Putnam NM, Reynolds EL, Banerjee M, Mizokami-Stout K, Albright D, Lee J, Pop-Busui R, Feldman EL, Callaghan BC; Michigan, USA; Front Endocrinol (Lausanne). 2022;13:834978. Published 2022 Mar 4.
Fragestellung: Es sollte die Prävalenz neuropsychologischer Auffälligkeiten bei Personen mit Typ-1-Diabetes mit der entsprechenden Prävalenz bei Personen mit Typ-2-Diabetes und bei Personen ohne Diabetes verglichen werden. Weiterhin sollte der Zusammenhang zwischen Diabetesstatus, mikrovaskulären/makrovaskulären Komplikationen sowie dem neuropsychologischen Status analysiert werden.
Methode: Die Personen mit Typ-1-Diabetes wurden über eine nationale repräsentative Datenbank zu Leistungsansprüchen privat versicherter Personen identifiziert (1. 1. 2001 – 31. 12. 2018). Das „Propensity-Score-Matching“ wurde als Quasi-Randomisierungsverfahren eingesetzt, um Personen mit Typ-1-Diabetes mit Personen mit Typ-2-Diabetes und Kontrollen zu vergleichen. Der Diabetesstatus, mikrovaskuläre/makrovaskuläre Komplikationen (Retinopathie, Neuropathie, Nephropathie, Schlaganfall, Myokardinfarkt, periphere Gefäßerkrankungen, Amputationen) und der neuropsychologische Status (psychische Gesundheit, kognitive Leistungsfähigkeit, chronische Schmerzen, Sucht, Schlafstörungen) wurden anhand von ICD-9/10-Codes definiert. Mittels logistischer Regression wurden Zusammenhänge zwischen dem Diabetesstatus, mikrovaskulären/ makrovaskulären Komplikationen und dem neuropsychologischen Status ermittelt.
Ergebnis: Es wurden 184 765 Personen mit Typ-1-Diabetes in der Datenbank identifiziert, diese wurden mit 524 602 Personen mit Typ-2-Diabetes und 522 768 Kontrollpersonen verglichen. Mit Ausnahme von kognitiven Störungen wiesen Personen mit Typ-2-Diabetes die höchste Prävalenz neuropsychologischer Beeinträchtigungen auf, gefolgt von Personen mit Typ-1-Diabetes und Kontrollpersonen. Nach Adjustierung bezogen auf das Vorhandensein von mikrovaskulären/makrovaskulären Komplikationen war Typ-1-Diabetes nicht signifikant mit einem erhöhten Risiko für neuropsychologische Beeinträchtigungen verbunden, während Typ-2-Diabetes mit psychischen, kognitiven und Schlafstörungen assoziiert blieb. Das Vorhandensein von mikrovaskulären/makrovaskulären Komplikationen war unabhängig vom Diabetesstatus mit jeder neuropsychologischen Beeinträchtigung verbunden.
Schlussfolgerung: Mikrovaskuläre/makrovaskuläre Komplikationen sind unabhängig vom Diabetesstatus mit einem erhöhten Risiko für neuropsychologische Beeinträchtigungen verbunden. Daher wird die Prävention mikro- und makrovaskulärer Komplikationen möglicherweise dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit neuropsychologischer Folgen zu verringern, entweder als Ergebnis ähnlicher pathophysiologischer Prozesse oder durch die Vermeidung der direkten und indirekten Folgen dieser Komplikationen. Bei Personen mit Typ-2-Diabetes tragen neben den Komplikationen wahrscheinlich auch andere Risikofaktoren (z. B. Adipositas) zu den neuropsychologischen Beeinträchtigungen bei.
Kommentar: Auf der Grundlage dieser sehr großen Datenbasis zeigt sich vor allem für Menschen mit Typ-2-Diabetes, dass Folgeerkrankungen nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen. Diese Folgen einer unzureichenden Stoffwechseleinstellung und weiterer Risikofaktoren sollten gegenüber Betroffenen angemessen vermittelt und ggf. frühzeitig in den Behandlungsplan integriert werden. Dies gilt insbesondere für kognitive Beeinträchtigungen, die einer anspruchsvollen Therapie oft entgegenstehen. Während in anderen langfristigen prospektiven Studien, z. B. der DCCT und EDIC-Studie, eine relevante kognitive Leistungsminderung bei Typ-1-Diabetes festgestellt wurde, ergaben sich auf der Grundlage dieser großen Datenbank eines Versicherungsunternehmens keine so deutlichen Hinweise.
Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (2) Seite 49