In Deutschland gibt es eine Gruppe von einigen Hundert Menschen, die für das Thema Diabetestechnologie (DT) "brennen"; dies sind Diabetologen und Diabetesberaterinnen aus Diabetes-Schwerpunktpraxen (DSPen) und Kliniken sowie eine Reihe von Wissenschaftlern und Vertretern von Krankenkassen, Herstellerunternehmen und anderen Institutionen. Zumindest sind dies die Menschen, die zur DiaTec-Fortbildung kommen und Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) sind.

Als technikaffiner Mensch mit einem entsprechenden Blickwinkel auf die Welt wundert man sich, warum nicht alle Menschen begeistert sind von den Möglichkeiten, die DT für die Betreuung von Patienten mit Diabetes bietet. Bald werden wir funktionierende Systeme eines künstlichen Pankreas zur Verfügung haben und die DSPen stellen den einzigen Ansprechpartner dar für die optimale Nutzung dieser komplexen Technologie.

Dieser Kommentar richtet sich einerseits an diese Menschen, ohne schlichte Überzeugungsarbeit leisten zu wollen, und andererseits an die schon "Bekehrten" und weist darauf hin, was diese tun sollten, um die Situation in Deutschland konkret zu ändern. Mit unseren Angeboten und Veranstaltungen (auch mit diesem Artikel) erreichen wir primär diejenigen, die sich bereits für DT interessieren. In Anbetracht all der Aktivitäten und Initiativen der AGDT sollten die erreichten Dinge nicht durch mangelndes Interesse vieler Kollegen konterkariert werden und wir müssen uns fragen, warum diese DT nicht einsetzen.

Diabetestechnologie in DSPen: Barrieren für den Einsatz

Bei einem der letzten Fortbildungsseminare der AGDT zu DT habe ich mich mit einer der Teilnehmerinnen über Barrieren für die Umsetzung von DT in Praxen unterhalten. Anschließend war diese so nett, mir eine Liste mit Gründen zu senden, die ihrer Ansicht nach die Ursachen sind, "warum so viele Praxen die tolle und hilfreiche Technik nicht nutzen". Die folgende Auflistung ist von dieser Diabetesberaterin:

Technik:

  • Einige Praxen haben alte Rechner, die zu langsam oder zu voll mit alten Ablagen sind,
  • andere Praxen haben externe Betreuer, die dann Extra-Geld für die Installation und Wartung verlangen.
  • Wir brauchten eine BDT-Schnittstelle, zum Beispiel um die Patientenakten mit DIABASS zu verknüpfen. Diese musste vom Service-Partner der Praxissoftware eingerichtet werden, kostete auch Extra-Geld.
  • Viele Ärzte und Diabetesberaterinnen können mit Begriffen wie HUB und COM-Ports nichts anfangen, haben Angst, dass das komplizierte Sachen sind. Wenn etwas nicht funktioniert, was dann?
  • Gerätekabel für die verschiedenen Blutzuckermessgeräte fehlen oder müssten besorgt werden (Aufwand, bis man alle zusammenhat).
  • Die allgemeine technische Ausstattung in den Praxen ist sehr unterschiedlich. Wir arbeiten mit Laptop und Beamer, auch dort können dann die Daten der Blutzuckermessgeräte der Patienten direkt in die Schulung eingebaut werden. Andere Praxen machen Schulungen ausschließlich mit Flipchart und Papier, hier kann die Daten-Software als Schulungsmodul eingesetzt werden (Ernährungsberatung anhand der Blutzuckerwerte der Patienten).

Menschen:

  • Diabetesberaterinnen, die auf Tagebücher schwören, glauben oft nicht, dass fast alle Tagebücher gefälscht sind (ich habe eine Veranstaltung im Rahmen eines Beraterinnen-Stammtisches gemacht und da Vergleiche gezeigt, Tagebuch vs. Daten auslesen, sie waren völlig erstaunt).
  • Viele sehen DT erst mal als Zeitfresser: "Muss ich mich mal in Ruhe mit beschäftigen, wenn Zeit ist!", und fangen nicht einfach mal an.
  • Es müsste das gesamte Team geschult werden! Dazu muss die Entscheidung in vielen Praxen von der Spitze kommen oder man braucht engagierte DBs, die das Thema vorantreiben, und einen Chef, der sich treiben lässt.

Geld-/Aufwandserstattung:

  • Die Abrechnung der Kassenärztlichen Vereinigungen ist nicht einheitlich für alle Bundesländer geregelt. In Nordrhein-Westfalen haben wir die Möglichkeit, die Einzelberatung der Diabetesberaterin abzurechnen mit der EBM-Ziffer 90307 (Zeitrahmen 45 Minuten), diese Ziffer gibt es zum Beispiel in Berlin und Brandenburg nicht. Die Ziffer kann 4 x pro Quartal pro Patient angesetzt werden, Vergütung 25 €, so rechne ich mich als Diabetesberaterin natürlich ganz anders.
  • Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) schreibt aber in jeder Schwerpunktpraxis eine Diabetesberaterin in Vollzeit vor. Diese arbeitet dann oft als Medizinische Fachangestellte (MFA) und macht Gruppenschulungen, denn diese können in allen Bundesländern abgerechnet werden. Welche Schulungen in welchem Umfang abgerechnet werden können, ist jedoch von Bundesland zu Bundesland auch unterschiedlich.
  • Zu guter Letzt sollte bereits im Rahmen der Ausbildung der Diabetesberaterinnen dieses Thema genannt, geschult und erklärt werden.

Meiner Ansicht nach gilt es, alle diese Barrieren und Aspekte im Detail zu analysieren, um daraus abzuleiten, was es konkret zu tun gilt, um die Situation in Deutschland möglichst rasch und ernsthaft zum Positiven zu ändern. Die Barrieren für die Nutzung von DT führen auch dazu, dass z. B. die Fortbildungskurse der AGDT zum Thema DT längst nicht in dem Ausmaß Zuspruch finden, wie wir dies zunächst vermutet hatten.

Einsatzhäufigkeit von DT in DSPen

Geschätzt dürften nur etwa 25 % aller DSPen systematisch die Optionen für ihre Patienten nutzen, die DT bietet, belastbare Zahlen dazu liegen allerdings nicht vor. Was ist mit den anderen 75 % der DSPen in Deutschland? Sollten die dort behandelten Patienten nicht ebenfalls erfahren, was es an technologischen Optionen gibt, um ihnen den Alltag mit Diabetes zu erleichtern und zu verbessern? Eine Möglichkeit, Zahlen zur Nutzungshäufigkeit von DT in DSPen zu bekommen, ist, dass winDiab einen Spot (Fragebogenaktion) organisiert, den der Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) an alle seine Mitglieder (gut 600 DSPen?) verteilt. Es wird notwendig sein, diese Praxen systematisch nachzukontaktieren, um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu erreichen (90 %?), sonst gibt es eine zu starke Verzerrung zum Positiven, weil nur wieder die DSPen antworten, die schon DT einsetzen.

Die abgegebene (vermutlich zu negative) Schätzung von 25 % hängt sehr davon ab, wie der Einsatz von DT definiert wird: Wenn irgendein Einsatz von Insulinpumpentherapie (continuous subcutaneous insulin infusion, CSII), kontinuierlichem Glukosemonitoring (CGM) und Flash-Glukose-Monitoring (FGM) damit gemeint ist, dann werden > 70 % der DSPen DT einsetzen. Wenn es um Datenmanagement und -analyse geht, dann liegt die Zahl auch höher als 25 %, aber wohl niedriger als 70 %. Da wir aber eine Tendenz dazu haben (positive Verzerrung), nur die DSPen wahrzunehmen, die aktiv sind, ist es schwierig zu sagen, wie groß die Dunkelziffer von DSPen ist, die DT nicht oder nur in einem beschränkten Ausmaß einsetzen. Die Nutzung der diversen Optionen, die DT heute schon bietet (und in Zukunft noch deutlich mehr) in DSPen, hängt unmittelbar davon ab, ob der Diabetologe selbst die Motivation hat, diese einzusetzen. Daher gilt es, Ärzte dafür zu gewinnen, am besten direkt die gesamten Diabetesteams!

Klar ist auch, dass sich in diesem Bereich sehr viel tut, auch durch Zutun der interessierten Hersteller. Diese haben in den letzten Jahren mehrere Tausend Diabetesberaterinnen und Diabetologen in Fortbildungsveranstaltungen auf entsprechende Hard- und Software geschult, was eine entsprechende Präsenz in den DSPen indiziert. Die Frage bleibt aber: In wie vielen Praxen wird das vermittelte Wissen wirklich und bei wie vielen Patienten eingesetzt?

Kosten für Diabetestechnologie

Eine Hürde für den Einsatz von DT sind die Kosten für solche Betriebsmittel (!) bzw. entsprechende Servicedienstleistungen für die Pflege der Hard- und Software (s. u.). Außerhalb der Diabetologie ist es üblich, dass die Installation und Pflege von Software – für beispielsweise Spirometer, Langzeit-EKG etc. – nicht durch Praxispersonal erfolgt, sondern dafür (mitunter teure) Wartungsverträge mit den Herstellern abgeschlossen werden, da diese entsprechend professionelle Dienstleistungen erbringen. Es scheint eine Besonderheit des Diabetesbereichs zu sein, dass sich Diabetologen solche Leistungen und Produkte von Herstellern schenken lassen und eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt haben. Mit dem neuen Antikorruptionsgesetz wird sich dies allerdings grundlegend ändern. Vermutlich lassen sich viele der in den DSPen auftretenden Probleme vermeiden bzw. ohne nennenswerte Belastung des Praxispersonals lösen, wenn es einen entsprechenden Servicevertrag gibt. In vielen DSPen wird noch mit eher alter Hard- und Software gearbeitet (so sind zumindest die Rückmeldungen von Menschen, die verschiedene DSPen sehen).

"Lohnt" sich der Einsatz von Diabetestechnologie?

Klar ist, dass DT in DSPen nur breit eingesetzt werden und sich durchsetzen wird, wenn die Kosten für den nicht unerheblichen personellen Aufwand, der mit der Nutzung von DT einhergeht, erstattet werden. Selbst von DT begeisterte Menschen können sich über längere Zeit kein Zuschussgeschäft leisten. Weiterhin verlangt die Einführung von DT zunächst einen gewissen Aufwand und Investitionen in Technik, Computer-Hardware und -Software und Schulung der Mitarbeiter (s. u.), vergleichbar mit der Einführung von Qualitäts-Management-Strukturen oder der Anerkennung als Diabetologikum.

Der Einsatz von DT bringt zurzeit vermutlich keinen "unmittelbaren" betriebswirtschaftlichen Vorteil. Wenn vorhandene Technik nicht richtig bzw. nicht optimal genutzt wird, dann kann sich sogar ein negativer Kosteneffekt ergeben. Allerdings wird durch den Einsatz von DT nicht nur potentiell die Behandlungsqualität gesteigert, sondern der Diabetologe kann damit Zeit- und Personalressourcen einsparen sowie die Arbeit effizienter erledigen. Wenn ein Problem in der Diabetestherapie eines Patienten auf einen Blick am Bildschirm zu erkennen ist, wofür man bei Durchsicht und Besprechung eines Papiertagebuchs mehrere Minuten braucht, kann dies einiges an der wertvollen Ressource Zeit sparen. Eine gute Dokumentation von Daten, die in Blutzuckermessgeräten, Insulinpumpen etc. gespeichert werden, kann das Schreiben von Anträgen nicht nur deutlich vereinfachen, sondern auch wesentlich erfolgversprechender machen. Es gibt zwischenzeitlich eine beachtliche Anzahl von DSPen, die Tausende von Patienten betreuen – diese könnten ohne eine fest in den Behandlungsalltag integrierte EDV gar nicht mehr arbeiten. EDV und DT werden in diesen DSPen nicht zum Selbstzweck (altruistisch) eingesetzt, sondern weil diese DSPen in betriebswirtschaftlicher Hinsicht deutliche Vorteile bzw. Nutzen dadurch haben.

Jede Praxis überlegt sich die Kosten für die Anschaffung eines Röntgengeräts, EKG-Geräts und Sonographiegeräts sehr genau im Verhältnis zu den damit erzielbaren Erlösen – wenn das Verhältnis nicht positiv ist, wird diese keiner anschaffen und nutzen. Wenn der Einsatz von Software zum Diabetesmanagement oder zur Datenanalyse von den Kostenträgern nicht honoriert wird, obwohl diese zu einer Steigerung der Qualität der Behandlung beiträgt, dann ist dies ein Problem. Hier gilt es, die Kostenträger mit guten Belegen zu überzeugen, dass der Einsatz von DT relevante Vorteile für die Versicherten bringt und deshalb honoriert werden sollte.

Es ist eine Aufgabe für die AGDT, eine auf praktischen Erfahrungen basierende, betriebswirtschaftliche Ablaufanalyse solcher DSPen zu erstellen, d. h. Belege dafür zu liefern, dass der Einsatz von DT in DSPen über längere Sicht hinweg sich "lohnt". Dazu sollte die AGDT in Zusammenarbeit mit DSPen, in denen DT bereits "erfolgreich" eingesetzt wird, ein entsprechendes Businessmodell aufstellen. Dafür gilt es, Kennzahlen zu entwickeln und mit Zahlen zu hinterlegen, um die Leistungsfähigkeit von DSPen zu charakterisieren. Wie schon erwähnt, gilt es, hierbei die jeweilige Vertragslage adäquat zu berücksichtigen. In Nordrhein hat der Berufsverband der Diabetologen allgemeine Kennzahlen für einige DSPen bereits entwickelt und erhoben. Dies könnte exemplarisch die Einsparpotentiale im Verhältnis zu den damit verbundenen Aufwänden aufzeigen. Dabei kann DT nur zur Effektivität einer DSP beitragen, wenn das Gesamtkonzept stimmt.

Heterogenität bei der Kostenerstattung von Diabetestechnologie

Ein massiver Hinderungsgrund für die Nutzung von DT werden die Unterschiede in der Kostenerstattung für die Nutzung von z. B. Insulinpumpen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sein (s. u.). Eine bisher nur anekdotische vermutete Heterogenität bei der Akzeptanz von DT in Deutschland (diese ist wesentlich höher in den westlichen Bundesländern als in den östlichen) könnte durch eine entsprechende Normierung der Anzahl von DSPen pro KV-Bereich in Hinsicht auf die DT-Nutzung belegt werden.

Wenn sich die vermuteten regionalen Unterschiede bestätigen, dann stellt sich die Frage, wie wir (AGDT und DDG sowie der BVND) dann agieren. Ein erster Schritt wäre die gezielte Ansprache der KVen und der Versuch, diese zu entsprechenden Änderungen bei ihrer Vertragspolitik zu bewegen.

Diabetestechnologin

Meiner Ansicht nach sollte es in jeder DSP eine "Diabetestechnologin" geben. Dies wird in der Realität vermutlich meistens eine entsprechend geschulte und engagierte Diabetesberaterin sein. Diese wäre in der DSP Hauptansprechpartner für alle technischen Aspekte bei der Diabetestherapie und würde sich um den täglichen Umgang mit den verschiedenen technischen Systemen in der praktischen Arbeit kümmern. Was ist notwendig, um eine Implementierung von Diabetestechnologinnen in den DSPen zu erreichen?

Es ergeben sich eine Reihe von Fragen:

  • Wer schult die DSP zu einer Diabetestechnologin und was sind die Qualifikationen, die diese im Endeffekt aufweisen soll? Wenn diese Fortbildung mit einer Zertifizierung verbunden ist, dann gilt es, entsprechende Strukturen für den Aufbau einer solchen Schulung aufzubauen.
  • Der Verband der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) hat die Befürchtung, dass sich parallel zu den Diabetesberaterinnen ein weiteres Berufsbild entwickelt, was den Diabetesberaterinnen "Konkurrenz" macht. Dabei ist dies eigentlich als eine Zusatzqualifikation gedacht, die auf den Fähigkeiten einer Diabetesberaterin aufbaut.
  • Eine solche Weiterqualifikation kann in einer DSP zu einer gewissen Konkurrenzsituation unter den Diabetesberaterinnen führen.
  • Wenn die Diabetestechnologin eine bessere Entlohnung für ihre Arbeit haben möchte, dann gilt es darzulegen, dass sich deren Einsatz für die DSP in ökonomischer Hinsicht lohnt.
  • An der Fortbildung sollten sich auch die Herstellerunternehmen beteiligen, insbesondere um die technischen Aspekte abzudecken.
  • Durch eine Arbeitsgruppe sollten die genannten Aspekte diskutiert werden, um ein Konzept zu entwickeln, wie diese neue Aufgabe in einer DSP Realität werden kann.

Rolle der Berufsverbände

Um eine breitere Akzeptanz von DT in Deutschland zu erreichen, ist meiner Ansicht nach insbesondere der Berufsverband der Diabetologen – sowohl auf regionaler als auch auf Bundesebene (BVND) – gefragt. Die konsequente Nutzung von DT in DSPen stellt in Zukunft einen Eckpfeiler der Schwerpunkt-Diabetologie dar! Die rasche technische Entwicklung bei Smartphones und Medizinprodukten sowie die gesellschaftlichen Umwälzungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, werden vor den DSPen nicht haltmachen. Wenn der BVND den Bedarf und die Rolle von DT ähnlich wie ich einschätzt, dann sollte er im Vorstand Menschen benennen, die sich vorrangig um dieses Thema kümmern.

Druck durch die Patienten

Wie groß das Interesse von Patienten mit Diabetes an innovativen technischen Optionen ist, zeigt das Glukosemesssystem FreeStyle Libre. Viele Patienten sind bereit, dafür selbst zu bezahlen, weil die Vorteile dadurch für sie so groß sind, dass die fehlende Kostenerstattung durch die meisten Krankenkassen für sie kein Hinderungsgrund ist. Dabei ist es faszinierend, wie einige Krankenkassen aufgrund des Drucks der bei ihnen versicherten Patienten zu Änderungen in der Kostenerstattung bereit sind – etwas, das bei CGM nicht passiert ist.

In diesem Sinne wird es auch Druck auf eine Weiterentwicklung der DSPen durch die Patienten selbst geben. Viele Patienten haben ein Smartphone, sie kommunizieren damit, buchen im Internet Urlaube und reservieren Plätze in Restaurants oder sind in den sozialen Medien unterwegs. Zunehmend werden sie dies auf den medizinischen Bereich übertragen und sich im Netz über die DSPen und deren Angebote austauschen. Die DSPen werden sich dieser Entwicklung stellen müssen, unter anderem auch mit einer geeigneten IT-Struktur und Fortbildung ihrer Mitarbeiter – einschließlich der Ärzte!

Durch Zusammenarbeit mit der Patientenorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M) sowie eine Kommunikation mit den diversen Aktivitäten von Patienten in den sozialen Medien gilt es, die Wünsche und Ansichten der Patienten zu erfassen und geeignet umzusetzen. Dabei werden Patienten mit Typ-1-Diabetes vermutlich ein anderes "Anforderungsprofil" erstellen als Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Güte der Datendokumentation durch Patienten und DSPen

Der Einsatz von DT führt auch dazu, dass z. B. die wahren Blutglukosemesswerte erfasst und ausgewertet werden und nicht diejenigen, die der Patient in sein Tagebuch von Hand notiert. Patienten tragen in der Realität wohl häufig zu positive Werte ein, um "Diabetes-Frust" zu vermeiden, keine schriftliche Dokumentation dazu zu haben. Dabei ist auch klar, dass der Einsatz von DT allein nicht zu einer guten Stoffwechseleinstellung führt; DT stellt aber ein wichtiges Hilfsmittel für das Gespräch mit den Patienten zur Optimierung ihrer Therapie dar. Viele Ärzte und Diabetesberaterinnen werden auch eine gewisse "Beschämung" haben, wenn die Analyse von CGM-Profilen aufzeigt, wie unzureichend ihre Therapievorschläge in der Realität vielfach sind (z. B. inadäquate Basalraten bei CSII).

In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage/das Problem nach der Fähigkeit aller an diesen Prozessen Beteiligten (also nicht nur der Patienten …), die graphischen Datendarstellungen und statistischen Analysen adäquat zu interpretieren: Viele Menschen haben ein begrenztes Verständnis für nichtlineare Verläufe, Kurveninterpretation und komplexe Interaktionen. Solche Kompetenzen sind aber eigentlich erforderlich, um z. B. Analysen von CGM-Profilen wirklich interpretieren und in therapeutische Empfehlungen umsetzen zu können. Viele Patienten sind ja schon mit einer vergleichsweise simplen Insulindosisberechnung überfordert.

Wir als AGDT sind hier gefordert und dürfen nicht im Elfenbeinturm der reinen Wissenschaft verharren. Wir müssen den Patienten und deren Ärzten über kleine Schritte fassbare Vorteile und erste Erfolge vermitteln, die deren Alltag erleichtern.

Frust durch Hard- und Softwareprobleme

Die Vielzahl unterschiedlicher Computerprogramme, die "notwendig" sind, um alle Optionen handhaben zu können – die sich gegenseitig stören –, schafft ausgesprochen störende und ärgerliche Probleme, aber auch Unsicherheiten bei der Interpretation und Datenauswertung (wo finde ich in welchem Programm was?). Die schlechte Vernetzung der verschiedenen Computerprogramme untereinander, d. h. die fehlenden Schnittstellen, stellt eine weitere Quelle für Frustrationen dar. Da beharren die Hersteller ziemlich auf ihren jeweiligen Standards. Die Notwendigkeit von doppelten (teilweise dreifachen!) Dateneingaben in verschiedene Computerprogramme ist schwierig zu vermitteln! Es gilt weiterhin, die diversen Fragen und Unsicherheiten hinsichtlich rechtlicher Aspekte bei Daten und der Datensicherheit zu sehen und zu klären. Viele Diabetologen und Diabetesberaterinnen fühlen sich hier überfordert.

Buntheit der Diabetestechnologie-Welt

Es gibt eine zunehmende Anzahl von Optionen im Bereich der DT, ein Beispiel ist die Vielzahl von verschiedenen Apps. Hierbei den Überblick zu bewahren und die Unterschiede zu kennen, ist eine Herausforderung. Eine große DSP mit einer entsprechenden Anzahl von Mitarbeitern kann Patienten ein vielfältigeres Angebot ermöglichen als kleinere Praxen, Letztere müssen sich auf bestimmte Produkte konzentrieren. Im Sinne der Patienten und der Diabetesteams sollte es eine gewisse Zusammenarbeit der Hersteller z. B. mit der AGDT geben, um eine sinnvolle Abstimmung hinzubekommen und Standards einzuführen.

Was kann die AGDT tun?

Was müssen wir als AGDT und ich auch ganz persönlich konkret tun, um das Thema DT in Deutschland im Sinne der Patienten in möglichst viele DSPen zu bringen und diese zukunftsfit zu machen? Klar ist, dass es nicht ohne Technik gehen wird! Da hat sich in den letzten 20 Jahren schon viel getan und es wird – getrieben durch die Digitalisierung unserer Welt – mehr werden. Die Lebensqualität der Betroffenen hat sich bereits verbessert und wird sich weiter wesentlich verbessern.

Wie können wir mehr Kollegen, sowohl auf ärztlicher Ebene wie bei den Diabetesberaterinnen, motivieren, sich auf DT "einzulassen"? Wie bekommen wir diese motiviert? Optimal wäre es, wenn wir die bisher nicht aktiven DSPen kontaktierten und fragten: Was braucht ihr? Die Annahme ist, dass die Antworten darauf zu konkreten Schritten und Aktivitäten führen werden. Die Hoffnung ist, dass dieser Artikel hilft, Initiativen in diese Richtung zu starten!



Prof. Dr. Lutz Heinemann für die AGDT
Kehler Straße 24
40468 Düsseldorf

Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2016; 26 (5) Seite 309-312