Das Thema Gewebeglukose-Messung gewinnt in der Kommunikation mit den Patienten immer größere Bedeutung: Fast jeder Patient mit Typ-1-Diabetes will dazu Informationen erhalten.

In der Diabetespraxis Ahaus haben wir seit November schon mehrere Informationsveranstaltungen zum Thema Gewebeglukose-Messung durchgeführt (Modul 0 der Spectrum – Schulung; über 120 Patienten haben daran teilgenommen); für viele haben wir schon einen Antrag auf Kostenübernahme ausgestellt und einige Systeme sind in der Zwischenzeit von den Kostenträgern schon genehmigt worden

Immer mehr Krankenkassen übernehmen die Kosten für das System FreeStyle libre der Firma Abbott (aktuelle Übersicht unter www.freestyle.de), ein Messsystem zur diskontinuierlichen Gewebeglukose-Messung (Flash Glukose Monitoring = FGM). Dieses System kostet für 6 Monate 828,80 € (Starterset mit Auslesegerät und 2 Sensoren für jeweils 2 Wochen = 169,90 € + 11 Sensoren = 658,90 €). Manche Krankenkassen lehnen derzeit aber (noch) die Kostenübernahme für das FGM ab und bezahlen lieber ein rtCGM-System, das für 6 Monate abhängig vom Hersteller zwischen 2.895,99 € und 4.329,00 € kostet.

Von manchen Krankenkassen wird auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet. In einem MDK-Gutachten wurde die Kostenübernahme für das beantragte System Medtronic rtCGM Guardian Connect ohne Monitor (Kosten: 949,00 €) mit folgender Begründung abgelehnt: das beantragte System entspricht nicht den Voraussetzungen des GBA, falls es mit einem Mobiltelefon als Empfänger genutzt werden soll, da ein Mobiltelefon nicht als zugelassenes Medizinprodukt zu werten ist.

Dasselbe System mit Monitor ( iPod Touch) steht in der Preisliste mit 1.460,70 €, also ein Aufschlag von 511,70 €. Dieses System würde vom MDK genehmigt werden und somit von der Krankenkasse bezahlt werden. Der Patient, für den ich die Verordnung ausgestellt habe, hat ein Smartphone, das mit dem Guardian-Connect-System kompatibel ist und darum den Monitor nie nutzen würde.

Ich habe beim Hersteller nachgefragt: die Guardian-Connect-App, die entweder auf dem iPod-Touch oder auf dem Patienten-Smartphone installiert wird, ist natürlich als Medizinprodukt zertifiziert; das iPod-Touch ist (natürlich wie das Smartphone) auch kein Medizinprodukt. Wenn ich dem Gutachten des MDKs folge, verursache ich eine unwirtschaftliche Verordnung, da ich ein System verordnen würde, das mehr kostet, aber vom Patienten nicht benötigt und somit auch nicht eingesetzt wird.

Wenn ein Patient ein rtCGM-System nutzen will, dann muss er zunächst eine technische Einweisung in das System erhalten und anschließend intensiv geschult werden, um die Datenmenge, die er mit diesem System erhält, sinnvoll managen zu können. Dafür existiert das Schulungsprogramm Spectrum mit den Modulen 0 – 6 (siehe auch Interview auf Seite 36). Unklar war bis vor kurzem, wie die Spectrum-Schulung bezahlt werden soll.

Ich habe dazu eine Krankenkasse gefragt und folgende Antwort erhalten: "Die technische Einweisung ist Aufgabe des Verantwortlichen nach Medizinproduktegesetz (Hersteller oder Beauftragter) und fällt nicht in die Leistungspflicht der GKV. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) regelt abschließend die Schulung der Patienten."

Der Bewertungsausschuss hat dazu am 21. Februar für den EBM eine neue Gebührenordnungsposition (GOP) beschlossen (abhängig von der Fachrichtung GOP 03355 oder GOP 13360 oder GOP 04590), die ab dem 1. April abgerechnet werden kann. Für diese Schulungsleistung werden pro 10 Minuten 72 Punkte à 10 Cent = 7,90 € vergütet; die Ziffer kann höchstens 10-mal im Krankheitsfall abgerechnet werden, das wären dann insgesamt 79 €.

Ich frage mich, welches Schulungsprogramm für 79 € abgerechnet werden kann? Das Schulungsprogramm Spectrum sicher nicht, da der dafür erforderlich Zeitaufwand die 100 Minuten, die ab dem 1. April vergütet werden, übersteigt. Unter diesen Vergütungsbedingungen können die Patienten im Umgang mit einem rtCGM-System nicht richtig geschult werden. Ich finde diesen Beschluss sehr schade.



Autor: Dr Martin Lederle
Diabetes-Forum-Chefredakteur
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (4) Seite 5