynamische Daten zu diesem "Ultra-Long-Acting Glargine Analog", allerdings erst am Hundemodell mit neun Beagle. Die Hunde bekamen im Nüchternzustand vier unterschiedliche Formulierungen des neuen Insulin subkutan verabreicht, die sich im Zink-Insulin-Verhältnis und in der Insulin-Konzentration (U100 oder U300) unterschieden. Das normale Glargin diente im Crossover-Design als Vergleich. Die Wirkdauer der Weiterentwicklung betrug in der Studie mindestens 36 Stunden im Vergleich zu 20 bis 24 Stunden mit dem normalen Glargin, damit konsistent hätten auch die C-Peptid-korrigierten Insulinspiegel mindestens 36 Stunden angehalten.
Erschienen in: DiabetesNews, 2015; 14 (5) Seite 28