Am 5. und 6. November fand die Diabetes-Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gemeinsam mit der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) vor Ort in Wiesbaden sowie online statt.

Aufgrund des engen Zusammenhangs von Adipositas und Diabetes stand die gemeinsame Tagung der DDG und DAG in diesem Jahr unter dem Motto „Diabetes und Adipositas – gemeinsam durch dick und dünn“. – „Das Motto soll primär signalisieren, dass wir Menschen mit Diabetes und/oder Adipositas auch in schwierigen Zeiten begleiten und ihnen individuell die bestmögliche Therapie und Unterstützung anbieten“, so Professor Dr. med. Werner Kern, Tagungspräsident der DDG bei einer Pressekonferenz am 5. November.


Während der Corona-Pandemie haben 39 Prozent der Deutschen zugenommen, im Durchschnitt 5,6 Kilogramm. Bei Menschen mit Adipositas waren es sogar 7,2 Kilogramm [1]. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat sich weniger bewegt.

Corona-Pandemie als Treiber für Adipositas und Typ-2-Diabetes

„Fast jeder Dritte hat in der Corona-Zeit an Gewicht zugenommen. Jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist inzwischen übergewichtig, jedes siebte Kind zu dick“, sagt Professor Dr. med. Sebastian M. Meyhöfer, Tagungspräsident der DAG. Diese Entwicklung sei besorgniserregend, denn mit Übergewicht gehen nicht selten auch schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2 einher. Übergewicht und Bewegungsmangel sind zudem Mitverursacher für gesundheitliche Folgen wie Fettleber, Bluthochdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen oder auch einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19.

Die Therapie von Adipositas und Diabetes wurde im Rahmen der Diabetes Herbsttagung berufsübergreifend diskutiert. Neue Therapiestrategien, zum Beispiel im Bereich der Gewichtsregulation wurden vorgestellt.

Im Fokus standen auch vielversprechende Entwicklungen in der Diabetestechnologie wie Closed-Loop-Systeme, die eine automatisierte Insulinabgabe ermöglichen.

„Von großer Bedeutung sind außerdem die psychosozialen und gesundheitspolitischen Aspekte der beiden Erkrankungen Diabetes und Adipositas sagte Meyhöfer. In einer Reihe von Symposien und Workshops ging es um Motivation, den Umgang mit Scheitern oder Stigmatisierung und Ausgrenzung.


Ein Schwerpunkt der Tagung war die kultursensible Beratung und Therapie von Menschen mit Diabetes. Jeder vierte in Deutschland lebende Mensch hat einen Migrationshintergrund und in manchen Ethnien, wie zum Beispiel der türkischstämmigen Bevölkerung, ist das Diabetesrisiko höher als bei deutschstämmigen Menschen.

Kultursensible Beratung und Therapie

Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund sind aus vielerlei Gründen häufig unzureichend versorgt. Eine wichtige Rolle spielen Lebensstil, Krankheitsverständnis, Sprachbarrieren, Ernährungsgewohnheiten und die Religion.. In verschiedenen Symposien und Workshops wurden hier Hilfestellungen und Tipps für den kultursensitiven Umgang mit Menschen in Beratung und Therapie gegeben.


Klimawandel: Menschen mit Diabetes besonders gefährdet

Thematisiert wurde auch der Aspekt „Klimawandel und Diabetes“. Die zunehmende Erderwärmung hat auch eine Reihe von negativen Auswirkungen auf Menschen mit Diabetes. Häufig ist bei dieser Erkrankung die Fähigkeit zur Gefäßerweiterung und zur Schweißproduktion gestört, zwei wichtige Mechanismen zur Wärmeregulation des Körpers. Bei unzureichender Blutzuckereinstellung kann bei höheren Temperaturen das Risiko zur Dehydratation steigen. Zudem ist die körperliche Aktivität in Hitzewellen erschwert. Menschen mit Diabetes mellitus sind deshalb besonders von einer erhöhten Hitzemorbidität und -mortalität betroffen.

Die höchste Zunahme an Diabetes erkrankten Menschen wird in den Regionen mit den höchsten Temperaturanstiegen erwartet wie im Mittleren Osten und Nordafrika. Dies könnte zu einer hitzebedingten Migration dieser Menschen mit Diabetes in kühlere Regionen führen.

Psychosoziale und gesundheitspolitische Aspekte von großer Bedeutung

Eine bedeutende Rolle spielen bei der gemeinsamen Herbsttagung auch die psychosozialen Aspekte beider chronischen Erkrankungen Diabetes und Adipositas. Deshalb wurden eine Reihe von Symposien und Workshops zu diesem Themenkreis angeboten.

© DDG/Henning Schacht
Professor Dr. med. Sebastian M. Meyhöfer (geb. Schmid) Tagungspräsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), Direktor des Instituts für Endokrinologie und Diabetes an der Universität zu Lübeck, Leiter Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel der Medizinischen Klinik 1 am UKSH – Campus Lübeck (li.)und Professor Dr. med. Werner Kern Tagungspräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Ärztlicher Leiter des endokrinologikum Ulm

Für die Umsetzung von Therapieempfehlungen wie Medikamenteneinnahme, Ernährungsveränderung und Bewegungssteigerung sei es wichtig, die Motivation des Patienten zu erforschen. Ohne Motivation zur Veränderung seitens des Patienten ist die Erreichung der vereinbarten Therapieziele zum Scheitern verurteilt. In einem Workshop vermittelt wurde die Beratungsmethode des Motivational Interviewing, mit der man Patienten hilft, ihre eigene Motivation zu entdecken, ihre Ambivalenzen zu erforschen und individuelle Lösungsalternativen zu entwerfen.

Patientinnen und Patienten entscheiden sich manchmal anders als die Leitlinien. Auch wenn Therapieempfehlungen individuell angepasst werden, setzen Menschen mit Diabetes nur Teile davon um. In einem Symposium wurde der Frage nachgegangen, wie es Behandelnden in solchen Situationen emotional geht und wie es möglich ist, diese Patientinnen und Patienten medizinisch und menschlich gut zu betreuen, ohne dass Behandelnde leiden.

Diskriminierendes Denken durch Wissen beseitigen

Menschen mit Diabetes werden oft mit überholten Vorstellungen und Vorurteilen konfrontiert und nicht selten diskriminiert. Dies beginnt bereits im Kindes- und Jugendalter und hat Auswirkungen auf Ausbildung und Beruf. Oft schwer beeinträchtigt sind Menschen mit Diabetes, die ihre Therapie nicht mehr selbstständig umsetzen können und täglich von Hilfe bei der Therapie abhängig sind. Diesem Themenbereich widmete sich ein Symposium, um diskriminierendes Denken in allen Teilhabebereichen durch aktuelles Wissen über die Fortschritte bei der Diabetesbehandlung zu beseitigen.

In 39 Symposien, sechs Praxisdialogen und 24 Workshops bot die Diabetes Herbsttagung Teilnehmenden aus Ärzteschaft, Wissenschaft, Diabetes- und Ernährungsberatung sowie weiteren Berufsgruppen eine Vielzahl praxisorientierter Themen. Teilnehmende, die geimpft oder genesen sind („2-G“), konnten unter Einhaltung der behördlichen Regelungen und eines entsprechenden Hygienekonzepts vor Ort in Wiesbaden teilnehmen. Wer nicht anreisen wollte, konnte virtuell an der Tagung teilnehmen.Lediglich die Teilnahme an den Workshops war ausschließlich vor Ort in Wiesbaden möglich.


Quellen:

Quelle: Kongress-Pressekonferenz im Rahmen der
15. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG)
Freitag, 5. November 2021
| Redaktion