Diabetes-Forum Chefredakteur Dr. Martin Lederle hat einen Weg gefunden, wie er manchen seiner Patienten, die mit dem in Deutschland nicht mehr verfügbaren Insulin Tresiba gut eingestellt waren, vor einer Therapieumstellung mit unsicherem Ausgang bewahren kann.

Sie wissen es natürlich: In einer Pressemeldung, die am 16. Dezember 2015 veröffentlicht wurde, hatte die Firma Novo Nordisk mitgeteilt, dass der Vertrieb von Insulin degludec (Handelsname. Tresiba) am 15. Januar 2016 in Deutschland eingestellt wird.

Im 4. Quartal 2015 wurden in der Diabetespraxis Ahaus etwa 150 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 betreut, die dieses lang wirksame Insulinanalogon (noch) im Gebrauch hatten. Alle diese Personen lebten schon längere Zeit mit der Erkrankung und hatten vorher schon andere Verzögerungsinsuline verwendet. Sie hatten die Erfahrung gemacht, dass sie mit Tresiba in ihrem Lebensalltag am besten zurechtkommen und wollten natürlich dieses Verzögerungsinsulin weiter verwenden.

Tresiba Vorrat nun aufgebraucht – wie geht es weiter?

Ich habe somit bis zum 15. Januar 2016 für diese Patienten Tresiba großzügig verordnet und hatte im Hinblick auf die Verordnungskosten auch kein "schlechtes" Gewissen, da nach abgeschlossener früher Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die gesetzlichen Krankenkassen für Tresiba den Preis für Protamin verzögertes Insulin (10 Glasampullen à 3 ml: 89,64 €) bezahlen mussten; es war somit in dieser Phase das preiswerteste lang wirksame Insulinanalogon in Deutschland.

Inzwischen haben viele Patienten ihren Tresiba-Vorrat aufgebraucht und wollen natürlich wissen: Wie geht es weiter? (Rück-)Umstellung auf das Verzögerungsinsulin, das sie in der Vergangenheit schon verwendet hatten und mit dem sie ihre Therapieziele nicht erreichen konnten? Therapieversuch mit einer Insulinpumpe? Weiterverwendung von Tresiba?

Nach der Marktrücknahme kann Tresiba von einer Apotheke in Deutschland nur noch als Import gemäß § 73 Arzneimittelgesetz aus dem Ausland eingeführt werden. Dafür liegen die Hürden aber sehr hoch. Der G-BA hatte am 16. Oktober 2014 die Arzneimittelrichtlinie geändert und dabei festgestellt, dass bei der Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes im Erwachsenenalter für Tresiba ein Zusatznutzen nicht belegt worden ist.

Antrag auf weitere Kostenübernahme für Tresiba als Auslandsimport

Ich habe inzwischen für viele der betroffenen Patienten einen Antrag auf die weitere Kostenübernahme für Tresiba als Auslandsimport bei den jeweiligen Kostenträgern gestellt. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Eine Krankenkasse hat die bei ihr versicherte Person mit folgendem Schreiben "glücklich" gemacht: "Im vorliegenden Einzelfall ist die Krankenkasse ausnahmsweise bereit, die Kosten für die ambulante Behandlung mit dem Importarzneimittel Tresiba für zunächst 12 Monate zu übernehmen."

Die Lieferung von Tresiba als Importarzneimittel dauert etwa 2 Wochen; meines Wissens wird dafür der aktuell gültige "Lauer-Taxen"-Preis abgerechnet (10 x 3 ml Ampullen: 243,66 €). Andere Krankenkassen haben den MDK eingeschaltet. In den Gutachten konnte ich unter anderem lesen: "Im Einzelfall bleibt zu prüfen, ob die Konstellation der vom G-BA durchgeführte Nutzenbewertung auf die Situation des einzelnen Versicherten zu übertragen ist." Dieser Gutachter hat empfohlen, dass der Patient zunächst wieder Protaminverzögertes Insulin verwenden soll.

In Manchen Fällen wurde die Kostenübernahme für Import-Tresiba genehmigt

Ein anderer MDK-Gutachter hat auf die vermeintlich "harten" Daten in der durchgeführten Nutzenbewertung verwiesen und die Kostenübernahme abgelehnt. In meiner Antwort an die Krankenkasse habe ich David L. Sackett zitiert: "Gute Ärzte nutzen sowohl klinische Expertise als auch die beste verfügbare externe Evidenz, da keiner der beiden Faktoren allein ausreicht: Ohne klinische Erfahrung riskiert die ärztliche Praxis, durch den bloßen Rückgriff auf die Evidenz ,tyrannisiert‘ zu werden, da selbst exzellente Forschungsergebnisse für den individuellen Patienten nicht anwendbar oder unpassend sein können.

Andererseits kann ohne das Einbeziehen aktueller externer Evidenz die ärztliche Praxis zum Nachteil des Patienten leicht veraltetem Wissen folgen." Die Krankenkasse des Patienten hat inzwischen die Kostenübernahme für den Tresiba-Import genehmigt. Einige Patienten kaufen Tresiba direkt in niederländischen Apotheken (10 x 3 ml Ampullen: 187,25 €). Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?



Autor: Dr Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (9) Seite 4