Ansätze der Forschung für die Adipositasprävention und die Umsetzung von Maßnahmenpaketen seitens der Politik waren Fragen, denen der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) im Rahmen seiner zweiten Ernährungstagung Ende September in Berlin nachgegangen ist. Das Fazit: Es gibt vielversprechende Forschung, die aber noch in den Kinderschuhen steckt und die politischen Vertreter von CDU, SPD, FDP und den Grünen lehnen eine Sonderabgabe auf Zucker oder andere Nährstoffe ab.

"Gefühlte Wahrnehmung statt Fakten"

BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff konstatierte in seiner Begrüßungsrede, dass Essen mittlerweile ein Politikum sei und allzu häufig gefühlte Wahrnehmungen statt Fakten die Debatte bestimmen würden. So würde zwar stets von der immer größer werdenden Zahl adipöser Kinder die Rede sein, doch die letzten repräsentativen Daten zeigen zum einen, dass es bei den Schulanfängern eine Stagnation bei den Adipositaszahlen gibt und zum anderen, dass 94 Prozent der Kinder gar nicht adipös seien.

Statt gefühlter globaler Lösungen wie Werbebeschränkungen oder Sondersteuern müssen deshalb wirkungsvolle Ansätze für diejenigen her, die tatsächlich betroffen sind: "Das komplexe Geflecht der Gewichtsentwicklung und der starke Einfluss der gesamten Lebensweise des Einzelnen muss thematisiert werden, d. h. auch ausreichend Bewegung, ein gesunder Schlaf, Stressbewältigung und vor allem die Achtsamkeit für den eigenen Körper."

Konsument als Entscheider über den Markt

Weiterhin stellte Minhoff vor allem die Leistungen der Lebensmittelbranche heraus, die ein vielfältiges und buntes Angebot für individuelle Bedürfnisse liefert: "Fleischersatzprodukte, Fertiggerichte ohne Zusatzstoffe und Produkte, die weniger Salz, Zucker oder Fett enthalten - solche Innovationen sind große Herausforderungen für die Wirtschaft, denn sie bedeuten einen intensiven Forschungs- und Entwicklungsprozess.

Diese Leistung gilt es anzuerkennen, denn sie wird mit Leidenschaft für den König Kunde betrieben. Schließlich ist der Konsument der Entscheider über den Markt. Dadurch reguliert sich die Branche selbst und so sollte es auch bleiben."

Rezepturänderung ist eine komplexe Angelegenheit


Wie komplex eine Rezepturänderung sein kann, wusste auch Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer zu berichten. Das Max Rubner-Institut erforscht im Auftrag der Bundesregierung diverse Projekte zur Reformulierung, d. h. Möglichkeiten, Lebensmittel mit weniger Salz, Zucker und Fett herzustellen. Dabei geht es konkret um Strategien zur Salzreduktion in Fleischwaren, bei Schnittkäse und Fischprodukten, zur Fettreduktion bei Backwaren und Rohwürsten und zur Zuckerreduktion, in dem die Süßkraft von Laktose gesteigert werden soll und ballaststoff- und polyphenolreiche Frühstückscerealien mit reduzierter Energiedichte hergestellt werden sollen.

"Man kann Salz, Zucker und Fett nicht einfach weglassen"

Die größte Herausforderung, so Rechkemmer, liege darin, dass man Salz, Zucker und Fett nicht einfach weglassen könne: "Jeder Nährstoff hat fast immer mehr als eine Funktion im Lebensmittel, z. B. die Verbesserung der Haltbarkeit oder die Stabilisierung der Konsistenz". Eine Herausforderung ist zugleich auch die Nationale Verzehrsstudie III, die aktuelle Daten zum Gesundheits- und Gewichtsstatus der deutschen Bevölkerung verfügbar machen soll. Die Vorbereitungen dieses Großprojekts haben jetzt begonnen, publiziert werden die Ergebnisse wohl aber erst 2023.

Klare Ablehnung der Zuckersteuer

Die politische Podiumsdiskussion mit Gitta Connemann, stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, Elvira Drobinski-Weiß, verbraucherpolitische Sprecherin SPD, Prof. Dr. Hauke Hilz, verbraucherpolitischer Sprecher FDP, Nicole Maisch, verbraucherpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen und BLL-Präsident Stephan Nießner begann mit der überraschenden einstimmigen Ablehnung einer Zuckersteuer: "Das ist eine Phantomdiskussion, niemand fordert eine solche Abgabe", erklärte Maisch. Stattdessen befürwortete sie, ebenso wie Drobinski-Weiß, eine Reformulierungsstrategie, um gezielt Fett, Salz und Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln zu reduzieren, um so Übergewicht vorzubeugen.

Mehr Bildung und Aufklärung statt staatlicher Eingriffe?

Connemann wandte ein, dass Politik keine Rezepte vorgeben sollte. Sie warnte: "Reformulierung ist auch eine Möglichkeit, kleine Unternehmen aus dem Markt zu kicken". Prof. Hilz hält von dererlei staatlichen Eingriffen wenig, sondern setzt klar auf mehr Bildung und Aufklärung. Hier seien alle Akteure gleichermaßen gefragt ihren Beitrag zu leisten. Die Lebensmittelwirtschaft, so Nießner, kommt diesem Auftrag durch Transparenz auf der Verpackung und Informationen zu Produkten über Broschüren, Verbraucherhotlines und digitale Kommunikation nach.


Quelle: Mitteilung Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. ()

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL): Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette - Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete - sowie zahlreiche Einzelmitglieder an.