Die Koronare Herzkrankheit (KHK) gehört zu den wichtigsten Volkskrankheiten. Insbesondere bei Menschen mit Diabetes sollte bei der Diagnostik auf mögliche Fehlerquellen geachtet werden. Lesen Sie hier, worauf es ankommt.

Die Koronare Herzkrankheit (KHK) gehört mit einer Lebenszeitprävalenz von 9,3 Prozent bei den 40- bis 79-Jährigen zu den wichtigsten Volkskrankheiten. Da das klinische Bild insbesondere bei Diabetikern sehr variabel oder sogar klinisch stumm verlaufen kann, sind Anamnese und die Durchführung der richtigen Diagnostik von zentraler Bedeutung.

Bei unklaren Brustschmerzen ist in 20 bis 25 Prozent der Fälle mit kardialen Ursachen zu rechnen. Differentialdiagnostisch ist nach Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms (ACS) eine Vielzahl von kardialen und extrakardialen Ursachen in Erwägung zu ziehen.

An kardialen Ursachen stehen dabei die chronische KHK, eine Aortenstenose, eine Aortendissektion, entzündliche Erkrankungen des Myokards und Perikards sowie eine Lungenembolie im Vordergrund. Der stabilen Angina pectoris kommt dabei, allein aufgrund ihrer Prävalenz, eine wichtige Bedeutung im klinischen Alltag zu. Grundsätzlich ist die stabile KHK eine Erkrankung mit einer guten Prognose.

Die Mortalität liegt bei 1 bis 2 Prozent pro Jahr. Wichtig ist neben der Diagnosestellung eine Risikostratifizierung der Patienten. Da 70 Prozent der Diabetiker Herz-Kreislauf-Komplikationen erleiden und ihre Prognose bestimmen, kommt dieser Patientengruppe eine besondere Bedeutung zu.

Doppler-Echokardiografie

Als Basis-Test wird die Durchführung eines 12-Kanal-EKGs empfohlen. Neben Schenkelblockbildern können Überleitungsstörungen oder Arrhythmien das weitere klinische Procedere verändern. Bei Diabetikern sollte immer auf pathologische Q-Zacken als mögliche Indikatoren eines stumm abgelaufenen Myokardinfarktes geachtet werden.

Laborchemisch wird je nach klinischem Beschwerdebild die Bestimmung von "high sensitive" (hs) -Troponin oder "brain natriuretic peptide" (BNP) und "N terminal pro-BNP" (NT-proBNP) empfohlen. Ferner sollte bei Verdacht auf das Vorliegen einer KHK ein Screening hinsichtlich eines Diabetes mellitus erfolgen (Nüchternblutzucker, HbA1c-Werte, ggf. oraler Glukose-Toleranz-Test: oGTT).

Von zentraler Bedeutung ist eine initiale Doppler-Echokardiografie. Neben der Ejektionsfraktion (EF) können regionale Wandbewegungsstörungen beurteilt und weitere Pathologien (Vitien, Aorta, Perikard, Cor pulmonale) ausgeschlossen werden.

Zentrale Rolle der KHK-Vortestwahrscheinlichkeit

In den aktuellen europäischen und amerikanischen Leitlinien zum Management der stabilen koronaren Herzkrankheit wird die zentrale Rolle der KHK-Vortestwahrscheinlichkeit betont (vgl. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK, 4. Auflage, 2016; Version 1, AWMF-Register-Nr.: nvl-004, S. 25). Die Vortestwahrscheinlichkeiten basieren auf dem Lebensalter und Geschlecht sowie der Einschätzung der Angina pectoris-Symptomatik als typisch oder atypisch.

Anschließend werden drei Patientenkollektive definiert. Liegt die Vortestwahrscheinlichkeit unter 15 Prozent, wird das Risiko für eine KHK als niedrig eingestuft, liegt sie über 85 Prozent, als hoch. Dazwischen ist von einem mittleren Risiko auszugehen.

Die Durchführung von Ischämie-Tests bei Patienten mit niedriger Vortestwahrscheinlichkeit ist wegen der lediglich 85-prozentigen Spezifität der meisten Tests mit einem hohen Prozentsatz falsch-positiver Befunde verbunden. Darauf basiert die Empfehlung, bei dieser Patientengruppe auf eine weitere Diagnostik zu verzichten. Ausgenommen werden Patienten mit einer eingeschränkten linksventrikulären (LV)-Funktion (EF<50 Prozent). Bei diesen wird in jedem Fall ein Stress-Imaging und ggf. ein invasives Procedere empfohlen.

Invasives Vorgehen bei hohem Risiko

Keine Berücksichtigung finden in diesem Modell weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren oder ein erhöhtes genetisches Risiko. Diese können jedoch im klinischen Alltag von Bedeutung sein und die klinische Einschätzung verändern. Wichtig bleibt daher, das globale Risiko des Patienten zu sehen.

Liegt die Vortestwahrscheinlichkeit bei mehr als 85 Prozent, wird ein direkt invasives Vorgehen empfohlen. Die hämodynamische Relevanz von Koronarstenosen sollte dabei über die Messung der funktionellen Flussreserve (FFR) bestimmt werden. Für die große Gruppe der Patienten mit einem mittleren Risiko wird eine weitergehende Ischämie-Diagnostik empfohlen.

In den Leitlinien ist es dabei zu einer Abwertung des Stellenwertes des Belastungs-EKGs gekommen. Bildgebende Belastungstests (Echokardiografie, SPECT, MRT, PET) werden favorisiert und sollten, falls verfügbar, als initiale Tests erfolgen (Klasse I-Empfehlung), insbesondere bei einer Einschränkung der LV-Funktion. Hierbei sollte den physiologischen Belastungen Vorrang vor den pharmakologischen Belastungen eingeräumt werden.

Nach Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit und einer nicht-invasiven bildgebenden Ischämie-Diagnostik ermöglicht die Quantifizierung der Myokardischämie eine weitere Risikostratifizierung. Liegt diese über 10 Prozent des Myokards in der SPECT (Single-Photon-Emissions-Tomografie) oder sind mehr als drei Segmente des linken Ventrikels in der Stress-Echokardiografie betroffen, ist von einem hohen Risiko auszugehen und ein invasives Vorgehen wird empfohlen.

Das Belastungs-EKG ermöglicht eine gute Einschätzung der Belastbarkeit, des Riva-Rocci (RR)-Verhaltens unter Belastung, sowie der Diagnose von belastungsinduzierten Rhythmusstörungen. Die Ischämie-Diagnostik wird jedoch durch zahlreiche Faktoren limitiert. Ein kompletter Linksschenkelblock, ein Schrittmacher-EKG oder ein Präexzitations-Syndrom schränken die Aussage ebenso ein wie Elektrolyt-Entgleisungen, Digitalis oder das Vorliegen von Vorhofflimmern (VHF). Die Aussage hängt wesentlich von der Adhärenz des Patienten und dem Erreichen der Sollarbeitskapazität ab.

Stress-Echokardiografie

Die Stress-Echokardiografie wird primär als dynamische Belastungsuntersuchung durchgeführt. Bei fehlender Belastbarkeit des Patienten oder Fragen der Vitalitätsdiagnostik, kann eine pharmakologische Belastung mit Dobutamin oder Adenosin als Vasodilatator eine sinnvolle Alternative sein. Die Untersuchung ist im Vergleich zur SPECT oder Stress-MRT (Magnetresonanztomografie) stark untersucherabhängig.

In einem 17-Segment-Modell des linken Ventrikels wird die regionale Wandverdickung beurteilt. Sind zwei oder mehr Segmente nicht beurteilbar, wird der Einsatz von Kontrastmitteln empfohlen. Der Einsatz des Gewebe-Dopplers und die Bestimmung der "Strain Rate" kann die Sensitivität weiter erhöhen.

SPECT-Myokardszintigrafie

Die myokardiale SPECT-Perfusionsszintigrafie wird in der Regel mit Technetium-99m durchgeführt. Nach Möglichkeit erfolgt eine dynamische Belastung; bei fehlender Ergometrierbarkeit kommen Adenosin oder Regadenoson zum Einsatz.

Neue ultraschnelle Cadmium-Zink-Tellurid-Gammakameras führen zu einer geringeren Strahlenexposition und zu einer schnelleren Bildakquisition. Daneben kann eine Abnahme der Ejektionsfraktion oder eine Dilatation des linken Ventrikels, während oder nach Belastung, ein wichtiger Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung sein.

Zunehmende Bedeutung erlangt der Einsatz von Hybrid-Techniken. Dabei wird die SPECT mit einer CT (Computertomografie)-Angiografie kombiniert. Diese Fusionsbildgebung verbindet funktionale (Perfusion) und anatomische Aspekte (Koronarien). Sie kommt bei speziellen Fragestellungen zum Einsatz.

Stress-MRT

Die Stress-MRT wird zur Perfusionsdiagnostik mit Adenosin sowie Regadenoson oder Dobutamin durchgeführt. Die Untersuchung kann an allen 1,5-3 Tesla-Geräten durchgeführt werden. Der linke Ventrikel wird in mehreren Standardebenen mit Cine-Sequenzen zur Wandbewegungsanalyse dargestellt. Zur Beurteilung der kardialen Vitalität wird Gadolinium ("late enhancement") appliziert.

Computertomografie

Die kardiale Spiral-Computertomografie hat sich seit mehr als 12 Jahren in der Diagnostik der KHK etabliert. Grundsätzlich kann zwischen der nativen CT-Untersuchung zur Detektion von Koronarkalk und der kontrastverstärkten CT-Angiografie zur Diagnostik von Koronarstenosen unterschieden werden.

Das Ausmaß der Koronarverkalkungen wird mit Hilfe des Agatston-Scores oder Volumen-Scores quantitativ erfasst. Diese Scores lassen keine Rückschlüsse auf eine Koronarstenose zu, liefern aber wichtige prognostische Informationen. Dabei ist ein hoher Score-Wert unabhängig von den klassischen Risikofaktoren mit einem erhöhten Risiko verbunden. Je nach Untersuchungsprotokoll kann nach der Kalkbestimmung die CT-Koronarangiografie erfolgen (mindestens 64-Zeilen CT).

Wenig Aussagekraft bei hohem Agatston-Score

Methodenbedingt kann es zu einer Überschätzung der Koronarstenosen kommen. Voraussetzungen für ein gutes Untersuchungsergebnis sind ein Sinusrhythmus, eine Herzfrequenz <65/min (ggf. Gabe von Beta-Blockern) und ein kooperativer Patient (Atemmanöver). Bei hohen Agatston-Scores ist das Ergebnis der Angiografie wenig aussagekräftig und die Durchführung einer Invasivdiagnostik sollte erwogen werden.

Aufgrund der Strahlenexposition sollte die Indikation insbesondere bei jungen Patienten sorgfältig geprüft werden. In den Leitlinien wird die CT-Diagnostik bei einer geringen oder mittleren Vortestwahrscheinlichkeit empfohlen (Klasse II a Empfehlung).

Invasive Koronarangiografie

Die invasive Koronarangiografie bleibt der Goldstandard in der Diagnostik der KHK. Nach Möglichkeit sollte bei jedem stabilen Patienten zuvor eine Ischämie-Diagnostik erfolgen, um die hämodynamische Relevanz einer Koronarstenose zu beurteilen und ggf. eine Intervention vorzunehmen. Das diagnostische Spektrum der Angiografie wurde durch die Bestimmung der fraktionellen Flussreserve (FFR) und den intravaskulären Ultraschall sinnvoll erweitert. Rein diagnostische Herzkatheteruntersuchungen sollten nach Möglichkeit vermieden werden.

Diabetiker sind Risikopatienten

Leitsymptom und Angina pectoris-Äquivalent ist bei Diabetikern häufig die Dyspnoe. Diese wird in der Abschätzung der Vortestwahrscheinlichkeit jedoch nicht berücksichtigt. Bei den physiologischen Belastungstests ist zu beachten, dass Patienten mit Diabetes mellitus infolge der autonomen Neuropathie einen verminderten Anstieg der Herzfrequenz haben und die Ausbelastungskriterien häufig nicht erreichen.

In den aktuellen Leitlinien werden Diabetiker als Risikopatienten klassifiziert. Dabei wird zwischen "very high risk"- und "high risk"-Patienten unterschieden. Solche mit einem sehr hohen Risiko haben zusätzliche Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, Hyperlipidämie oder sie haben bereits manifeste Organschäden (Proteinurie etc.). Auch Patienten mit einer pathologischen Glukosetoleranz weisen bereits ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auf.

Koronarangiografie bei stabiler Angina pectoris

Ein pathologischer "ankle-brachial-index" (ABI)-Wert ist ein unabhängiger Indikator für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Eine Korrelation von Carotisplaques und Vorliegen einer KHK ist nicht beschrieben. Stille Myokardischämien betreffen etwa ein Drittel der Diabetiker und 35 bis 70 Prozent von diesen haben signifikante Koronarstenosen.

Vor diesem Hintergrund wird in den europäischen Leitlinien von 2013 empfohlen, bei der Diagnosestellung Diabetes eine kardiologische Basisdiagnostik durchzuführen. Diese umfasst ein Ruhe-EKG, ein Belastungs-EKG, eine Echokardiografie und ein 24-Stunden-EKG. Davon abhängig wird über ein weiteres nicht-invasives oder invasives Vorgehen entschieden.

Allerdings erbrachte die DIAD-Studie, bei der ein generelles Screening asymptomatischer Patienten mit Diabetes mellitus 2 durchgeführt wurde, keine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse. Bei symptomatischen Diabetikern mit stabiler Angina pectoris sollte berücksichtigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit für eine KHK jenseits des 60. Lebensjahres bei 95 Prozent liegt. Daher kann bei diesen Patienten ggf. auf eine weitere Stufendiagnostik verzichtet werden und direkt eine invasive Koronarangiografie erfolgen.

Schwerpunkt: Herz


Autoren: Dr. med. Hermann Fischer, Dr. med. Rolf Dörr
Praxisklinik Herz und Gefäße
Forststraße 3, 01099 Dresden
Tel.: 0351/ 8064-102, Fax: 0351/ 8064-110

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (5) Seite 10-14