Hilgard D, Konrad K, Meusers M, Bartus B, Otto KP, Lepler R, Schober E, Bollow E, Holl RW; Herdecke; Deutschland

Einführung: Die Interaktion zwischen Typ-1-Diabetes (T1DM) und einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wurde bisher selten untersucht. Die Autoren vergleichen hier die Qualität der Stoffwechseleinstellung von Kindern und Jugendlichen mit T1DM und ADHS mit der von T1DM Patienten ohne ADHS.

Methodik: Auxiologische und Behandlungsdaten von 56 722 pädiatrischen Patienten (< 20 Jahre) mit T1DM des multizentrischen DPV (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) Registers wurden analysiert. Patienten mit T1DM und komorbider ADHS wurden Patienten ohne ADHS gegenübergestellt. Dazu wurden multivariable gemischte Regressionen mit Adjustierung hinsichtlich demografischer konfundierender Faktoren durchgeführt.

Ergebnisse: Die Autoren identifizierten 1 608 (2,83 %) Patienten mit einer ADHS, davon waren 80,8 % männlich. Patienten mit einer komorbiden ADHS wiesen zweimal häufiger eine diabetische Ketoazidose auf als Patienten ohne ADHS [10,2 (9,7 – 10,8) vs. 5,4 (5,3 – 5,4)] (p < 0,0001). Ebenso ergaben sich signifikante Unterschiede im HbA1c [8,6 % (7,3 – 9,4); 66,7 mmol/mol (56,3 – 79,4) vs. 7,8 % (7,0 – 9,0); 62,1 mmol/mol (53,2 – 74,7)], bei der Insulindosis/kg [0,9 E/kg (0,7 – 1,1) vs. 0,8 E/kg (0,7 – 1,0)], beim Body-Mass-Index (standard deviation score) (BMI-SDS) [0,2 (-0,5 – 0,8) vs. 0,3 (-0,3 – 0,9)], beim Körpergewicht (SDS) [0,1 (-0,5 – 0,8) vs. 0,3 (0,3 – 0,9)]; (alle p < 0,0001) und beim adjustierten systolischen Blutdruck [Mittelwert: 116,3 vs. 117,1 mmHg)]; (p < 0,005).

Schlussfolgerung: Pädiatrische Patienten mit einer ADHS und T1DM weisen eine schlechtere Stoffwechseleinstellung auf als Patienten ohne eine ADHS. Eine engere Zusammenarbeit zwischen spezialisierten pädiatrischen Diabetesteams und pädiatrisch psychiatrischen/psychologischen Behandlern ist notwendig, um die Diabetesversorgung und die Stoffwechseleinstellung in dieser Patientengruppe zu verbessern.

Kommentar: Zunächst ist auffällig, dass die ADHS-Prävalenz in dieser Stichprobe geringer ist, als in aktuellen Publikationen zur ADHS-Prävalenz bundesweit angegeben wird. Die Gründe sollten geklärt werden. Die Doppelerkrankung stellt für Kinder und deren Familien eine hohe Belastung dar. Es bleibt zu analysieren, welches Therapiekonzept dem schwankenden Insulinbedarf und der begrenzte Steuerungsfähigkeit im Alltag am ehesten gerecht werden kann.



Autorin: Prof. Dr. rer. nat. Karin Lange
Diplom-Psychologin, Fachpsychologin Diabetes DDG
Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover

Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2016; 16 (5) Seite 49