Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Zahl der Demenzkranken stark zu. Adäquate Behandlung ist notwendig, aber vor allem auch Prävention. In diesem Schwerpunkt erfahren Sie, welche Maßnahmen angesagt sind.

Der Begriff "Demenz" bedeutet aus dem Lateinischen frei übersetzt: "Der Geist ist weg". Es handelt sich um eine schwerwiegende Störung der geistigen Leistungsfähigkeit, die unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung ist, also eigentlich um einen Oberbegriff für eine Reihe von Krankheitszeichen verschiedener Ursache und unterschiedlichen Verlaufs. Erfreulicherweise treten Demenzen im jüngeren Lebensalter nur sehr selten auf.

Die Anzahl der Betroffenen zwischen 60 und 65 Jahren liegt im einstelligen Prozentbereich. Allerdings nimmt die Demenz mit zunehmendem Lebensalter stark zu, sodass im Alter von 90 bis 100 Jahren etwa 40 - 50 % der Menschen unter einer Demenz leiden. Und bei steigender Lebenserwartung ist auch mit einem höheren Anteil von Demenzkranken zu rechnen. Dies bestätigt sich bislang noch nicht. Möglicherweise, weil wir in der Prävention schon vieles richtig machen. Was richtig gemacht werden kann, soll hier gezeigt werden.

Alzheimer-Demenz am häufigsten

Aktuell gibt es in Deutschland ca. 1,5 Mio. Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Die Mehrheit – ca. zwei Drittel der Erkrankungen – sind degenerative Demenzen vom Alzheimer-Typ. Unter diesem Oberbegriff finden sich verschiedene Erkrankungen, denen ein zumeist schleichender, langsamer Verlust der Hirnleistung und des Gedächtnisses gemeinsam ist. Nur etwa ein Drittel der Erkrankungen sind vaskuläre Demenzen oder Mischformen aus vaskulärer und Alzheimer-Demenz.

Dabei spielt die Multi-Infarktdemenz (kleine Schlaganfälle, die die Gehirnfunktion beeinträchtigen) oder die vaskuläre Enzephalopathie (Durchblutungsstörung mit Veränderungen der weißen Hirnsubstanz) als Folge der Arteriosklerose die entscheidende Rolle. Bei der Alzheimer-Demenz wissen wir bis heute noch nicht genau, weshalb sich das Gehirn als Ganzes verändert und dabei ein besonderer Anteil, der sogenannte Hippocampus, besonders betroffen ist. Dieser ist für das Kurzzeitgedächtnis zuständig, und hier ist auch die erste klinische Auswirkung erkennbar, das Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses.

Vor allem das episodische Gedächtnis, also das Erinnern von kurz zurückliegenden Ereignissen oder Begebenheiten ist betroffen. Später folgen Orientierungsschwierigkeiten und Probleme beim Ausführen gewohnter Tätigkeiten, unter anderem auch bei der Blutzuckermessung oder der Insulingabe. Veränderungen des Gefühlslebens, wie nachlassendes Interesse oder Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen kommen dazu. Irgendwann ist der Demenzkranke dann nicht mehr in der Lage, sein eigenes Leben selbständig zu führen.

Ungünstig: hohes HbA1c und Hypoglykämien

Aus sehr großen Patientenzahlen ist bekannt, dass Menschen mit Diabetes ein ca. 2,7-fach erhöhtes Risiko für die vaskuläre Demenz haben, aber auch ein ungefähr doppelt so hohes Risiko, eine primär degenerative Demenz zu erleiden. Viele Studien konnten zeigen, dass deutlich erhöhte Blutzuckerwerte mit der Entstehung von Demenz vergesellschaftet sind. So ist beispielsweise bei einem HbA1c von 6,5 – 7,5 % ein "normales" Demenzrisiko feststellbar.

Liegt das HbA1c >10,5 %, ergibt sich ein 2,4-fach erhöhtes Demenzrisiko für diese Menschen. Umgekehrt können aber auch niedrige Werte ein Risiko bergen, wie Daten bei Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigen. Spätestens seit den Arbeiten von Whitmer et al. (2007) wissen wir, dass bei Typ-2-Diabetes das Auftreten von schweren Hypoglykämien mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert ist. Traten in der Vergangenheit drei oder mehrere schwere Hypoglykämien auf, kann sich das spätere Risiko nahezu verdoppeln!

Eine gute Blutzuckereinstellung ohne Hypoglykämien und ohne dauerhafte Entgleisung ist also bereits ein guter Schutz vor einer Demenz. Allerdings gilt dies nicht für Menschen, die an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt sind. Hier konnte der Effekt nicht bestätigt werden.

Alkohol in Maßen protektiv

Immer sinnvoll zur Demenz-Prävention sind Basismaßnahmen und eine optimale internistische Behandlung sowie kognitives Training (Hirnleistung und Konzentration). Bei den Basismaßnahmen gibt es klare Hinweise, dass bestimmte Ernährungsweisen, wie beispielsweise die Mittelmeerkost mit einem hohen Anteil an frischem Gemüse, und wenig, aber hochwertigem Fleisch sowie Fisch und vor allem Olivenöl protektive Effekte besitzen. Ein- und mehrfach ungesättigte Fettsäuren können das Demenzrisiko reduzieren und haben auch sonst kardioprotektive Effekte.

Wird zum mediterranen Essen auch ein Glas Wein getrunken, hat dies ebenfalls einen schützenden Effekt für das Gehirn. Aber Achtung: Die Menge macht das Gift! Kleine Mengen von Alkohol, zum Beispiel ein Achtelliter Wein für die Frau und ein Viertelliter Wein für den Mann als Obergrenze sind im Hinblick aufs Demenzrisiko nicht nur unbedenklich, sondern nach einigen Studien sogar protektiv. Strikter Alkoholverzicht ist diesbezüglich nicht so günstig.

Allerdings: Bei Überschreitung der empfohlenen Tagesmenge kann es für das Gehirn schnell schädlich werden. Auch anderen Getränken wird ein schützender Effekt nachgesagt. So scheint der Genuss von Kaffee nicht nur mit der Reduktion des Alzheimer-Risikos verbunden zu sein, er ist durch den Gehalt an Antioxidantien auch ein Schutzfaktor vor Parkinson oder Leberzirrhose.

"Dual Task" besonders effektiv

Regelmäßige Bewegung schützt vor Herz-Kreislauferkrankungen. Einer Analyse im Lancet Neurology (2014) zufolge bedingen allein die Lebensstilfaktoren ca. ein Drittel der Demenzerkrankungen. Die körperliche Inaktivität ist dabei der wichtigste Faktor. Jeder Dritte bewegt sich zu wenig und dies erklärt, isoliert betrachtet, jede fünfte Demenz!

Bewegung zur Demenz-Prävention sollte gut dosiert werden. Eine Studie an 5 000 Menschen mit und ohne Demenz aus Reykjavik mit einer Beobachtungsdauer von 25 Jahren konnte zeigen, dass körperlich inaktive Menschen das höchste Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Bewegen sich die Menschen mehr, aber im Schnitt nur weniger als 5 Stunden pro Woche, sinkt das Demenzrisiko auf fast die Hälfte (Risiko 0,59). Beträgt die körperliche Aktivität mehr als 5 Stunden pro Woche, steigt das Risiko wieder auf 0,74 – woran das genau liegt, ist nicht hinreichend geklärt, aber es ist dennoch interessant (auch trostreich).

Bei der körperlichen Aktivität kommt es auch darauf an, was man macht. Spazierengehen ist eine angenehme Form der Bewegung. Besonders effektiv ist sie, wenn gleichzeitig noch eine andere Aufgabe verrichtet wird, wie zum Beispiel sich mit einem Begleiter/Begleiterin angeregt unterhalten. Bei diesem sogenannten "Dual Task" wird nicht nur das Körperliche, sondern auch das Geistige gefördert. Diese Art von Training ist besonders effektiv. Eine japanische Studie an Menschen mit und ohne Demenz belegt, dass die Zahl der Freunde sehr stark mit dem Demenzgrad korrelierte. "Hast Du genug Freunde, brauchst Du keine Demenz!"

Medikamente mit Nebenwirkungen

Bestimmte Medikamente haben sogenannte anticholinerge Nebenwirkungen. Diese verschlechtern die Kognition, können ein Delir bewirken und stehen im Verdacht, Demenzen mit zu triggern. Dazu zählen vor allem Antidepressiva oder Antihistaminika der älteren Genreration, auch bestimmte Arzneien zur Behandlung bei Morbus Parkinson oder Mittel gegen Harninkontinenz.

Ebenso korrelieren Schlafmittel vom Benzodiazepin-Typ möglicherweise mit Demenz, wobei nicht genau geklärt ist, ob sie Demenzen hervorrufen oder ob die im Vorstadium einer Demenz auftretenden Schlafstörungen letztlich die Menschen zur Einnahme von Benzodiazepinen stimulieren. Die häufig bei Diabetes eingesetzten Cholesterinsenker (Statine) standen einige Zeit im Verdacht, Demenzen hervorzurufen. Umgekehrt hatte man zeitweise auch die Hoffnung, dass sie Demenz verhindern können. Eine größere Metaanalyse der sogenannten Cochrane-Library zeigte diesbezüglich eher Neutralität.

Der Herz-Kreislauf-Nutzeffekt von Metformin und Pioglitazon hat möglicherweise auch eine gewisse Demenz-Schutzwirkung. Bei der Therapie mit Metformin sollte auf den Vitamin-B12-Spiegel geachtet werden. Dieser kann absinken und damit verschlechtert sich die geistige Leistungsfähigkeit. Im Forschungsinteresse stehen aktuell die GLP-1-Analoga in Bezug auf günstige Effekte im Gehirn. Die Frage, ob diese Substanzen, die auch im Gehirn wirken, tatsächlich eine Demenzprävention bewirken können, bleibt spannend.

Zur Insulintherapie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es gibt Anzeichen, dass bei Menschen mit degenerativer Demenz (Alzheimer) eine gewisse "Insulinresistenz des Gehirns" besteht.

Schützt Insulin vor Gedächtnisverlust?

Da sich subkutan injiziertes Insulin nur über einen nicht beliebig veränderbaren Transportmechanismus über die Blut-Gehirn-Schranke verbreitet, ist es mit der normalen subkutanen Gabe praktisch nicht möglich, Einfluss zu nehmen. Es gibt aber eine Möglichkeit, Insulin direkt ins Gehirn zu bringen. Forscher in Lübeck beschäftigen sich schon lange mit diesem Thema. Sie haben festgestellt, dass durch die Nase zugeführtes Insulin direkt ins Gehirn gelangt und das Gedächtnis sowohl bei Menschen ohne Diabetes als auch mit Diabetes verbessert.

Dies gilt sowohl für Menschen mit einer kognitiven Einschränkung, also einer Vorform der Demenz, als auch für Menschen mit bereits bestehender Demenz. Es wird interessant bleiben zu erfahren, was Insulin alles kann. In diesem Bereich werden wir in den nächsten Jahren sicher noch einige durchschlagende Erfolge finden können.



Autor: Dr. med. Dr. Univ. Rom Andrej Zeyfang
Chefarzt Klinik für Innere Medizin und Geriatrie, Ärztlicher Direktor, Agaplesion Bethesda Krankenhaus Stuttgart,
Hohenheimer Str. 21, 70184 Stuttgart, andrej.zeyfang@bethesda-stuttgart.de
Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie, Albert-Einstein-Allee 4, 89081 Ulm, andrej.zeyfang@uni-ulm.de

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (9) Seite 8-11