Stellungnahme (1) der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), die vom Vorstand der DDG unterstützt wird, zu der Fragestellung: Notwendigkeit der Desinfektion der Haut vor der Kapillarblutgewinnung für die Glukosemessung im Krankenhaus aus Sicht der diabetologischen Fachgesellschaft mit einem Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und einer Kommentierung dazu.

Hintergrund

In dem "Konsensuspapier Blutzuckermessung" der "Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. (DGKH)" wird gefordert, dass in Krankenhäusern vor jeder Blutglukose (BG)-Messung eine Hautdesinfektion vorzunehmen ist (2) (siehe auch Kommentar der DGKH):

  • "Desinfektion/Antiseptik: Hygienische Händedesinfektion: Vor jeder Punktion der Haut sowie nach Abschluss der Maßnahme ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. (RKI Richtlinie C 1.1.3, Maßnahmen der Händehygiene)."
  • "Hautantiseptik: Unmittelbar vor der Punktion ist eine Hautantiseptik unter Beachtung der vom Hersteller angegebenen Mindesteinwirkzeit des Hautantiseptikums vorzunehmen (RKI Empfehlung C 1.4, Hygiene bei Punktionen und Injektionen; Landeshygieneverordnungen). Bei ordnungsgemäßer Durchführung der Hautantiseptik (insbesondere durch Abwarten bis zum völligen Trocknen des Hautantiseptikums vor dem Einstich) findet keine Verfälschung der Messwerte statt."

Dabei werden in einer anderen Publikation des Robert Koch-Instituts (RKI) (3) unter "Ergänzende Hinweise für Punktionen und Injektionen bei Diabetes mellitus folgende Hinweise gegeben:

  • "Vor Lanzettblutentnahmen und Insulininjektionen ist ebenso wie bei jeder anderen Punktion, die durch medizinisches Personal durchgeführt wird, eine Hautdesinfektion durchzuführen."
  • "Hinsichtlich der Eigendurchführung von Lanzettblutentnahmen und Insulininjektionen durch den Patienten selbst im häuslichen Umfeld wird auf Leitlinien der Fachgesellschaften verwiesen." (Dabei werden in der aktuellen Version der Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft [DDG] [und nicht in der in diesen Hinweisen zitierten und veralteten Leitlinie] keine entsprechenden Hinweise gemacht!)
  • "(…) bei allen Menschen mit Typ-1-Diabetes soll während eines stationären Aufenthalts eine Anordnung zum Blutglukosemonitoring erfolgen. Dabei sollen geschulte Patienten soweit wie möglich das Selbstmanagement fortführen können."

Aussagen von anderen Organisationen/in Leitlinien zu diesem Thema

Eine Hautdesinfektion vor der kapillären Blutabnahme im Krankenhaus wird gefordert von Organisationen wie:

  • World Health Organization (WHO; WHO guidelines on drawing blood: best practices in phlebotomy [Kapitel 7.2.2]) (4),
  • US Food and Drug Administration (FDA) (5),
  • Centers for Disease Control and Prevention (CDC) (6),
  • Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology (7),
  • Robert Koch-Institut (RKI)
  • und eben der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (s. o.).

Zu beachten ist, dass diese Vorgaben eher generell sind und sich nicht spezifisch auf die Situation von Patienten mit Diabetes im Krankenhaus beziehen.

Keine Hautdesinfektion bei der Blutgewinnung unter Alltagsbedingungen von Menschen mit Diabetes (d. h. außerhalb des Krankenhauses) wird gefordert:

  • in einem aktuellen Leitfaden des Verbands der Diabetesberaterinnen in Deutschland (VDBD) zur Blutglukoseselbstmessung (Seite 16) (8),
  • in den Empfehlungen der American Diabetes Association (ADA) (9) und
  • in den Empfehlungen des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) (10).

Dabei beziehen sich diese Aussagen auf die Blutglukosemessung im Alltag von Patienten mit Diabetes, d. h. nicht auf die Krankenhaussituation.

Evidenz für die Notwendigkeit einer Desinfektion der Haut vor der Blutgewinnung

Es wurde eine Literaturrecherche durchgeführt (und eine Anfrage an entsprechende Unternehmen gestellt) zur Klärung der Frage:

  • Was ist die Evidenz für die Notwendigkeit einer Hautdesinfektion vor der Gewinnung eines Blutstropfens für die Blutglukose (BG)-Messung im Krankenhaus?
  • Kommt es dabei zu einem erhöhten Risiko von Infektionen (lokal oder generalisiert) mit allen damit verbundenen Konsequenzen und Kosten?

Dabei wurden überraschend wenige Publikationen zu einer hygienisch korrekten Kapillarblutgewinnung für die BG-Messung und noch weniger aktuelle Studien gefunden; dies gilt sowohl für die Situation im Krankenhaus wie auch unter alltäglichen Bedingungen. Dabei wird in aktuellen, mehr allgemein gehaltenen Artikeln zur BG-Selbstmessung unter Alltagsbedingungen Desinfektion nicht erwähnt (z. B. [11]). Es finden sich nur vereinzelt Publikationen zu Infektionen nach dem Gewinnen von Blutstropfen (Entwicklung einer Gangrän am Finger) (12, 13).

Reduktion des Risikos von Infektionen

Generell gilt (d. h. auch außerhalb der Krankenhaussituation) bei kapillärer Blutentnahme, dass ein lokales oder systemisches Infektionsrisiko grundsätzlich durch folgende Maßnahmen an der betroffenen Hautstelle und im Entnahmeumfeld verringert werden kann:

  1. Abwaschen von z. B. Erde, Naturdünger, Fremdblut oder sonstigem kontaminiertem Schmutz,
  2. anschließend regelgerechte Oberflächendesinfektion bis zur Trocknung,
  3. Verwendung von sterilen Lanzetten/Nadeln,
  4. bei Blutentnahme durch medizinisches Personal bei mehreren Patienten Einsatz von regelmäßig von Blut gereinigten und desinfizierbaren Stechhilfen und BG-Messsystemen,
  5. regelgerechte Händereinigung und -desinfektion beim medizinischen Personal
  6. oder stattdessen bei deren Einsatz Verwendung von Einmalhandschuhen,
  7. hygienisch gesicherte Entsorgung der mit Blut kontaminierten Lanzetten/Nadeln, Teststreifen/Sensoren und Tupfer,
  8. Isolierung von MRSA- und vergleichbaren antibiotikaresistenten Patienten bei der Durchführung von Kapillarblutentnahmen und dem isolierten Einsatz von POCT-Glukosemesssystemen nur bei dem jeweils betroffenen Patienten.

Welche Relevanz diese Maßnahmen einzeln oder in Kombination für die Risikoverminderung einer lokalen oder systemischen Infektion in diesem Kontext haben, ist zu unserer Kenntnis bisher nicht systematisch untersucht worden.

Realität der Hautdesinfektion im Krankenhaus

Durch eine Desinfektion der Haut an der Kapillarblutabnahmestelle soll die Gefahr einer durch die Punktion verursachten Infektion vermieden werden. Dafür muss eine "Mindesteinwirkzeit" des applizierten Desinfektionsmittels eingehalten werden, um eine ausreichende Abtötung von Keimen auf der Haut zu erreichen. Bis zur Gewinnung des Blutstropfens muss das Hautareal wieder trocken sein. Dadurch soll gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Flüssigkeit auf der Haut nicht zu einer Verfälschung der Messwerte führt (s. u.). Die Frage ist: Wird in der Praxis die Haut vor der Blutgewinnung desinfiziert und – falls ja – wird die vorgeschriebene Einwirkzeit eingehalten? Es konnten keine publizierten Studienergebnisse gefunden werden, bei denen evaluiert wurde, wie diese Prozedur im Krankenhausalltag wirklich gehandhabt wird. Daher kann nur spekuliert werden, wie die Praxis in deutschen Krankenhäusern ist: Vermutlich erfolgt üblicherweise keine oder inadäquate Desinfektion.

Dass eine Desinfektion so selten im Krankenhaus durchgeführt wird, ist vermutlich durch die Nachteile einer regelmäßigen Desinfektion der Haut zu erklären:

  • ständige Entfettung der Hautstellen,
  • vielfache Handlungsschritte für das Krankenhauspersonal (mit der Gefahr der Übertragung von Krankenhauskeimen),
  • zeitraubende und arbeitsintensive Prozedur, die auch Materialkosten verursacht.

Nicht berücksichtigt wird in dieser Stellungnahme die notwendige ausreichende Hautreinigung durch ausreichendes Waschen der Hände, um eventuelle Fehlmessungen durch auf der Haut befindliche Zuckerreste (z. B. von Obst oder Obstsäften) zu vermeiden (14).

Bei Schulungen von Patienten mit Diabetes werden diese nicht angehalten, eine Hautdesinfektion unter Alltagsbedingungen durchzuführen (s. Leitfaden des VDBD [7]). Bei einer publizierten Befragung gaben dennoch 8 % der Patienten an, ihre Finger immer vor der Blutgewinnung zu desinfizieren (15).

Übertragung von Infektionen im Krankenhaus

Da Patienten mit Diabetes im Zusammenhang mit z. B. Operationen eine BG-Messung nicht selbst durchführen können, erfolgt in diesen Situationen die Gewinnung des Blutstropfens durch medizinisches Fachpersonal ("Assisted Monitoring of Blood Glucose", AMBG). Es gilt hierbei, zwei Risiken zu differenzieren:

  1. Das Risiko der Übertragung von infektiösem Material (z. B. von Hepatitisviren oder HIV) auf Patienten z. B. durch die verwendeten Messsysteme, insbesondere wenn die Blutabnahmegeräte und Glukosemonitoringgeräte für mehrere Patienten verwendet werden (16 – 18). Lanzetten sollten keinesfalls mehrfach verwendet werden.
  2. Zur Vermeidung einer Gefährdung des medizinischen Personals, welches eine kapilläre Blutgewinnung bei Patienten vornimmt, die bereits mit solchen Erregern infiziert sind, sollte dieses bei der Handhabung des Blutstropfens die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigen (s. o.). Nach der BG-Messung gilt es, auch hierbei auf eine ausreichende Desinfektion der BG-Messgeräte zu achten (19, 20).

Dies gilt nicht nur für Krankenhäuser, sondern auch in vielen Institutionen, in denen BG-Messungen durchgeführt werden: Arztpraxen, Senioren- und Pflegeheime, assistiertes Wohnen daheim, Gefängnisse, Flüchtlingsunterkünfte, Schulen, Labors, Gesundheitsmessen und -märkte, Camps etc.

Ob durch das alleinige Unterlassen einer Hautdesinfektion eine Infektion mit Hepatitis-C-Virus oder HIV riskiert wird, wie sie für den Kontakt mit kontaminiertem Blut publiziert ist, ist nicht bekannt. Daher gilt es, im Kontext einer Hautdesinfektion mit dem Argument des Risikos von übertragbaren Infektionen differenziert umzugehen.

Bei Patienten mit einer deutlich eingeschränkten Immunabwehr sollte sowohl bei der Selbstmessung wie einer AMBG eine ausreichende Hautdesinfektion durchgeführt werden.

Verfälschung der Messergebnisse durch das Desinfektionsmittel

Bei der Literaturrecherche wurde ebenfalls nach Studien gesucht, die belegen, dass es durch die Hautdesinfektion zu keiner Verfälschung der Messergebnisse kommt. Eine solche Verfälschung (z. B. im Sinne von falsch niedrigen oder falsch hohen Messwerten) bei Verwendung von alkoholischen Desinfektionsmitteln könnte dazu führen, dass eine vermeintliche Hyperglykämie korrigiert wird, Patienten also eine zu hohe Insulindosis applizieren und dadurch Hypoglykämien auftreten.

Es gibt eine Stellungnahme des RKI zu dieser Frage vom September 2013. Demnach hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft in der zweiten Jahreshälfte 2012 eine entsprechende Anfrage des RKI beanstandet und auf zwei Studien mit unterschiedlichem Design verwiesen, die beide eindeutig belegen, dass eine alkoholische Hautdesinfektion nach Abtrocknen (!) des Desinfektionsmittels die Messergebnisse nicht ungünstig beeinflusst (14, 21). Wenn in der Praxis das Mittel noch nicht vollständig abgetrocknet ist, bevor der Einstich in die Haut mit einer Lanzette erfolgt (was in der Praxis wohl häufig der Fall ist!), kann eine Verdünnung des Bluts erfolgen (erniedrigte Messwerte) bzw. interagiert der Alkohol möglicherweise mit der Chemie in den Teststreifen. Unklar ist, ob die berichteten Ergebnisse für alle Arten von Desinfektionslösungen, BG-Messsystemen und Messprinzipien gelten (22).

Zusammenfassung und Ausblick

  • Basierend auf der über Jahrzehnte hinweg akkumulierten Erfahrung ist eine Hautdesinfektion zur Blutgewinnung für eine BG-Messung unter Alltagsbedingungen nicht notwendig.
  • Eine Übertragung dieser Erfahrung auf die Krankenhausbedingungen erscheint als durchaus sinnvoll. Patienten, die eine BG-Messung durchführen, sollten daher keine Hautdesinfektion vor der Gewinnung des Blutstropfens durchführen.
  • Anders sieht es unter Krankenhausbedingungen bei Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko wegen einer eingeschränkten Immunabwehr aus; hier sollte eine Hautdesinfektion erfolgen.
  • Um das Risiko einer Übertragung von infektiösen Erkrankungen zu reduzieren, sollte bei der Blutgewinnung durch medizinisches Personal unter Berücksichtigung der richtigen Prozedurschritte eine Hautdesinfektion durchgeführt werden.
  • Unserer Ansicht nach sollten die Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. um die Angaben in der Publikation im Bundesgesetzblatt für die Patientenselbstmessung im Krankenhaus (und anderen medizinischen Einrichtungen) modifiziert werden.
  • Als kritisch muss die ausreichende Abtrocknung des Desinfektionsmittels vor der Gewinnung des Blutstropfens betrachtet werden. Diese zeitaufwendige Prozedur wird in der Praxis wohl häufig nicht adäquat durchgeführt (vielfach wird wohl versucht, mit einem Tupfer das Hautareal trockenzureiben), mit einem erheblichen Risiko der Verfälschung der BG-Messwerte. In dieser Situation werden hygienische Belange vor die Güte der BG-Messung gestellt. Da allerdings z. B. die Insulindosierung basierend auf diesem Messwert erfolgt, kann es dadurch zu einer konkreten und unmittelbaren Patientengefährdung kommen, die möglicherweise kritischer zu sehen ist als eine potentielle Infektionsgefahr.

Diese Stellungnahme wurde von den Autoren an die DGKH weitergeleitet mit der Bitte um eine Stellungnahme. Am 27.1.2016 erhielten wir von Barbara Nußbaum, Vorsitzende der DGKH-Sektion "Hygiene in der ambulanten und stationären Kranken- und Altenpflege/Rehabilitation" die folgende E-Mail:

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Heinemann,

über unsere DGKH-Geschäftsstelle bekam ich Ihre Anfrage. In Abstimmung mit dem DGKH-Vorstand möchte ich Ihnen als Vorsitzende der DGKH-Sektion "Hygiene in der ambulanten und stationären Kranken- und Altenpflege/Rehabilitation" folgende Rückmeldung geben.

Unsere Empfehlungen und Hinweise zur hygienischen Handhabung von Blutzuckermessgeräten/Zubehör richten sich an professionelle Pflegende in der ambulanten und stationären Kranken- und Altenpflege/Rehabilitation.

Für diesen Personenkreis sind das Medizinproduktegesetz, RKI-Richtlinien, Unfallverhütungsvorschriften geltend. Für Selbstanwender (im häuslichen Bereich) gelten die Bedienungsanleitungen ihrer Blutzuckermessgeräte sowie die Empfehlungen der diabetologischen Fachgesellschaften.

Der in Ihrem DDG/AGDT-Papier geforderte Verzicht auf die Hautantiseptik bei Patienten, die sich im Krankenhaus/Reha selber BZ messen, können wir nicht zustimmen. Denn Ihr Hinweis, bei infektgefährdeten Patienten soll die Hautantiseptik aber erfolgen, ist m. E. auch schwierig umzusetzen, denn Diabetespatienten sind meist generell infektgefährdet. Außerdem sind die Rahmenbedingungen in Klinik/Reha o. ä. nicht mit der häuslichen Umgebung zu vergleichen.

Aber auch aus präventiven Gründen ist die Hautantiseptik notwendig. Es handelt sich um eine invasive Maßnahme mit Verletzung der Integrität der Hautbarriere bis über die Basalzellzone hinaus, wodurch Blutgefäße verletzt werden. Es besteht immer die Gefahr, dass hier eine Keimverschleppung in die (Mikro)Wunde stattfindet. Einzige evidenzbasierte Gegenmaßnahme hierbei ist die Hautantiseptik mit den geeigneten Mitteln.

Daher werden wir in unserer Empfehlung "Konsensuspapier Blutzuckermessung" die Notwendigkeit der Hautantiseptik für den Bereich Krankenhaus/Reha weiterhin als notwendig aufführen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Nußbaum

Vorsitzende der DGKH-Sektion "Hygiene in der ambulanten und stationären Kranken- und Altenpflege/Rehabilitation"

Kommentar von den Verfassern der AGDT/DDG-Stellungnahme zu diesen Aussagen:

Wir können die offizielle Antwort der DGKH nur begrenzt nachvollziehen. Aussagen wie "Evidenzbasierung" der Gegenmaßnahmen und "Diabetespatienten meist generell infektgefährdet" stimmen unserer Ansicht nach nicht. Die Antwort zeigt die mangelnde Bereitschaft zur Differenzierung der vielfältigen klinischen Situationen von Patienten mit Diabetes bei der kapillären Blutglukosekontrolle durch medizinisches Personal, z. B.

  • ambulant im häuslichen Umfeld,
  • im Seniorenheim,
  • in der Arztpraxis oder
  • stationär u. a. im Pflegeheim,
  • prä- und postpartal,
  • prä- und postoperativ bei nichtinfektiösen Erkrankungen,
  • im psychiatrischen Behandlungsbereich oder
  • in REHA-Kliniken z. B. nach kardialen oder neurologischen Erkrankungen.

Unserer Kenntnis nach gibt es entgegen der Behauptung von evidenzbasierten Nachweisen keine wissenschaftlich belastbaren publizierten Belege für eine generalisierte Notwendigkeit der geforderten Pflicht zur regelmäßigen Hautdesinfektion jedes Patienten mit Diabetes vor jeder kapillären Blutentnahme durch medizinisches Personal. Daher bleiben wir bei den in unserer Stellungnahme formulierten Positionen, die die Defizite klar benennt. Dementsprechend bleiben wir ebenfalls bei unserer Forderung nach differenzierteren Desinfektionsempfehlungen.

Die Aussagen der DGKH lassen völlig außer Acht, dass in praxi eine unzureichende hygienische Vorsorge auf Seiten des medizinischen Personals bei deren Händedesinfektion bzw. Schutz vor Keimübertragung ebenso bei einer Beurteilung von Diabetikergefährdungen zu berücksichtigen ist, bevor solche Empfehlungen mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit ausgesprochen werden. Wir möchten uns auch dagegen verwehren, dass die Empfehlung der diabetologischen Fachgesellschaft mit Bedienungsanleitungen von Geräteherstellern gleichgesetzt wird. Unserer Ansicht sollte die DGKH eine differenziertere Empfehlung in diesem Zusammenhang anstreben.


Literatur
1) Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Notwendigkeit der Desinfektion der Haut vor der Kapillar-Blutgewinnung für die Glukosemessung im Krankenhaus. http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2016/AGDT-Stellungnahme_zur_Fingerdesinfektion_vor_BZ-Messung_11022016_DDG_Vorlage_mit_LH.pdf (Zugriff: 09.03.2016)
2) Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene: Konsensuspapier Blutzuckermessung. 2013. http://www.krankenhaushygiene.de/pdfdata/hm/HM_06_2013_blutzuckermessung.pdf (Zugriff: 29.11.2015)
3) Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen. Bundesgesundheitsblatt 2011; 54: 1135-1144. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Kranken haushygiene/Kommission/Downloads/Punkt_Inj_Rili.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 08.03.2016)
4) World Health Organization: WHO guidelines on drawing blood: best practices in phlebotomy. http://www.who.int/injection_safety/sign/drawing_blood_best/en/ (Zugriff: 29.11.2015)
5) U. S. Food and Drug Administration: Letter to manufacturers of blood glucose monitoring systems listed with the FDA. http://www.fda.gov/MedicalDevices/ProductsandMedicalProcedures/InVitroDiagnostics/ucm227935.htm (Zugriff: 29.11.2015)
6) Centers for Disease Control and Prevention: Recommended infection-control and safe injection practices to prevent patient-to-patient transmission of bloodborne pathogens. http://www.cdc.gov/hepatitis/Populations/PDFs/diabetes_handout.pdf (Zugriff: 29.11.2015)
7) Dolan SA, Felizardo G, Barnes S, Cox TR, Patrick M, Ward KS, Arias KM: APIC position paper: safe injection, infusion, and medication vial practices in health care. Am J Infect Control 2010; 38: 167-172
8) Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland: Leitfaden zur Blutzucker-Selbstkontrolle in Beratung und Therapie. https://www.vdbd.de/Downloads/Web_Broschuere_BlutzuckerLeitfaden8_2015.pdf (Zugriff: 13.08.2015)
9) American Diabetes Association: Checking your blood glucose. www.diabetes.org/living-with-diabetes/treatment-and-care/blood-glucose-control/checking-your-blood-glucose.html (Zugriff: 13.08.2015)
10) Diabetes UK: Testing. https://www.diabetes.org.uk/Guide-to-diabetes/Monitoring/Testing/ (Zugriff: 09.03.2016)
11) Bergenstal R, Pearson J, Cembrowski GS, Bina D, Davidson J, List S: Identifying variables associated with inaccurate self-monitoring of blood glucose: proposed guidelines to improve accuracy. Diabetes Educ 2000; 26: 981-989
12) Suzuki Y, Atsumi Y, Matsuoka K: Finger infection resulting from self-monitoring of blood glucose and a new aid for reducing risk. Diabetes Care 1998; 21: 1373-1374
13) Dahiya S, Voisine M, Samat A: Gangrene from finger pricking. Endocrine 2012; 42: 767
14) Hortensius J, Kleefstra N, Slingerland RJ, Fokkert MJ, Groenier KH, Houweling ST, Bilo HJ: The influence of a soiled finger in capillary blood glucose monitoring. Neth J Med 2010; 68: 330-331
15) Hortensius J, van der Bijl JJ, Kleefstra N, Houweling ST, Bilo HJ: Self-monitoring of blood glucose: professional advice and daily practice of patients with diabetes. Diabetes Educ 2012; 38: 101-107
16) Polish LB, Shapiro CN, Bauer F, Klotz P, Ginier P, Roberto RR, Margolis HS, Alter MJ: Nosocomial transmission of hepatitis B virus associated with the use of a spring-loaded finger-stick device. N Engl J Med 1992; 326: 721-725
17) Thompson ND, Perz JF: Eliminating the blood: ongoing outbreaks of hepatitis B virus infection and the need for innovative glucose monitoring technologies. J Diabetes Sci Technol 2009; 3: 283-288
18) Thompson ND, Schaefer MK: "Never events": hepatitis B outbreaks and patient notifications resulting from unsafe practices during assisted monitoring of blood glucose, 2009-2010. J Diabetes Sci Technol 2011; 5: 1396-1402
19) Schnell O, Kulzer B, Erbach M: Hygiene and disinfection of blood glucose meters in multi-patient setting. Il Giornale di AMD 2014; 17: 139-142
20) Klonoff DC: Improving the safety of blood glucose monitoring. J Diabetes Sci Technol 2011; 5: 1307-1311
21) Mahoney JJ, Ellison JM, Glaeser D, Price D: The effect of an instant hand sanitizer on blood glucose monitoring results. J Diabetes Sci Technol 2011; 5: 1444-1448
22) Mahoney JJ, Lim CG: Effect of disinfectants on glucose monitors. J Diabetes Sci Technol 2012; 6: 81-85


Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Lutz Heinemann für die AGDT
Kehler Straße 24
40468 Düsseldorf

Interessenkonflikte: Lutz Heinemann ist Berater einer Reihe von Unternehmen, die neue diagnostische und therapeutische Optionen für die Diabetestherapie entwickeln. Er ist 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Managing Editor der Zeitschrift "Journal of Diabetes Science & Technology". Er ist Anteilseigner beim Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss und dem Profil Institute for Clinical Research, San Diego, US.
Theodor Koschinsky hat Vortragshonorare von Bayer Vital und Nova Biomedical erhalten.
Guido Freckmann ist 2. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der DDG. Er ist Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Instituts für Diabetes-Technologie Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm (IDT), das neben eigenen Studien im Auftrag verschiedener Unternehmen Studien mit Medizinprodukten durchführt. Er bzw. das IDT erhielt bzw. erhält Vortrags-/Beratungshonorare von Abbott, Bayer, Berlin-Chemie, Becton-Dickinson, Dexcom, LifeScan, Menarini Diagnostics, Novo Nordisk, Roche Diagnostics, Sanofi und Ypsomed.
Rüdiger Landgraf ist Mitglied von Advisory Boards der Unternehmen AbbVie, GlaxoSmithKline, Lilly Deutschland und Novo Nordisk Pharma, erhielt Vortragshonorare von den Unternehmen Boehringer Ingelheim, Lilly Deutschland, Novo Nordisk Pharma, MSD und Roche Diagnostics und Forschungsunterstützung für die Deutsche Diabetes Stiftung von den Unternehmen Alere, Bayer, Beurer, Daiichi Sankyo, GlaxoSmithKline, Industrie Forum Diabetes, Lilly Deutschland, Novo Nordisk Pharma und Sanofi.


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2016; 26 (2) Seite 133-136