Das Ziel der Therapie der Vulvovaginalen Atrophie sollte sein, dass der prämenopausale Zustand soweit es geht wiederhergestellt wird. Professor Reinhard Zick weiß Rat.

Durch eine Therapie sollte ein vaginaler pH von 4, eine Dickenzunahme des vaginalen Epithels, eine Normalisierung der vaginalen Lubrifikation und eine Rekolonisierung der Scheide wenn möglich mit Laktobazillen erreicht werden. Und: ein eingesetztes Präparat sollte wenn überhaut nur wenige Nebenwirkungen haben.

Die ersten Therapieschritte bei vulvovaginaler Atrophie

Der erste Schritt der Therapie der vulvovaginalen Atrophie ihrer 50+Diabetikerin sollte sein, dass Sie Ihre Patientin nach Symptomen dieser Östrogenmangelsituation befragen. Denken Sie daran, dass sich beziehungsbezogene und sexuelle Probleme als vaginale Beschwerden äußern können und dass Dysurie, rezdivierende Harnwegsinfekte und Inkontinenz Ausdruck und Folge des erweiterten Urogenitalen Menopause Syndroms seien können.

In einem zweiten Schritt sollte jede 50+Diabetikerin vor einer Therapie ihrer vulvovaginalen Atrophie gynäkologisch untersucht werden. Diese Vorgehensweise ist eine conditio sine qua non um nicht Tumoren oder auch Infektion im Genitaltrakt zu übersehen die selbstverständlich zunächst behandelt werden sollten.

Die gängigen Behandlungsoptionen

In der Regel kommt ihre 50+Diabetikerin bei der durch die gynäkologische Kollegin/Kollege eine Vulvovaginale Atrophie nachgewiesen wurde mit einem ersten Therapievorschlag zurück in ihre Praxis. Natürlich können Sie sich jetzt auf den folgenden Standpunkt stellen und Ihrer Helferin sagen: Dann machen wir das. Das Rezept wird ausgefüllt und bitte der nächste Patient.

Aber was machen Sie, wenn Sie Ihre 50+Diabetkerin bei der nächsten ambulaten Vorstellung damit konfrontiert, dass Dr. Google von Ihrem Therapievorschlag wenig hält oder ihn sogar ablehnt. Damit Sie für eine solche Situation vorbereitet sind, möchten wir mit Ihnen im Folgenden die gängigen Behandlungsoptionen mit ihren Wenn und Aber kurz durchsprechen.

Auf die Sonderfälle der Diabetikerin mit Brustkrebs und einer adjuvanten Therapie mit z. B. Aromatasehemmern und der Diabetikerin die ein Antikonzeptivum mit einer niedrigen Menge an Ethinylestradiol einnimmt gehen wir am Ende dieses Artikels noch kurz ein.

Gleitmittel

Gleitmittel werden primär dazu eingesetzt, die vaginale Trockenheit während des Geschlechtsverkehrs zu verbessern und sind daher per se nicht für die Langzeittherapie geeignet. Es gilt auch zu bedenken dass die atrophe vaginale Schleimhaut der postmenopausalen Frau empfindlicher gegenüber physikalischen und chemischen Reizen ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich dass die Verwendung von Gleitmitteln bei Ihrer 50+Diabetikerin zu vaginalen Missempfindungen führen kann.

In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben dass Vaseline das Latex von Kondomen auflösen und zerstören kann und damit in der Perimenopause ihrer 50+Diabetikerin in der es noch zu ovulatorischen Zyklen kommen kann wie ein Wunder ein Nesthäkchen den Kindersegen abrunden kann.

Befeuchtigungsmittel

Befeuchtigungsmittel sind hydrophile, vernetzte Polymere. Sie sind bioadhäsiv, indem sie sich an die epitheliale der Vaginalwand anheften und so Wasser binden. Sie werden mit dem Turnover der epithelialen Zellen eliminiert. Der günstige Effekt auf die mit der Vaginalatrophie verbundenen Symptome verläuft hauptsächlich über deren Puffereigenschaften, die zu einem Abfall der vaginalen pH führt.

Sie erfüllen drei der oben aufgeführten Forderungen an ein Präparat zur Behandlung der Vulvovaginalen Atrophie. Sie senken den vaginalen pH Wert, führen zur Lubrikation der Scheide und damit auch der Vulva und sind sehr nebenwirkungsarm. Sie sollten jedoch Ihre 50+Diabetikerin darauf hinwiesen, dass unter dieser Therapie die Dicke des Vaginalepithels nicht zunimmt und dass mit Absetzen der Befeuchtigungsmittel der sehr positive Effekt schnell wieder verpufft. Es handelt sich damit um eine Dauertherapie! Und dauernd heißt dauernd im Gegensatz zum Gleitmittel.

Perspektivisch enthalten diese Präparate noch ein sehr großes Entwicklungspotential. Sie sind frei von Östrogenen und damit auch für Ihre 50+Diabetikerinnen geeignet, die entweder aus den unterschiedlichsten Gründen einen Behandlung mit Östrogenen strikt ablehnen oder aber bei denen aus medizinischen Gründen auch eine lokale Anwendung von Östrogenen kritisch zu sehen oder auch kontraindiziert ist.

Ein gewisses Manko der bisherigen Befeuchtigungsmittel ist ihre Applikationsform. Hier gibt es bessere Lösungen, da von einer äußeren Anwendung nicht zu erwarten ist dass die Corpus nahen Abschnitte der Scheide ausreichend behandelt werden. Auch sollte die Forderung aufrecht- erhalten bleiben, dass die Befeuchtigungsmittel auch der Humus für die Rekolonisierung der Scheide durch Laktobazillen seien sollten.

Lokale Östrogentherapie

Aus pathophysiologischer Sicht sind Östrogene die Mittel der Wahl in der Therapie der Vulvovaginalen Atrophie. Geben sie doch der 50+ Diabetikerin ihre hormonelle Weiblichkeit zurück.

Aber! Die systemische Östrogentherapie in der Menopause ist bekanntermaßen durch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko belastet. Auch die Gefahr, an einem Endometrium-, Ovarial- und Mammakarzinom zu erkranken steigt signifikant an. Dieser Hintergrund macht verständlich warum in der Therapie der Vulvovaginalen Atrophie nahezu ausschließlich die lokale Östrogentherapie Anwendung findet. Auch bei einer lokalen Östrogentherapie kommt es zu einer geringen Resorption dieses Hormons in die Blutbahn. Aber bisher sind die obigen Risiken für die lokale Östrogentherapie durch Studien nicht sicher belegt.

Um das Risiko weiter zu minimieren ist man bei der lokalen Östrogentherapie der Vulvovaginalen Atrophie zusätzlich dazu übergegangen Östradiol durch Östriol zu ersetzen. Deshalb folgen zum besseren Verständnis einige Erläuterungen zu den Östrogensteroiden. Bei den natürlichen Östrogenen kennt man das Östron (E1), das Östradiol (E2) und das Östriol (E3). Das E3 wird in der Leber oder Plazenta aus E1 und E2 gebildet.

Der umgekehrte Weg, also E1 und E2 aus E3 wird in der Leber nicht beschritten und die Abbauprodukte von Östriol haben im Gegensatz zu E1 und E2 keine östrogenen Eigenschaften mehr. Östriol ist im Vergleich zum Östradiol ein wesentlich weniger potentes Östrogen, das schwächer an die Östrogenrezeptoren als Östradiol andockt und dessen Wirkung auch schneller abklingt. Seine Affinität zum Östrogenrezeptor ist um den Faktor 10 geringer als Östradiol. Und die Bindungszeit ist weniger als halb so lang unter Östriol und zwar 6 Stunden gegenüber 12 Stunden unter Östradiol.

Vorsicht bei der Östrogentherapie

Die alleinige systemische Östrogentherapie ist bei der postmenopausalen Frau mit noch vorhandenem Uterus kontraindiziert. Warum? Eine Östrogenmonotherapie über 10 Jahre erhöht das Risiko für ein Endometriumkarzinom bei ihrer postmenopausalen 50+Diabetikerin um den Faktor 1o! Deshalb muss eine systemische Östrogentherapie in der Postmenopause einmal im Monat mit einem Gestagen in Transformationsdosis kombiniert werden. Eine intermittierende Gestagentherapie nur alle 3 bis 4 Monate ist ebenso wenig ausreichend wie eine regelmäßige Unterbrechung der Östrogenmonotherapie.

Vor diesem Hintergrund ist verständlicherweise die Frage von Bedeutung ob diese Einschränkungen auch für die lokale Östrogentherapie gelten. Insbesondere für das Östriol konnte nachgewiesen werden dass es bei den verwendeten Wirkdosen nicht zu einer Stimulation des Endometriumepithels kommt und deshalb eine Kombination mit einem Gestagen nicht notwendig ist. In einer Metaanalyse aus 12 Studien mit mindestens 2-jähriger Östrioltherapie wurden wurden sonographische Befunde und Histologien ausgewertet: bei keiner Patientin fanden sich Hinweise auf Endometriumproliferation (Dandres, G. et al. 2014). Diesen Zusammenhang sollte man ihrer postmenopausalen 50+Diabetikerin auf jeden Fall mitteilen, da Sie durch Dr. Google oder auch ihre Freundinnen verunsichert wird wenn in der Frauenrunde der Begriff Östrogentherapie fällt.

Östriolwirkung setzt prompt ein

Die lokale Östriolwirkung setzt prompt ein und zeigt sich bereits 12 Stunden nach Applikation. Zusammengefasst lassen sich mit der lokalen Östrioltherapie sämtliche oben aufgestellte Forderungen an ein Präparat zu Behandlung der Vulvovaginalen Atrophie erfüllen. Es kommt zu einer Zunahme der Dicke des Vaginalepithels, die Lubrikation und der pH-Wert normalisieren sich, und auch die physiologische Keimflora kann zurückkehren.

Die derzeitig gängigen Präparate zur lokalen Östrioltherapiesind in Tabelle 1zusammengefasst. Aus Platzgründen haben wir uns in diesem Artikel in den Empfehlungen auf das Östriol beschränkt. Die Diskussion anderer Präparate einschließlich der Frage einer systemischen Hormontherapie in der Postmenopause bei Ihrer 50 + Diabetikerin soll in einer kommenden Ausgabe dieser Zeitschrift erfolgen.

Sonderfälle

Zum Schluss möchte ich noch auf die oben bereits angesprochenen Sonderfälle eingehen. Bei der jungen Diabetikerin im reproduktiven Alter, deren Antikonzeptivum eine zu niedrige Dosis an Ethinylöstradiol enthält, sollte das Präparat gewechselt werden. Ein Gespräch mit der/dem gynäkologischen Kollegin/Kollegen Ihres Vertrauens führt zu einer schnellen Problemlösung.

Eine lokale Östrogentherapie bei Frauen mit hormonpositivem Mammakarzinom führen wir nicht durch und befürworten den Einsatz von Befeuchtungsmitteln zur Therapie der Vulvovaginalen Atrophie. Wir wissen, dass es zu diesem Thema gegenteilige Meinungen gibt und dass man die lokale Therapie mit Östriol auch bei diesen Patientinnen rechtfertigen kann.

Aber in diesem Punkt halte ich mich als Diabetologe/Endokrinologe an den Satz: Schuster, bleibe bei deinen Leisten. Und deshalb empfehlen wir zur Zeit noch bei Ihrer 50+ Diabetikerin mit obiger Problematik den sicheren Weg: die Befeuchtigungsmittel.

Schwerpunkt Klimakterium


Autor: Dr. med. Prof. Dr.Reinhard Zick
Medicover Osnabrück
Möserstraße 4a,49074 Osnabrück

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (6) Seite 20-22