Dr. Thomas Werner, Chefarzt im Diabeteszentrum Bad Lauterberg, trug über einige Tage ein Flash-Glucose-Messgerät (FGM). Das Diabetes-Forum (DF) wollte wissen, wie es ihm damit ergangen ist.

In den letzten Jahren gibt es gewaltige Fortschritte bei den Behandlungsoptionen von Patienten mit Diabetes. Besonders die zur Therapiesteuerung notwendige Glukosemessung hat sich rasant entwickelt. Musste in den Anfangsjahren der Diabetologie noch der Urinzucker bestimmt werden, hat sich die zum Selbstmanagement notwendige enzymbasierte BZ-Bestimmung mit Handmessgeräten etabliert.

Ohne diese Möglichkeit wären viele Therapieschemata nicht umsetzbar, die Lebensqualität der Patienten deutlich eingeschränkt. Natürlich gibt es auch hier Nachteile: punktuelle Messergebnisse und die notwendigen, teils schmerzhaften Blutentnahmen. Mit der Einführung der kontinuierlichen subkutanen Glukosemessung (CGM) stehen nun neue Möglichkeiten zur Verfügung.

Das Flash-Glucose-Monitoring macht die Gewebezuckerbestimmung auch für eine große Anzahl von Patienten verfügbar. Im folgenden Interview schildert der nicht an Diabetes erkrankte Arzt Dr. Thomas Werner seine Erfahrungen mit einem FGM- Gerät unter Alltagsbedingungen. Die dabei gewonnen Erfahrungen helfen auch sicher bei der zukünftigen Behandlung seiner Patienten.

Diabetes-Forum (DF): Wie kommt man als Gesunder dazu, ein Blutzuckermessgerät zu tragen?

Dr. Thomas Werner: Wir hatten Ende August eine Patientenveranstaltung mit dem Thema "Diabetes, Bewegung und Sport" organisiert. Dabei gab es auch ein Radrennen für jedermann. Besonders Diabetiker wollten wir ansprechen. Bei solchen Ausdauersportarten ist eine Kontrolle des Blutzuckers für diese Menschen sehr wichtig. Die Firmen haben uns zum Testen einige Geräte zur Verfügung gestellt. Da wir die Daten auswerten wollen, kam die Idee, gesunde Vergleichspersonen mitmachen zu lassen.

DF: Sie waren so mutig…

Dr. Thomas Werner: Na, ja, unsere Beraterinnen mussten mich schon drängen. Wer will sich unnötig piksen lassen?

DF: So schlimm?

Dr. Thomas Werner: Ich war schon überrascht, wie wenig man beim Anlegen eines FGM-Gerätes spürt. Kaum mehr als ein Mückenstich. Juckt anschließend auch nicht. Wenn ich mir so vorstelle, wie es ist, sich alternativ mehrfach am Tage in den Finger zu stechen... Diabetiker müssen schon was aushalten.

DF: Und – wie war das Tragen des Gerätes?

Dr. Thomas Werner: Das habe ich irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen. Beim Duschen hätte ich es fast abgerissen.

DF: Wo war es denn angebracht?

Dr. Thomas Werner: Rückseite linker Oberarm.

DF: Klebt das dort?

Dr. Thomas Werner: Und wie. Sogar beim Schwitzen während des Trainings gab es zumindest bei mir keine Probleme.

DF: Und die Bedienung?

Dr. Thomas Werner: Sogar ich habe das ohne großes Studium der Bedienungsanleitung verstanden. Die Schwierigkeit bestand eher im Einscannen der Messwerte. Das muss man alle 8 Stunden machen. Am Anfang achtet man noch darauf. Aber wenn man so richtig im Stress ist, kann man das leicht vergessen. Dann muss man den Scanner auch ständig mit sich umhertragen…

DF: Geht das nicht mit dem Handy?

Dr. Thomas Werner: Hmm, ich bin schon älter (lacht) und vergesse auch gern mal mein Telefon. Eine richtige Alternative ist das für mich nicht.

DF: Heißt das, dass Sie das FGM umsonst getragen haben?

Dr. Thomas Werner: Ich habe schon aufgepasst. Ging alles gut. Ist aber auch eine Sache, wo man Diabetiker bewundern sollte. Die müssen schon diszipliniert sein. Man bekommt einen ganz anderen Blick in den Alltag Betroffener.

DF: Wie waren Ihre Zuckerwerte?

Dr. Thomas Werner: Das war schon seltsam. Die Schwankungen über den Tag sind auch bei Nichtdiabetikern zu beobachten. Ich hatte über die Nacht häufig sehr niedrige BZ-Werte. Außer nach einer Pizza. Da blieb es die ganze Nacht etwas höher. Das ist auch bei unseren Patienten in Bad Lauterberg ein beliebter Abschlusstest: Wie bewältigt meine neue BZ-Einstellung eine Pizza? Ich weiß jetzt, von was wir reden.

DF: Wie läuft es beim Sport?

Dr. Thomas Werner: Bei meiner Feierabendrunde mit dem Rennrad merkt man gar nichts. Ich bin immer so eine Stunde unterwegs. Meist richtig mit anschwitzen. Für den BZ bei mir ohne Auswirkung. Ich esse auch nichts extra für die kurzen Belastungen und trinke nur Wasser.

DF: Sie haben doch auch beim Radrennen in Bad Lauterberg teilgenommen?

Dr. Thomas Werner: Ja, ich musste das Peloton für die große Runde füllen. Ein schwerer Fehler…

DF: Wieso?

Dr. Thomas Werner: Ich musste doch mit dem Exprofi Robert Förster und Scott Ambrose fahren. Es ist einfach unglaublich, wie schnell die sind. Trotz Diabetes. Scott fährt nämlich im Profiteam Novo Nordisk. Dort sind alle Sportler Typ-1-Diabetiker. Ich war am Limit, während die Jungs noch locker kurbelten.

DF: Und der Blutzucker blieb stabil?

Dr. Thomas Werner: Ganz im Gegenteil. Der ganze Tag war extrem stressig. Ich war ja Organisator der Veranstaltung. Da gab es viel zu tun. Das hat den BZ schon nach oben getrieben. Dann habe ich nach dem Rennen Kohlenhydrate zu mir genommen…zack ging die Zuckerkurve auf meinem FGM in die Höhe. In der Nacht rutschte es massiv runter. Die Muskeln füllten wohl ihre Glukosespeicher wieder auf. Eine Berg- und Talfahrt war das.

DF: Bei Nichtdiabetikern auch?

Dr. Thomas Werner: Natürlich nicht so extrem wie bei Typ-1-Diabetikern. Aber auch bei meinem Profil konnte man so etwas beobachten. Das ist alles schon sehr schwierig. Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Probleme seiner Patienten.

DF: Was ist ihr Fazit?

Dr. Thomas Werner: Die Technik ist ausgereift. Funktioniert alles ohne große Probleme. Man spart sich als Diabetiker die ganze Stecherei in die Finger. Das ist sicher ein wichtiges Argument. Dann bekommt man die BZ-Schwankungen alle mit. Dort gilt es, Ruhe zu bewahren. Es gibt auch beim Gesunden eine große Varianz. Erspart bleibt einem nicht das Mitdenken. Messwerte müssen interpretiert werden.

DF: Vielen Dank für das Gespräch!



Die Fragen stellte Matthias Heinz
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
Tel.: 06131/960700, Fax: 06131/9607090

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (10) Seite 33-34