Die ärztliche Schweigepflicht ist ein heikles Thema, insbesondere wenn es um Haftungsfragen geht. RA Oliver Ebert erklärt die Schwierigkeiten anhaand eines konkreten Beispiels.

Grundsätzlich ist gemäß § 1 FeV zum Führen eines Kraftfahrzeuges erforderlich, dass hierfür die erforderliche körperliche und geistige Eignung vorliegt. Bei Diabetes ist zwingend erforderlich, dass Unterzuckerungen rechtzeitig wahrgenommen werden können und der Patient auch in der Lage ist, hierauf adäquat zu reagieren. Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Patient geschult ist; selbstverständlich müssen von ihm auch die üblichen Sorgfaltspflichten als Kraftfahrer beachtet werden.

Fahrtauglichkeit wird eigenverantwortlich überprüft

Hinsichtlich eines „Fahrverbots“ muss allerdings differenziert werden. Grundsätzlich ist der Patient formal solange berechtigt, ein Fahrzeug zu führen, solange er in Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Diese kann vom Arzt selbstverständlich nicht entzogen werden. Allerdings ist er gemäß § 1 FeV – wie jeder Kraftfahrer – grundsätzlich verpflichtet, vor und während der Fahrt jeweils eigenverantwortlich seine Fahrtauglichkeit zu überprüfen.

Wenn er weiß oder wissen kann, dass er fahruntauglich ist, dann darf er – trotz Fahrerlaubnis – solange nicht fahren, bis die Fahreignung wieder hergestellt ist. Fährt er dennoch und führt dies zu einer konkreten Gefahr für Leib und Leben, so stellt dies eine empfindliche Straftat gemäß § 315 c StGB dar und kann auch teilweise zum Erlöschen des Versicherungsschutzes führen.

Schweigepflicht vs. Notstandslage

Eine Meldepflicht für uneinsichtige Patienten gibt es aber nicht. Arzt und Praxispersonal sind dagegen verpflichtet, die berufliche Schweigepflicht zu wahren. Diese ist sowohl im Strafgesetzbuch (§ 203 StGB) als auch in den Berufsordnungen der Landesärztekammern (§ 9 MBO) geregelt. Die strafrechtliche Schweigepflicht gilt auch für das Praxispersonal.

Ohne vorherige Einwilligung des Patienten darf man nur in wenigen Ausnahmefällen patienten- bzw. behandlungsspezifische Daten an Dritte offenbaren. Solche Ausnahmefälle sind durch Rechtsnormen definiert – beispielsweise die vorgeschriebene Übermittlungen an die KV gem. §§294ff. SGB V oder nach dem Infektionsschutzgesetz. Ein Bruch der Schweigepflicht wäre nur dann straffrei, wenn eine „Notstandslage“ vorlag und man dies auch nachweisen kann.

Diese setzt im vorliegenden Fall voraus, dass tatsächlich eine konkrete (nicht nur theoretische) Gefahr für Leib und Leben der anderer besteht. Alle anderen zumutbaren Maßnahmen müssen erfolglos geblieben sind, so dass diese Gefahr nur noch durch Bruch der Schweigepflicht verhindert werden kann.

Risikoerhöhung ist noch nicht ausreichend

Es muss daher zunächst eine Güterabwägung stattfinden und sehr genau geprüft werden, ob wirklich eine derart kritische Gefahrensituation vorliegt. Eine ledigliche Risikoerhöhung wäre beispielsweise noch nicht ausreichend. Im zweiten Schritt müssen dann alle Möglichkeiten bzw. weniger belastenden Maßnahmen ausgeschöpft werden, um den Patienten zum Einlenken zu bewegen.

Hierzu zählen insbesondere eine deutliche Aufklärung oder die Einbeziehung von Angehörigen. Auch muss dem Patienten eine angedachte Meldung an die Behörde eindeutig und unmissverständlich zuvor angedroht werden. Unterbleibt dies, dann wird man schwerlich begründen können, warum der Bruch der Schweigepflicht denn wirklich die ultima ratio gewesen sein soll.

Dokumentation wichtig

Arzt bzw. Praxispersonal müssen den Nachweis führen (können), dass die Voraussetzungen zum ausnahmsweisen Bruch der Schweigepflicht vorlagen. Ansonsten droht eine Strafverfolgung nach § 203 StGB, berufsrechtliche Konsequenzen und das Risiko, vom Patienten auf Schadensersatz verklagt zu werden. Ich empfehle daher, den Patienent unbedingt schriftlich darüber zu belehren, dass aus ärztlicher Sicht keine Fahreignung besteht.

Dieses sollte umfassend und ausführlich dokumentiert werden; sinnvollerweise sollten auch Zeugen (Praxispersonal) hinzugezogen werden, was sich ebenfalls zu dokumentieren empfiehlt. Bleibt der Patient weiterhin uneinsichtig, so sollte ihm unmißverständlicht angedroht werden, dass eine Meldung an die Straßenverkehrbehörde erfolgen wird. Auch dies sollte möglichst unter Zeugen erfolgen und hinreichend dokumentiert sein. Am Besten ist es, wenn der Patient eine entsprechende Belehrung bzw. Androhung unterschreibt.

Falls der Patient sich immer noch unbelehrbar zeigt, sollte juristischer Rat bei der Ärztekammer bzw. einem Anwalt eingeholt werden; der Fall darf dort natürlich nur anonymisiert geschildert werden. Erst wenn auch von dort keine ernsthaften Bedenken geäußert werden, sollte man über den Bruch der Schweigepflicht nachdenken.



Autor: Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
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