Houben J, Janssens M, Winkler C, Besser R, Dzygalo K, Fehn A, Hommel A, Lange K, Elding Larsson H, Lundgren M, Roloff F, Snape M, Szypowska A, Weiss A, Zapardiel-Gonzalo J, Ziegler AG, Casteels K & GPPAD study group; Leuwen, Belgien; Pediatr Diabetes 2022 Nov 2; 10.1111/pedi.13448. Online ahead of print.
Ziel: In dieser Studie wurden die emotionalen Auswirkungen untersucht, die Eltern erleben, wenn sie mit einem erhöhten genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes (T1D) bei ihrem Kind konfrontiert werden. Ein bevölkerungsbasiertes Screening unter Neugeborenen auf ein genetisches Risiko für eine chronische Erkrankung birgt das Risiko einer erhöhten emotionalen Belastung für die Eltern.
Methode: Im Rahmen einer multinationalen Längsschnittstudie wurde mit Hilfe eines Fragebogens das Wohlbefinden der Eltern von Säuglingen, bei denen ein erhöhtes Risiko für T1D festgestellt wurde, untersucht. Dazu wurden die Eltern gebeten, den Fragebogen (PHQ-D und krankheitsspezifische Ängste) zu beantworten, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass ihr Kind ein erhöhtes Risiko für T1D hat (Freder1k-Studie), sowie zu verschiedenen Zeitpunkten während einer Interventionsstudie (POInT-Studie), bei der täglich orales Insulin verabreicht wurde.
Ergebnisse: Es wurden Daten von 2 595 Eltern von 1 371 Kindern aus fünf Ländern erhoben. Krankheitsspezifische Ängste wurden bei einer größeren Gruppe von Eltern (47,2 %) während der Interventionsstudie festgestellt. Panikartige Angstsymptome wurden nur von 4,9 % der Eltern angegeben, nachdem sie von dem erhöhten Risiko ihres Kinds erfahren hatten. Depressive Symptome traten bei 19,4 % der Eltern zum Zeitpunkt der Ergebnismitteilung auf und nahmen im Laufe der Interventionsstudie ab. Mütter sowie Eltern mit einem Verwandten ersten Grades (FDR) mit T1D berichteten über mehr Depressionssymptome und krankheitsspezifische Ängste (p < 0,001) als Väter und Eltern ohne einen FDR.
Schlussfolgerung: Insgesamt sind die Symptome von Depression und Panikattacken bei diesen Eltern vergleichbar mit denen in der deutschen Allgemeinbevölkerung. Allerdings wurde in der Interventionsstudie eine starke Ausprägung krankheitsspezifischer Angst festgestellt. Dies sollte bei bevölkerungsbasierten Screenings berücksichtigt werden. Da bestimmte Gruppen stärker gefährdet sind, ist es wichtig, das psychologische Screening fortzusetzen und bei Bedarf Unterstützung durch ein erfahrenes, multidisziplinäres Team anzubieten.
Kommentar: Eine effektive primäre Prävention des Typ-1-Diabetes setzt eine möglichst frühe Identifikation von Kindern mit relevant erhöhtem Risiko voraus. Die Freder1k-Studie in Deutschland und vergleichbare Studien international ermöglichen ein solches Risikoscreening nach der Geburt. Den Eltern wird bei einem positiven Screeningergebnis die Teilnahme an einer Studie zur Prävention des Typ-1-Diabetes angeboten. Bisher liegt jedoch noch kein erfolgreiches Präventionskonzept vor. Die vorliegende Studie sollte klären, wie ausgeprägt die emotionalen Folgen des Screening-Ergebnisses für Familien sind und welche Konsequenzen daraus für Studien zur Primärprävention des Typ-1-Diabetes gezogen werden sollten. Durch qualifizierte Beratung und Schulung zum Diabetesrisiko des Kinds war die Belastung der meisten Eltern sehr gering. Einzelne bereits durch hohe eigene psychische Belastungen und negative Diabeteserfahrungen geprägte Mütter und Väter benötigten dagegen umfassendere Unterstützung, die bei weiteren Studien vorgehalten werden sollte.
Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (6) Seite 49-50