Diabetes muss als länderübergreifende Aufgabe verstanden werden. Das haben die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE im Vorfeld der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder im Juni betont.

Die konkrete Ausgestaltung der nationalen DiabetesStrategie müsse auf Länderebene endlich durch gemeinsame Maßnahmen vorangetrieben werden, so die beiden Organisationen.

Koalitionsvertrag gibt’s vor

Auf Bundesebene und mit einer nationalen Diabetes-Strategie will die Große Koalition in diesem Jahr endlich Volkskrankheiten gezielt bekämpfen (wir berichteten mehrfach). So steht es im Koalitionsvertrag. Weitere Schwerpunkte sind u.a. die Prävention chronischer Erkrankungen, insbesondere die Entwicklung einer nationalen Strategie zur Reduzierung von Übergewicht – dies vor allem bei Kindern und Jugendlichen.

"Die Länder sollten ihre Anstrengungen zur Umsetzung gemeinsam koordinieren, damit kein Flickenteppich entsteht", sagt der DDG-Präsident Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland. Und Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, ergänzt: "Auf der Agenda der GMK für 2018 stehen die sektorenübergreifende Versorgung, Prävention und Patientenorientierung. Diese Kernthemen nennt auch der Koalitionsvertrag, sie müssen jetzt mit Leben gefüllt werden – sowohl im Hinblick auf die nationale Diabetes-Strategie als auch auf die Überarbeitung des Präventionsgesetzes".

Regional große Unterschiede

  • In Deutschland haben fast 7 Millionen Menschen Diabetes. Etwa 1 000 Neuerkrankungen kommen täglich hinzu.
  • Laut Deutschem Gesundheitsbericht Diabetes 2018 zeigen neue Analysen deutliche Unterschiede in der Krankheitshäufigkeit des Typ-2-Diabetes in den einzelnen Ländern.
  • So lag die Prävalenz im Osten Deutschlands im Jahr 2015 mit 11,6 Prozent deutlich über der Schätzung in Westdeutschland mit 8,9 Prozent.
  • Die niedrigsten Zahlen mit weniger als 8 Prozent zeigten sich in großen Regionen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens, in Baden-Württemberg und Südbayern. Spitzenwerte von über 12 Prozent fanden sich in kleineren Regionen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
  • Auch im Westen Deutschlands war die Prävalenz vor allem im Saarland und in großen Teilen Baden-Württembergs erhöht. Ähnliche regionale Unterschiede mit einem deutlichen Nord-Ost/Süd-Gefälle finden sich auch bei der Verbreitung von Prädiabetes, einer Vorstufe von Diabetes, und unentdecktem Diabetes.
  • Die Zahl der Neuerkrankungen von Typ-2-Diabetes langfristig zu senken, könne nur mit einer flächendeckenden Verhältnisprävention gelingen, erklärt die DDG. Von gesünderen Lebensverhältnissen könnten langfristig vor allem junge Menschen und Personen profitieren, für die Gesundheitsinformationen schwer zugänglich sind. Die Länder sollten sich deshalb zu den einheitlichen Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für KiTa- und Schulernährung verpflichten, so Müller-Wieland – und die Minister der GMK gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz eine verbindliche Regelung abstimmen.

Nationales Diabetes-Register weiterhin gefordert

Ein wesentlicher Baustein der Diabetes-Strategie ist das nationale Diabetes-Register. Die Vernetzung vorhandener, partieller Diabetes-Register und langfristig der gemeinsame Aufbau eines nationalen Diabetes-Registers müssen sein, um die Versorgungsqualität in den einzelnen Bundesländern zu verbessern, so DDG und diabetesDE.

In Deutschland gibt es heute schon 2 bundesweite, etablierte Diabetes-Register: die "Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation" (DPV) und die "Diabetes-Versorgungs-Evaluation" (DIVE). Gemeinsam bilden die Register DPV und DIVE mehr als 500.000 Patienten mit Diabetes ab. Es zeigt sich, dass von ihnen etwa 80.000 Erwachsene Typ-1-und 400.000 Typ-2-Diabetes haben. Erste Daten-Analysen von Patienten mit Typ-2-Diabetes aus diesen beiden Registern deuten auf die genannten großen Unterschiede zwischen den Bundesländern hin.

Gesetzliche Vorgaben in Skandinavien

Anhand dieser Register-Daten können die Forscher konkrete Informationen aus der Versorgungsroutine auswerten, die über Verschreibungs- oder Kassendaten hinausgehen. "In Skandinavien gibt es eine gesetzliche Vorgabe, Erkrankungsverläufe und deren Behandlung lückenlos zentral zu erfassen. Dies könnte auch hierzulande Millionen von Patienten helfen, eine wirksamere Versorgung zu erhalten", erklärt Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG.

Nationale Diabetes-Strategie in den Ländern
Die konkrete Ausgestaltung der nationalen Diabetes-Strategie auf Länderebene haben DDG und diabetesDE vor kurzem gefordert. Anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) 2018, die im Juni stattfand, appellierten sie an die Länder, gemeinsam konkrete Maßnahmen zur strukturierten Verbesserung der Diabetesversorgung einzuleiten.

Auf der Agenda der GMK standen die sektorenübergreifende Versorgung, die Prävention und die Patientenorientierung. Konkrete Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Diabetes-Register und Diabetes-Surveillance

Um die Aktivitäten bestehender dezentraler Diabetes-Register zu bündeln, zu vernetzen und langfristig ein nationales Register aufzubauen, hat die DDG die "Kommission Versorgungsforschung und Register" gegründet. Denn für repräsentative Aussagen, die für ganz Deutschland und im langfristigen Verlauf gelten, sei auf Dauer unbedingt ein nationales Diabetes-Register notwendig, erklärt Prof. Dr. Jochen Seufert, Tagungspräsident des diesjährigen Diabetes Kongresses, der im Mai in Berlin stattfand.

An einer "Diabetes-Surveillance" für Deutschland arbeitet derzeit die Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring des Robert Koch-Instituts. Ziel ist der Aufbau einer regelmäßigen Diabetes-Berichterstattung. Dafür sollen alle verfügbaren Datenquellen auf Bundes-, Länder- und Selbstverwaltungsebene gebündelt werden. "Durch die Struktur und den Ansatz der nationalen Diabetes-Surveillance können jedoch nicht alle Fragen zur Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus flächendeckend beantwortet werden", sagt Seufert.

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Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
Tel.: 06131/96070-0, Fax: 06131/9607090

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (7/8) Seite 6-7