Gemäß eines aktuellen G-BA-Beschlusses haben gesetzlich versicherte Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom (DFS) zukünftig Anspruch, sich vor einer Amputation eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Diabetes-Forum-Chefredakteur Dr. Martin Lederle begrüßt diese Entscheidung und empfiehlt, betroffene Patienten darüber aufzuklären – auch die, die bereits in stationärer Behandlung sind.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G -BA) hat in einer aktuellen Presseinfo zu einem neuen Beschluss seines Gremiums mitgeteilt, dass Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom vor einer Amputation an den unteren Extremitäten künftig von dafür qualifizierten Vertragsärzten eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einholen können. Die Kosten dafür werden von der gesetzlichen Krankenkasse des Patienten übernommen.

Das ist für mich eine sehr erfreuliche Nachricht. Bislang besteht ein vom G-BA geregelter Zweitmeinungsanspruch bei Operationen an den Gaumen- und/oder Rachenmandeln, bei Gebärmutterentfernungen und arthroskopischen Eingriffen am Schultergelenk.

Fußnetz Köln: Zweitmeinungsverfahren hat sich bewährt

Laut aktuell verfügbarer Daten werden in Deutschland pro Jahr etwa 56.000 Amputationen an den unteren Extremitäten durchgeführt; zu 65 bis 70 Prozent sind davon Patienten mit Diabetes mellitus betroffen. Die Anzahl der Major-Amputationen (Amputation oberhalb des Sprunggelenks) ist in den letzten Jahren zurückgegangen, die Anzahl der Minor-Amputationen (Amputation unterhalb des Sprunggelenks) hingegen angestiegen.

Im Bereich des Fußnetzes Köln und Umgebung gibt es schon seit Jahren dieses Zweitmeinungsverfahren, und es hat sich bewährt. Ärzte, die sich in der Pathophysiologie des DFS gut auskennen und in der Behandlung dieses Krankheitsbildes erfahren sind, werden einem Patienten nur als letzten „Ausweg“ zu einer Amputation raten. Sie werden vorher alles unternehmen, um eine solche „einschneidende“ Intervention vermeiden zu können.

Ich habe in der Vergangenheit aber immer wieder erlebt, dass Ärzte, die das komplexe Krankheitsbild nicht kennen und/oder keine oder wenig Erfahrung bei der Behandlung von Patienten mit einem DFS haben, eher zu einer Amputation raten.

Ich denke da an einen Patienten mit einem akuten Charcot-Fuß, dem der behandelnde Orthopäde aus Unkenntnis des Krankheitsbildes zu einer Fußamputation geraten hatte, da er der Ansicht war, dass die Fußentzündung nicht anders therapierbar wäre. Der Patient hat sich zum Glück aus eigenem Antrieb eine Zweitmeinung eingeholt, und sein Fuß konnte durch eine konsequente konservative Behandlung erhalten werden.

Behandlung am besten in zertifizierter ambulanter Einrichtung

Patienten mit einem DFS sollten sich am besten in einer von der AG Fuß der DDG zertifizierten ambulanten Fußbehandlungseinrichtung behandeln lassen. Dann können sie sich darauf verlassen, dass sie nach anerkannten Leitlinien behandelt werden. Die Adressen für die zertifizierten Behandlungseinrichtungen finden Sie auf der Website der DDG.

Laut Mitteilung des G-BA können Fachärzte folgender Fachrichtungen bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung die Genehmigung, Zweitmeinungsleistungen zu einer Amputation beim DFS abzurechnen, beantragen:
  • Innere Medizin und Angiologie
  • Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Gefäßchirurgie
  • Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Diabetologie
  • Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Diabetologie.

Fachärzte, die aufgrund ihrer besonderen Qualifikation und Unabhängigkeit für den jeweiligen Eingriff eine Genehmigung als Zweitmeinungsgeber erhalten, werden auf der Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter www.116117.de/zweitmeinung zu finden sein.

Merkblatt des G-BA klärt Patienten über ihre Rechte auf

Damit betroffene Patienten diese Möglichkeit jetzt auch nutzen können, müssen sie darüber informiert werden. Dafür hat der G-BA ein Patienten-Merkblatt verfasst, dass am besten über die ambulanten Diabeteseinrichtungen an alle Patienten mit einem DFS abgegeben werden sollte, damit sie bei Bedarf wissen, welche Rechte sie haben und diese dann auch einfordern.

Ein Problem sehe ich bei Patienten, die schon in stationärer Behandlung sind und dort eine Amputation angeraten bekommen. Auch sie sollten vor dem operativen Eingriff eine Zweitmeinung einholen können.


Autor:
Dr. Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
Arzt für Innere Medizin, Diabetologie
MVZ Ahaus, Fachbereich Diabetologie
Wüllener Straße 101
48683 Ahaus
E-Mail: diabetespraxis@mvz-ahaus-vreden.de