Durch FGM-Systeme treten deutlich weniger Unterzuckerungen auf. Das zeigen die ersten Ergebnisse der IMPACT-Studie. Auch immer mehr Kassen übernehmen inzwischen die Kosten für das FreeStyle Libre-System.

Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) ist erst wenige Monate alt, das Okay des Bundesgesundheitsministeriums gerade mal einige Wochen (wir berichteten mehrfach): Die Kosten für Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) müssen die Kassen bei insulinpflichtigen Diabetespatienten (Typ 1 und Typ 2) übernehmen, die auf eine intensivierte Insulinbehandlung eingestellt sind und das festgelegte Therapieziel – auch bei Beachtung der jeweiligen Lebenssituation des Patienten – nicht erreichen.

CGM und FGM

So viel zur CGM. Spannend ist jetzt die Frage, wie sich das Flash Glucose Monitoring – im Schatten des G-BA-Beschlusses – seinen Weg auf dem deutschen Gesundheitsmarkt bahnt. "Für mich liegen die Vorteile von FGM klar auf der Hand", betont Prof. Dr. Thomas Haak aus Bad Mergentheim (siehe Interview). "Die lange Dauer einer Nutzenbewertung für die Kontinuierliche Glukosemessung hat gezeigt, dass man den Patienten in Deutschland den Fortschritt für viele Jahre unnötigerweise vorenthalten hat", betont er.

"Für mich wäre es daher wünschenswert, dass man ohne lange Prüfverfahren und dem üblichen Diskutieren über die Ergebnisse von Studien – derer gibt es derzeit ja nur wenige – FGM als klinische Routine für Menschen mit intensivierter Insulintherapie einführt."

Als erste Krankenkasse warb die DAK-Gesundheit schon im Juli dafür, dass sie ab sofort für Kinder ab 4 Jahren und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes den "neuen Hightech-Sensor" bezahlt. Auch Erwachsene mit intensiver Insulintherapie könnten "unter bestimmten Voraussetzungen" das FGM erstattet bekommen.

Der Verwaltungsrat der Krankenkasse hatte das neue Angebot als Satzungs-Mehrleistung beschlossen. Kurz darauf zog der TK-Verwaltungsrat nach, der ebenfalls eine Satzungsregelung zur FGM für seine intensiviert eingestellten Versicherten mit Diabetes vorsieht. Auch viele weitere Krankenkassen beteiligen sich mittlerweile an den Kosten für das Flash-Glucose-Monitoring.

Studie mit über 250 Diabetikern

Neuen Schub bekommt das FGM durch die ersten Ergebnisse der IMPACT-Studie zum FreeStyle Libre-System bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. An der Studie waren 252 Patienten ab 18 Jahren in 23 Studienzentren in 5 Ländern (Österreich, Niederlande, Spanien, Schweden, Deutschland) beteiligt. Untersucht wurde der Einfluss des FGM auf die Zeit in der Hypoglykämie von Typ-1-Diabetikern.

In den ersten 2 Wochen trugen die Teilnehmer den Sensor, hatten jedoch keinen Einblick in ihre gemessenen Glukosewerte. Danach konnten die Patienten ihre Daten über das Lesegerät einsehen, wodurch sich die Zeit im hypoglykämischen Bereich innerhalb von 2 Wochen um 33 % verringerte. Dieser Rückgang blieb über die gesamte Studiendauer von 6 Monaten mindestens im genannten Umfang (33 bis 42 %) stabil. Die Zeit im Zielbereich (70 bis 180 mg/dl, 3,9 mmol/L bis 10 mmol/L) verlängerte sich hingegen im Vergleich zu Blutzuckerselbstmessungen (BZSM) um eine Stunde pro Tag.

Weniger Hypos bei gleichbleibendem HbA1c

Der primäre Endpunkt, die Reduktion der Zeit im hypoglykämischen Bereich, wurde demnach erreicht: Die Teilnehmer, die das FreeStyle Libre-System nutzten, lagen deutlich weniger häufig in Bereichen unter (< 70 mg/dl bzw. < 3,9 mmol/l) als die Teilnehmer der Vergleichsgruppe, die BZSM vornahmen. Zudem wurde ein deutlicher Rückgang aller gemessenen Hypoglykämieparameter bei gleichbleibenden HbA1c-Werten belegt.

Bei der Studie kam es ingesamt zu einer Reduktion um 38 % der Zeit im hypoglykämischen Bereich (< 70 mg/dl, < 3,9 mmol/L). Die nächtlichen Unterzuckerungen gingen um 40 % (in der Zeit von 23 bis 6 Uhr) zurück. Schwere Hypoglykämien (< 55 mg/dl, < 3,1 mmol/L) reduzierten sich um die Hälfte.

Sensor mit Signalwirkung
Ein kleiner runder Sensor, etwa in der Größe einer 2-Euro-Münze, der bis zu 14 Tage auf der Rückseite des Oberarms getragen werden kann, hat die Glukosemessung revolutioniert: das FreeStyle Libre-Messsystem (FGM). Der Sensor, der mit einem kleinen Klebepad befestigt wird, misst über ein dünnes, direkt unter der Haut platziertes Filament (5 mm lang, 0,4 mm breit) kontinuierlich die Glukosekonzentration in der Gewebeflüssigkeit.

In weniger als einer Sekunde wird schmerzfrei der aktuelle Glukosewert angezeigt, sobald man den Sensor mit dem Lesegerät scannt. Bei jedem Scan wird das Echtzeit-Glukoseergebnis, der Glukosetrend der letzten 8 Stunden und ein Pfeil mit der Richtung des Trends angezeigt. Im Gegensatz zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM mit Echtzeitmessungen bei Tag und Nacht) ist das FGM schon vorkalibriert. So muss der Patient keine blutige Messung zur Kalibrierung vornehmen

Das FreeStyle Libre brachte Abbott 2014 in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, in Spanien, Schweden und Großbritannien auf den Markt. Inzwischen ist es in 11 Ländern Europas verfügbar und wurde kürzlich auch in Australien und Brasilien eingeführt.

Außerdem kam es einerseits zu häufigeren Glukosemessungen mit durchschnittlich 15 Scans pro Tag, andererseits entfiel das routinehafte Fingerstechen fast völlig (Rückgang um 91 %). Zudem zeigte sich auch nach einem halben Jahr kein HbA1c-Anstieg. Bis heute gehen Diabetesexperten ja davon aus, dass eine Senkung des HbA1c-Werts häufig mit einem Hypoglykämieanstieg einhergeht. Im Umkehrschluss besteht demnach ein Zusammenhang zwischen dem Risiko schwerer Unterzuckerungen und einer HbA1c-Senkung.

Häufigere Messungen durch komfortable Messtechnik

Der signifikante Anstieg der Messhäufigkeit erklärt sich dadurch, dass die FGM-Teilnehmer ihre Glukosewerte mit dem Lesegerät oftmals scannten. Die häufigeren Messungen lieferten den Patienten mehr Informationen über ihren Glukosespiegel, wodurch sie Hypoglykämien bzw. Hyperglykämien frühzeitig entgegenwirken bzw. vorbeugen konnten.

"Hypoglykämien sind das Haupthindernis beim Erreichen einer optimalen Glukosekontrolle bei insulinpflichtigen Diabetikern", betont Prof. Jan Bolinder aus Stockholm, Leiter der IMPACT Studie. Außerdem könnten Unterzuckerungen "nicht nur unerwünschte klinische Folgen wie kardiovaskuläre Ereignisse haben und sogar tödlich enden, sondern sie verursachen durch die erforderliche Notfallversorgung erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem."

Blutzuckermessung gilt nach wie vor als Standard

Die BZSM gilt derzeit als Standard der Diabetestherapie. Die europäischen Leitlinien empfehlen, mindestens 4-mal täglich den aktuellen Blutglukosewert zu messen. Aktuelle Daten zeigen jedoch, dass viele Diabetiker diesen Empfehlungen nicht folgen und ihren Glukosewert weniger als 3 Mal pro Tag kontrollieren. Eines der größten Hindernisse stellt für sie dabei das Fingerstechen dar, das häufig als schmerzhaft empfunden wird.

Die IMPACT Studie habe bestätigt, wie wichtig es sei, "den Patienten die Daten zu liefern, die sie für kompetente eigene Entscheidungen im Diabetesalltag brauchen", erklärte Jared Watkin von Abbott Diabetes Care. "Wir dürfen die Bedeutung der Information nicht unterschätzen, insbesondere bei Patienten, die mit einer chronischen Erkrankung leben müssen."

Experteninterview mit Prof. Dr. Thomas Haak


Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (11) Seite 6-8