Laut aktuellen Informationen droht die im Koalitionsvertrag 2018 beschlosse Nationale Diabetesstrategie zu scheitern, da Politiker des Ernährungsausschusses sich gegen einen Passus im Entwurf zu Ernährungsfragen stellen, der vor allem dem Schutz der Kinder dient. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE kritisieren das Handeln der Regierung als unverantwortlich.

Über eine halbe Million Deutsche erkranken jedes Jahr neu an Diabetes mellitus. Neben dem persönlichen Leid sind auch die Behandlungskosten dieser Volkskrankheit beträchtlich: Die Versorgung der Patienten inklusive der Begleit- und Folgeerkrankungen von Diabetes kostet den Staat jährlich über 21 Milliarden.

„Es ist seit Jahren bekannt, dass die Prävention, Früherkennung, Erforschung und Versorgung der Volkskrankheit Diabetes politisch konsequent angegangen werden muss und keinen Aufschub mehr duldet“, erklärt Professor Dr. med. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).

Ernährungsausschuss stellt sich gegen wesentliche Punkte

Im vergangenen Jahr hatte sich die Koalition weitgehend auf Kernpunkte einer Nationalen Diabetesstrategie zur Bekämpfung steigender Erkrankungszahlen geeinigt. Bis heute scheinbar nicht überwindbarer Widerstand kommt aus dem Ausschuss für Ernährung, der sich an den Zielformulierungen im Ernährungsteil des Papiers entzündet und nun das gesamte Vorhaben gefährdet.

Im Kern geht es um Maßnahmen zur verbindlichen Zuckerreduktion in Lebensmitteln sowie ein Werbeverbot zuckerhaltiger Lebensmittel für Kinder. „Wissenschaftlich ist belegt, dass diese Maßnahmen wirken, da sie einerseits Auswirkungen auf das Kaufverhalten haben, andererseits die Hersteller animieren ihre Rezepturen gesünder zu gestalten. Wir halten diese Aspekte für essentiell bei der Umsetzung einer Nationalen Diabetesstrategie“, erklärt Barbara Bitzer, DDG-Geschäftsführerin.

„Es ist unstrittig, dass ungesunde Ernährung einen großen Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes darstellt. Daher ist es zwingend notwendig, allen Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidung für eine gesunden Ernährung zu erleichtern.“

Ohne verbindliche Ernährungsmaßnahmen droht Gesamtstrategie zu scheitern

„Die Koalition muss nun Vertragstreue beweisen und das im Koalitionsvertrag gemeinsam beschlossene Vorhaben endlich umsetzen. Es ist unverantwortlich, dass anscheinend einseitige Interessen der Lebensmittelindustrie einen größeren Stellenwert haben als dringend notwendige Strukturveränderungen in der Diabetesversorgung und -prävention, und dadurch das gesamte Vorhaben zu kippen droht“, kritisiert Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe.

Mit einem Scheitern der Nationalen Diabetesstrategie verspiele die Regierung ihre Glaubwürdigkeit und komme ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach. Gerade jüngst hatten in einer Umfrage der Deutschen Diabetes-Hilfe 86 Prozent der befragten Menschen mit Typ-2-Diabetes kundgetan, dass Sie sich nicht angemessen von der Politik vertreten fühlen, so der Hamburger Diabetologe.

„Ohne verbindliche Ernährungsmaßnahmen droht die Gesamtstrategie gegen den Anstieg von Diabetes und Adipositas zu scheitern“, warnt Professor Dr. Andreas Neu, DDG-Vizepräsident und Oberarzt in der Diabetes-Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen.

„Die Zuckerreduktion in Lebensmitteln für Kinder und Verbote von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, ist unverzichtbar für den gesundheitlichen Schutz künftiger Generationen“, konstatiert Neu. Erst kürzlich zeigte eine Studie, dass Werbung einen größeren Einfluss auf das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen ausübt als deren Eltern.

Scheitern der Diabetesstrategie wäre „ein Armutszeugnis“

Die Fachverbände appellieren nachdrücklich an die verantwortlichen Politiker, die Nationale Diabetesstrategie weiter voranzutreiben und dringen darauf, verhältnispräventive Maßnahmen unbedingt zu berücksichtigen. Seit Jahren fordern Diabetes-Verbände ein politisches Gesamtkonzept für mehr Diabetesprävention und eine bessere medizinische Versorgung.

„Andere EU-Länder sind uns weit voraus und haben bereits eine Diabetesstrategie oder einen Aktionsplan“, betont Bitzer. Es sei für das bevölkerungsreichste europäische Land mit einem großen Diabetes-Problem ein Armutszeugnis, das nicht zu schaffen.



Quelle: gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe