Interview mit dem Menarini-Preisträger 2020 Elric Zweck über Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes und seine Forschung zum Einfluss von Ketonkörpern und Intervallfasten als möglichem therapeutischem Ansatz.
DiabetesNews (DN): Welche Rolle kann Typ-2-Diabetes beim progredienten Verlauf einer Postinfarkt-Herzinsuffizienz spielen?
Elric Zweck: Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus haben zunächst einmal per se ein höheres Herzinfarktrisiko. Aus einem Herzinfarkt heraus kann sich eine Herzmuskelschwäche entwickeln. Etwa zwei von fünf Patienten mit Herzinsuffizienz sind auch an Diabetes erkrankt und haben noch einmal eine niedrigere Lebenserwartung als Herzinsuffizienzpatienten ohne Diabetes. In den letzten Jahren wird deshalb intensiv daran geforscht, wie diese Probleme gelöst werden können, von der Prävention des Myokardinfarkts bis zum Verbessern des Überlebens danach.
DN: Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen einer hohen Ketonkörper-Konzentration im Blut und einer Verbesserung der kardialen Leistung bei Patienten mit Herzinsuffizienz?
Zweck: Die Herzinsuffizienz ist ein komplexes Krankheitsbild mit vielen Komponenten. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Herzfunktion unzureichend ist: Das Myokard hat nicht genug Energie und Kraft, um den Körper ausreichend mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Normalerweise werden im Herzen energiereiche Stoffe wie Fette, Zucker und Eiweiße sehr effizient verwertet, wobei Fette etwa 70 Prozent ausmachen. Dies geschieht in Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, die neben diesen Nährstoffen Sauerstoff verbrauchen und daraus Energie zur Verfügung stellen. Bei Herzinsuffizienz funktioniert das nicht mehr: Aufgrund verschiedener Mechanismen kann das Herz schlechter Fette abbauen, zudem ist die Mitochondrienfunktion ebenfalls massiv eingeschränkt. Man kann das insuffiziente Herz also als eine Maschine ohne Treibstoff bezeichnen.
Ketonkörper sind in dieser Hinsicht ein Joker. Sie sind Energiespeicher, die der Körper anlegt, um im Bedarfsfall schnell Energie zur Verfügung zu haben. Normalerweise decken sie weniger als zwei Prozent des kardialen Energiebedarfs. Da aber die anderen Treibstoffe für das Herz nicht mehr effizient verwertet werden können, weicht der Körper auf diesen alternativen Treibstoff aus.
DN: Könnte eine Erhöhung der Ketonkörper-Konzentration zum Beispiel durch eine diätetische Maßnahme einen ähnlichen Effekt erzielen, Stichwort Intervallfasten?
Zweck: Ja, genau. Ketonkörper werden normalerweise in längeren Fastenperioden hergestellt. Dies ergibt sich aus der Evolution des Menschen: In der Urzeit konnte er ja auch nicht rund um die Uhr an den Kühlschrank gehen, so hat sich der Körper an längere Hungerphasen angepasst. Durch das sogenannte Intervallfasten lassen sich vergleichbar hohe Ketonkörperspiegel erzeugen. Theoretisch wäre es auch möglich, durch die Infusion von Ketonkörpern beim Arzt einen noch höheren Ketonkörperspiegel zu erreichen, doch das wäre ziemlich aufwendig für das Gesundheitssystem. Wir vermuten, dass der Effekt des Intervallfastens bereits ausreicht, um Herzinsuffizienz-Symptome zu lindern.
DN: Wie möchten Sie diese These untersuchen? Könnten Sie uns kurz Ihr Forschungsvorhaben erklären?
Zweck: Wir möchten zeigen, welche Effekte das Intervallfasten auf den Herz-Stoffwechsel nach einem Myokardinfarkt hat. Dazu untersuchen wir bei Postinfarkt-Herzinsuffizienz mittels Magnetresonanztomografie, ob Intervallfasten einen Effekt auf die Herzleistung hat. Anschließend untersuchen wir, ob im Herzen auch tatsächlich mehr Ketonkörper vorhanden sind, die in Energie umgewandelt werden können. Wir haben dazu im Deutschen Diabetes-Zentrum eine Goldstandard-Methode zur Messung von Mitochondrien, die sogenannte hochauflösende Respirometrie, weiterentwickelt, indem wir Protokolle entworfen haben, die spezifische Rückschlüsse auf die Verwertung von Ketonkörpern im Herzen zulassen. Hinzu kommen noch weitere Tests, mit denen wir die Leistung und Funktion der Mitochondrien nach Intervallfasten überprüfen.
DN: Wie könnten sich Ihre Erkenntnisse auf die Therapie von Diabetespatienten mit Herzinsuffizienz auswirken?
Zweck: Für Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz gab es lange Zeit keine spezifischen Therapien. In den letzten Jahren haben bestimmte orale Antidiabetika Erfolge dabei erzielt, die Prognose zu verbessern. Sollten wir zeigen können, dass sich Intervallfasten positiv auf die Herzfunktion auswirkt und in klinischen Studien die Prognose tatsächlich verbessert werden kann, wäre diese Ernährungsform eine potenzielle Maßnahme für diese Patientengruppe und könnte, in Kombination mit diesen Antidiabetika, die positiven Effekte auf die Funktion des Herzens noch zusätzlich steigern.
Erschienen in: DiabetesNews, 2020; 19 (4) Seite 12