Experten suchen nach wie vor nach den Ursachen für den starken Anstieg der Diabeteszahlen. Dabei wird auch immer wieder das Thema Luftverschmutzung diskutiert. Während eine aktuelle Studie aus England keinen Zusammenhang zwischen dreckiger Luft und Typ-2-Diabetes feststellen konnte, deuten Zahlen aus Augsburg auf das Gegenteil hin.

In einer Studie aus dem Vereinigten Königsreich hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von mehr als 10.000 Studienteilnehmern im englischen Leicestershire ausgewertet. Für das Journal „Environment International“ überprüften sie einen möglichen Zusammenhang von Luftverschmutzung und Typ-2-Diabetes.

Britische Forscher sehen keinen signifikanten Zusammenhang ...

Um die Belastung mit Stickstoffdioxid und Feinstaub am jeweiligen Wohnort der Beteiligten abzuschätzen, untersuchten sie die Belastung auf einem Quadratkilometer innerhalb des Postleitzahlbereiches des Wohnorts. Zudem wurde bei den Teilnehmern ein sogenannter oraler Glukosetoleranztest durchgeführt, um einen möglichen Typ-2-Diabetes nachzuweisen. Der Untersuchungszeitraum betrug drei Jahre.

In einer ersten Berechnung ermittelten die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und dem Auftreten von sowohl Stickstoffdioxid als auch Feinstaub. Berücksichtigten sie allerdings auch demographische Faktoren und Lebensstilparameter sowie den Anteil an Grünflächen in der Nachbarschaft, „verdünnte“ sich dieser Zusammenhang, sodass er nicht mehr statistisch signifikant war.

Eingerechnet wurden etwa Alter, Geschlecht, Tabakkonsum, ethnischer Hintergrund, Sozialstatus und Wohnraum (ländlich oder städtisch) sowie der BMI und körperliche Aktivität. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren war der Zusammenhang zwischen Diabetes vom Typ-2 und Luftverschmutzung nicht mehr statistisch belegbar, weder für Stickstoffdioxid noch für Feinstaub.

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... Münchner Wissenschaftler kommen zum gegenteiligen Ergebnis

Eine andere Studie aus München weist gegenteilige Ergebnisse auf: im Rahmen der Augsburger Bevölkerungsstudie KORA hatten Wissenschaftler Daten von rund 3.000 Probanden erhoben. Alle wurden befragt und körperlich untersucht.

Außerdem nahmen die Forscher jeweils eine Nüchtern-Blutprobe, in der sie sowohl verschiedene Marker für die Insulinresistenz und Entzündungen als auch weitere aus dem Fettgewebe stammende Botenstoffe bestimmten. Nicht-Diabetiker unterzogen sich zudem einem oralen Glukosetoleranztest zum Nachweis eines möglicherweise gestörten Glukosestoffwechsels.

Diese Daten glichen die Forschenden mit den Luftschadstoffkonzentrationen am Wohnort der Probanden ab, die sie mittels Vorhersagemodellen basierend auf wiederholten Messungen an 20 (Partikelmessungen) beziehungsweise 40 (Stickoxidmessungen) Standorten in der Stadt und im ländlichen Raum geschätzt hatten.

Dabei zeigte sich, dass Menschen, die bereits einen gestörten Glukosestoffwechsel aufweisen, so genannte Prädiabetiker, besonders anfällig für die Einflüsse der Luftverschmutzung sind. Die Marker in ihrem Blut waren in Assoziation mit den Schadstoffen in der Luft besonders signifikant verändert.

Auch hier wurden mögliche Störfaktoren herausgerechnet. Luftverschmutzung sei daher gerade für Menschen mit gestörtem Glukosestoffwechsel langfristig ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes, so die Autoren. Zudem wiesen sie nach, dass die Luftschadstoffkonzentrationen zwar unterhalb der EU-Grenzwerte lagen, aber über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen Richtlinien.

Unterschiedliche Herangehensweisen und Datenbasen

Ein direkter Vergleich der beiden Arbeiten ist aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen und der erhobenen Messdaten nicht möglich. So unterscheiden sie sich hinsichtlich der konkreten Beobachtungen: Während in einem Fall ein manifester Diabetes untersucht wurde, ging es im anderen Fall um Insulinresistenz beziehungsweise eine Diabetesvorstufe.

Unter dem Strich sind sich beide Forschergruppen aber einig, dass weitere Bevölkerungsstudien vonnöten sind, um den möglichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Diabetes zu untersuchen. Zudem soll der Einfluss besonders kleiner Partikel, dem sogenannten Ultrafeinstaub, beleuchtet werden.


Quelle: Diabetesinformationsdienst München