Die Diabetestechnologie-Veranstaltung DiaTec fand mittlerweile zum 8. Mal in Berlin statt und hat sich zu einer festen Größe in der Diabetes Fortbildungslandschaft etabliert. In den letzten Jahren wurden Themen behandelt wie "Safety First", "Digitalisierung" oder "Artificial Pancreas – Die Kunst des Heilens". Das Thema der diesjährigen DiaTec-Veranstaltung lautete Telemedizin.

An zwei Tagen wurde in Symposien, Seminarblöcken und Workshops über das Thema Telemedizin berichtet, informiert und vor allem diskutiert. Im ersten Themenblock wurden die Zuhörer von Prof. Dr. Dipl.- Psych. Bernhard Kulzer, Diabetes-Zentrum Mergentheim, in das Thema Telemedizin mit einem Überblick eingeführt. Im Anschluss berichteten Sean Monks, München, über ein Telemedizinisches Projekt in der Pädiatrie, Dr. med. Dirk Hochlenert, Köln, über das Zweit-Meinungs-Verfahren Fuß und Prof. Dr. med. Martin Kuhlmann, Berlin, über Telemedizin in der Nephrologie. Insbesondere sollten hier bereits bestehende Möglichkeiten der Telemedizin dargestellt werden.

Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2019 (D. u. T.)

Kulzer stellte den Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2019 (D.u.T.) vor. An der Befragung für den Report haben deutschlandweit 422 Diabetologen aus 17 Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen teilgenommen. Die meisten Antworten kamen aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern.


Erfreulicherweise stehen 79,6 % der Befragten Diabetologen der Digitalisierung positiv gegenüber. Die Diabetologen versprechen sich eine bessere Behandlungsqualität und effizientere Arbeitsabläufe durch Digitalisierung im medizinischen Alltag.

Im Themenkomplex Telemedizin beziehen sich die Fragen auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Nutzen für die Praxis. Hier zeigt sich, dass die Mehrheit die gesetzlichen Rahmenbedingungen für nicht ausreichend hält und der Telemedizin nicht zutraut den Praxisalltag zu verbessern.


Im Ranking der Digitalisierung nimmt die Telemedizin im Report nur Platz 5 ein, nach Auslese-Software, Kompatibilität, Patienten Decision Support Systemen und Physician Support Systemen.

Monks stellte das telemedizinische Projekt PädExpert vor, welches bereits in der Anwendung ist. PädExpert ist ein Telemedizin-Projekt für Pädiater und Allgemeinmediziner in der Kinderbetreuung. Dieses Projekt soll vor allem die Therapie von chronischen und seltenen Erkrankungen im Kindesalter verbessern. Medizinische Expertise soll auch in ländlichen Regionen zur Verfügung stehen, in denen ein Facharzt für Kinderheilkunde nicht vorhanden ist. Verschiedene Krankenversicherungen nehmen an dem Projekt teil. Der Hausarzt des Kindes stellt eine Online-Konsultation in das Portal. Die teilnehmenden Fachärzte erhalten eine Nachricht per Mail, können sich dann in das Online-Portal einloggen und eine Diagnose und ggf. Therapieoption in der Maske des Portals hinterlegen. Die Kommunikation erfolgt online.


Das Arzt-Patienten-Gespräch führt der behandelnde Hausarzt mit dem Patienten im Anschluss selbst. So bleibt der bekannte Ansprechpartner für den Patienten bestehen.

Es konnte bereits in der Pilotphase des Projektes eine Zeitersparnis zur Diagnosestellung von 12 Tagen erzielt werden. Es entfallen lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin und für die Patienten Wartezeiten in der Arztpraxis. Die Vergütung erfolgt über Selektivverträge.

Zweitmeinung bei Amputationsindikation

Hochlenert berichtete über ein telemedizisches Projekt zur Zweitmeinung bei Amputationsindikation bei Diabetischem Fußsyndrom.


Besteht die Indikation zur Amputation wird ein weiterer Facharzt zu dem Fall hinzugezogen, um die Amputationsdiagnose zu bestätigen oder zu revidieren.

Voneinander und miteinander Lernen für einen effektiveren Umgang mit einem Diabetischen Fußsyndrom hilft die Qualität der Versorgung der Patienten mit Fußproblemen in der Fläche zu verbessern. Hier ist der telemedizinische Ansatz ein hilfreiches Instrument für alle Beteiligten. Unterschiedliche Fachrichtungen können so in Kommunikation treten und Lösungen erarbeiten. Durch den digitalen Ansatz können auch Experten zusammengebracht werden, die räumlich weit voneinander getrennt arbeiten.

Telemedizin der Nephrologie

Kuhlmann berichtete über die Möglichkeiten von telemedizinsichen Ansätzen in der Nephrologie anhand der Heimdialyse. Eine Heimdialyse kann über 1 000 km Entfernung erfolgreich durchgeführt werden, mit digitaler Übermittlung von Datensätzen. Nephrologische Kontrolle vor Ort ist nicht erforderlich, es werden lediglich Laborkontrollen benötig. Eine rechtliche Grundlage zur Fernbehandlung fehlt jedoch, sodass sich der Patient einmal pro Quartal in der Praxis vorstellen muss.

Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche

Im Anschluss an den Blick über den Tellerrand wurden im Symposium Block II konkrete diabetologische telemedizinische Projekte vorgestellt.


Ein erfolgreiches Projekt aus der Telemedizin ist die virtuelle Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche.

Dr. Simone von Sengbusch, die das Projekt als Studienleiterin an der Universitätsklinik Schleswig Holstein in Lübeck betreut, berichtete über ihre Erfahrungen mit der Durchführung des Projekts, über technische Hürden aber auch menschliche Hürden, sowohl auf ärztlicher Seite als auch auf Patienten-Seite. Es ist bei allen Beteiligten viel Schweiß geflossen, bis ein reibungsloser Ablauf der Online-Konsultationen erfolgen konnte. Auch in diesem Projekt bleibt der Patient in der Behandlung seines bekannten Diabetesteams. Zusätzlich wird ein telemedizinischer Termin alle 4 Wochen ergänzt. Der Patient muss zu den Terminen die Diabetesdaten in einer Software seiner eigenen Wahl online stellen. Die Übermittlung der Daten erfolgt verschlüsselt.

LibreView

Weitere Projekte sind die webbasierte Auslesesoftware LibreView bei iscCGM-Nutzung. Auch hier muss der Patient seine Daten online in einer Software zur Verfügung stellen, so können dann im Anschluss per Telefon oder Video-Konferenz die Glukosedaten zeitnah besprochen werden. Der Patient kann sich zwischen den Routineterminen in der Praxis schnell über telemedizinische Kanäle Hilfe einholen. Auch bei älteren Patienten können telemedizinische Ansätze die Versorgung vereinfachen und verbessern. Der Besuch einer Schwerpunktpraxis wird im Alter beschwerlicher und kann zum Teil nicht mehr allein erfolgen.


Im praktischen Alltag fehlen noch einfache Zugänge zu telemedizinischen Lösungen und ein flächendeckendes Netz im ländlichen Raum.

Dr. Karin Schlecht aus Thüringen berichtete über die Möglichkeiten, Telemedizin in Deutschland zu nutzen. Die Abrechnungszahlen aus Thüringen sind aber eher ernüchternd mit weniger als 10 abgerechneten Ziffern für eine telemedizinische Kommunikation.

TeLIPro – Telemedizinisches Lebensstil-Interventions-Programm für Typ-2-Diabetiker

Ein weiteres Thema sind telemedizinische Coaching Projekte. Hier wurde das TeLIPro – Telemedizinisches Lebensstil-Interventions-Programm für Typ-2-Diabetiker vorgestellt. Das Projekt soll eine patientenzentrierte, individuelle und persönliche Betreuung bieten.


Der Patient soll mit Hilfe von Coaches an einen gesunden Lebensstil herangeführt werden. Die Patienten erhalten ein telefonisches Coaching durch einen speziell ausgebildeten Gesundheitscoach.

Die Gespräche mit dem Gesundheitscoach beziehen sich auf die Themen Ernährung, Bewegung, Diabetes und Motivation. Eine Medikamentenanpassung oder Insulindosistitration sind beim Coaching nicht vorgesehen.

Nach den Beiträgen und Vorträgen, aber auch in den Workshops und Pausen wurde, wie es auf dem DiaTec üblich ist, viel diskutiert. Telemedizin bietet viel Raum und Platz für Diskussionen. Hilft Telemedizin konkret den Praxisalltag zu verbessern, Arbeitsabläufe zu vereinfachen oder die Patientenversorgung zu verbessern? Werden klassische ärztliche Handlungen durch Coaching an neue Dienstleister im Gesundheitswesen abgetreten? Mischen sich Krankenkassen zu sehr in die Therapie des Diabetes ein? Ist es nicht sinnvoll, Coachingprojekte in der Diabetologie durch die Schwerpunktpraxen und Kliniken anzubieten? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen existieren für Telemedizin? Was gibt es für Abrechnungsmöglichkeiten?

DiaTec und Telemedizin, ein Thema zum Diskutieren, Ausprobieren und Visionen schaffen für eine Optimierung der Versorgung von Menschen mit Diabetes in Deutschland. Telemedizin, ein Thema mit Zukunft, indem jetzt die Weichen gestellt werden für die Struktur und Organisation im Gesundheitsmarkt.

Fazit
  • Telemedizin bietet in der Versorgungsstruktur neue Möglicheiten und Ansätze, die Behandlung von Menschen mit Diabetes zu optimieren und vielseitiger zu gestalten.
  • Es ist jetzt der Zeitpunkt diese neuen Ansätze mitzugestalten, insbesondere aus diabetologischer Sicht.

Literatur
1. Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2019 (D.u.T.)



Autorin: Sandra Schlüter
Die Diabetespraxis Northeim
Nagel-Reuper/Schlüter/Tytko
Mühlenstraße 26
37154 Northeim

Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2019; 19 (2) Seite 18-22