Es muss nicht immer die bariatrische OP sein: Mit einem endoskopischen Verfahren könnte derselbe Effekt auf metabolische Hormone aus dem Duodenum erzielt werden. Eine Studie unter anderem in Düsseldorf untersucht es derzeit.

Der Traum einer kausalen Therapie des Diabetes lebt. Beim multikausalen Typ 2 gibt es naturgemäß mehrere Ansatzpunkte, einen innovativen stellte Prof. Dr. med. Horst Neuhaus auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Internistenkongresses Mitte April in Mannheim vor. Ein neues endoskopisches Verfahren strebe das gleiche Ziel an, das auch bei bariatrischen Operationen mit Ausschalten des Zwölffingerdarms von der Nahrungspassage erreicht wird.

"Resetting" der falsch adaptierten Schleimhaut

Die duodenale Schleimhaut wird über einen speziellen Ballon der US-amerikanischen Firma Fractyl zehn Sekunden auf 90 °C erhitzt und anschließend wieder abgekühlt. Sie verschorft unter Schonung tieferer Gewebeschichten, eine neue Mukosa bildet sich, die, so würden tierexperimentelle und erste klinische Daten zeigen, nicht mehr oder zumindest verringert stoffwechselaktive Hormone bilden würde. Beim Diabetiker komme es, so erklärte Neuhaus die Rationale, zu einer vermehrten Bildung von Zellen des Zwölffingerdarms, die unter anderem solche Hormone ausschütten.

Bekanntermaßen kommt es nach bariatrischer Chirurgie sehr schnell zu einer Verbesserung der Diabeteseinstellung, noch bevor Patienten Gewicht abgenommen haben. Als Resetting der infolge einer kohlenhydratreichen, ungesunden Ernährung falsch adaptierten Schleimhaut beschrieb der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des Evangelischen Krankenhauses Düsseldorf das Prinzip des neuen Verfahrens.

30 Patienten, sehr vielversprechende Ergebnisse

In einer ersten Studie seien 30 Patienten mit unkontrolliertem Diabetes in Chile mit dem Duodenal Mucosal Resurfacing (DMR) genannten Verfahren behandelt worden, ihr HbA1c sank von im Mittel 9,2 auf 7,1. "Sehr, sehr vielversprechend" nannte Neuhaus diese Ergebnisse, der Effekt habe über sechs Monate angehalten, berichtete er.

Vorgestellt wurden die Daten Ende August 2014 auf dem Kongress der International Federation for the Surgery of Obesity and Metabolic Disorders in Montreal von Leonardo Rodriguez und Kollegen. Sie berichten von einem Patienten, der durch die Prozedur eine Duodenalstenose erlitt, die per Ballondilatation behoben werden konnte. Der Eingriff wird laut Neuhaus wie bei anderen Endoskopien unter tiefer Sedierung oder gegebenenfalls unter Narkose durchgeführt, sei technisch nicht sehr anspruchsvoll und dauere etwa eine Dreiviertelstunde.

Teilnahme an europäischer Multicenter-Studie

Die Düsseldorfer Klinik will laut Neuhaus ebenso wie Kliniken in Hamburg und Regensburg an einer europäischen Multicenter-Studie zu dem endoskopischen Verfahren teilnehmen, man hoffe vielleicht schon auf dem nächsten DGIM erste Ergebnisse präsentieren zu können, so Neuhaus. Zum Zeitpunkt des diesjährigen Kongresses sei man allerdings noch in Diskussionen mit der Ethikkommission sowie dem BfArM gewesen.

In die Studie sollen bisher oral behandelte Patienten eingeschlossen werden. Es sei auch geplant, Gewebsproben aus der Schleimhaut des Duodenums vor und nach dem Eingriff zu entnehmen, um den Anteil der enteroendokrinen Zellen zu bestimmen.

Doppelblinde, sham-kontrollierte zweite Studien-Phase ab 2016

Mitte Juli hat Fractyl mitgeteilt, dass in die Revita-1 genannte Studie die ersten mehr als zehn Patienten eingeschlossen worden seien. Revita ist der Markenname des speziellen Ballons. In der Pressemeldung wird Dr. Geltrude Mingrone von der Università Cattolica del Sacro Cuore in Rom zitiert, an deren Zentrum im Rahmen der Studie bereits vier Patienten behandelt worden seien, zu zweien existierten bereits Erfahrungen über einen Monat, "sie scheinen gut zufrieden zu sein mit dieser minimalinvasiven Prozedur", so Mingrone. Auf http://clinicaltrials.gov sind bisher neben dem chilenischen Zentrum, das auch schon die Pilotstudie durchgeführt hat, Kliniken aus Belgien, Italien, den Niederlanden und Großbritannien aufgeführt.

Fractyl kündigte in der Pressemeldung an, dass eine doppelblinde, sham-kontrollierte zweite Phase der Studie 2016 beginnen soll, sie solle bis zu 240 Patienten umfassen. Neben der Wirkung der Methode müsse auch das in der Pilotstudie gefundene Risiko für Engstellungen durch Vernarbungen des Zwölffingerdarms in der Studie untersucht werden, betonte Neuhaus, bezeichnete die Prozedur mit diesem Caveat aber als einen "schonenden Eingriff".

Weniger invasive Variante des Endobarrier-Prinzips

Das Revita-System verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie der Endobarrier genannte Schlauch, der ebenfalls auf endoskopischem Weg im Zwölffingerdarm implantiert wird und durch den keine Nahrung mit diesem in Kontakt kommen soll. "Aber das ist relativ invasiv", die US-amerikanische FDA habe zudem eine große Mulitcenter-Studie mit dem Endobarrier aufgrund eingetretener Komplikationen im Augenblick pausieren lassen, berichtete Neuhaus.

"Extrem spannend" sei was auf dem Gebiet insbesondere der gastrointestinalen Endoskopie passiert, kommentierte in Mannheim Prof. Dr. med. Hendrik Lehnert, Konferenzpräsident der Medica Education Conference 2015, in deren Rahmen am 17. November ein Schwerpunkt endoskopische Methoden sind. Sie hätten in Lübeck auch lange die Endobarrier-Methode angewendet, seien jetzt aber zurückhaltender geworden, deutete er Komplikationen mit dieser Methode an.



Autor: Marcus Sefrin
Chefredakteur DiabetesNews
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Erschienen in: DiabetesNews, 2015; 14 (5) Seite 12