Der Begriff Panomics umfasst die Gesamtheit aller gewonnenen biologischen Datensätze aus Genom, Transkriptom, Proteom, Metabolom und allen weiteren „omen” sowie deren Kombination mit anderen patientenspezifischen Informationen. Immer effizientere und günstigere Hochdurchsatz-Sequenziertechniken führen zu immer größeren biologischen Datenmengen - Daten, die nicht nur generiert werden können, sondern auch genutzt werden wollen.

Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) definiert den Begriff folgendermaßen: ”The interaction of all biological functions within a cell and with other body functions, combining data collected by targeted tests ... and global assays (such as genome sequencing) with other patient-specific information.”(1)

Besonders die Onkologie profitiert

Gerade im Bereich der Onkologie ist die Kenntnis der molekularen Signatur der Tumorzellen von großer Bedeutung. Die modernen Sequenziermethoden ermöglichen die Aufdeckung der molekularen Veränderungen, die dem jeweiligen Tumor zugrunde liegen und können in der Präzisionsonkologie für die Bestimmung der bestmöglichen Therapie genutzt werden. So orientiert sich die moderne Krebsforschung immer weniger an einer Einteilung nach Organen, sondern zunehmend an den molekularen Veränderungen einer Erkrankung. Um diese Veränderungen aufdecken zu können, wird der Einsatz von Hochdurchsatz-Sequenziertechniken und Hochleistungsrechnern benötigt.

Der Grundstein für die Entwicklung dieser auf molekularen Veränderungen basierenden Medizin wurde mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 gelegt. Die Ära der Genomforschung war damit eröffnet. Es folgte bald darauf die Erschließung des Gebiets der Transkriptomforschung, und schließlich begann mit den technologischen Entwicklungen im Bereich der Massenspektrometrie und Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) die Proteomforschung immer größere Bedeutung zu gewinnen.

Metabolomforschung weist bereits erste Erfolge auf

Als letztes rückten die Metabolite in den Fokus der Wissenschaft. Das schnell wachsende Feld der Metabolomforschung weist bereits erste Erfolge auf und findet vor allem im Bereich der Biomarkeridentifikation und in der Analyse des Krebs-Metabolismus Anwendung.(2) Metabolite sind die finalen Produkte der verschiedenen biologischen Prozesse und somit vielversprechende Biomarker, die die biologischen Effekte genetischer Mutationen oder Umweltveränderungen reflektieren. So könnte die Aufdeckung von Veränderungen im Metabolismus dabei helfen, die Prozesse während der Tumorinitiation und -progression besser zu verstehen. Ein Beispiel für eine metabolomische Studie ist eine im Jahr 2016 durchgeführte Metabolom-Analyse bei Gebärmutterhalskrebs. Hier konnten vier Lipide als neue Biomarker für Gebärmutterhalskrebs identifiziert werden.(3)

Weiterhin konnten mittels NMR-Spektroskopie und Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) in Verbindung mit 13C-Isotopenmarkierung von Glucose und Glutamin metabolische Veränderungen in Zellen mit mutiertem PIK3CA Gen aufgedeckt werden.(4) PIK3CA ist in einer Vielzahl von Krebsarten - darunter auch in vielen Brustkrebsarten - mutiert, was die zelluläre Physiologie sowie die Sensitivität für Chemotherapeutika verändert. PIK3CA ist somit einerseits ein geeignetes Zielmolekül für die frühe Detektion von Krebs und andererseits ein Anhaltspunkt für die personalisierte Therapie.

Darüber hinaus wurden Effekte in mehreren metabolischen Wegen beobachtet, darunter ein Abfall des Glycerophosphocholinlevels sowie ein Anstieg der Glutaminolyse, der de novo Fettsäuresynthese und des Pyruvateintritts in den Zitronensäurezyklus. All diese beobachteten Veränderungen haben das Potenzial, als Biomarker in der Diagnostik genutzt zu werden. Auch die Hepatitis-B-Forschung wird durch Metabolomics vorangetrieben: So konnte gezeigt werden, dass das zentrale Protein des Hepatitis-B-Virus (HBc) durch die Veränderung der Glykolyse und des Aminosäure-Metabolismus zu der Fehlregulation des Metabolismus führt, die bei Hepatitis-B-Infektionen typisch ist.(5)

Diese und viele weitere Erkenntnisse sind der Genom-, Transkriptom-, Proteom- und Metabolomforschung zu verdanken. Mögliche „omics”-Anwendungen müssen nun klinisch erforscht werden, um ihre Relevanz für neue diagnostische oder therapeutische Optionen zu evaluieren.

Biomarkeridentifizierung könnte von Integration der Daten aus allen Bereichen profitieren

Bisher wurden Genomics, Transcriptomics, Proteomics und Metabolomics weitestgehend isoliert voneinander genutzt, doch gerade die Integration der Daten aus allen Bereichen dieser vier großen sowie weiterer „Molekülfamilien“ birgt großes Potenzial im Hinblick auf die Biomarkeridentifizierung. Die interdisziplinäre Einbeziehung verschiedener Techniken und Ansätze wird von Nöten sein, um ein immer genaueres Bild von Fehlregulationen zu erhalten, die einer spezifischen Erkrankung zugrunde liegen.

Für die biopharmazeutische Forschung bieten die Entwicklungen im Bereich der „omics”-Technologien großes Potenzial. Neue Ansatzpunkte könnten in der Diagnostik und somit auch in der stratifizierten Medizin ermöglicht werden. Die große Herausforderung wird sein, die riesigen Datenmengen effizient und nutzerfreundlich zu bearbeiten und auszuwerten. Ein noch stärkeres Zusammenwirken von Wissenschaft und Industrie sowie geeignete Rahmenbedingungen durch die Politik werden erforderlich sein, um eine konsequente Integration der Panomics-Technologien in Forschung und Entwicklung sowie in der Klinik zu gewährleisten.


Literatur

Quelle: Pressemitteilung von vfa bio