Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bescheinigt in seinem Abschlussbericht zur hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) beim diabetischen Fußsyndrom (DFS) einen Nutzen der zusätzlichen HBO im Vergleich zu einer Standardwundversorgung. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und ihre Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß (AG Fuß) teilen diese Einschätzung nicht, zumal sie im Widerspruch zu vorhergehenden Aussagen des IQWiG in seinem Bericht steht.

Hohe Amputationsrate bei Patienten mit Diabetes

Die diabetische Fußerkrankung ist die komplexeste diabetesassoziierte Folgeerkrankung bei Menschen mit Diabetes mellitus. Die „Triopathie“ von Nervenstörung (Neuropathie), Durchblutungsstörung (Ischämie) und Infektion ist der Hintergrund dieses Krankheitsbildes, welches häufig zu chronischen Wunden und hierüber zu Minor- und auch zu Major-Amputationen führt. In Deutschland entwickeln pro Jahr rund 250 000 Patienten ein diabetisches Fußsyndrom (DFS). Circa 70 Prozent aller Amputationen in Deutschland werden bei Menschen mit Diabetes mellitus durchgeführt. Das entspricht aktuell über 40 000 Amputationen.

Die erfolgreiche Behandlung mit Vermeidung einer Amputation erfordert eine multidisziplinäre und multiprofessionelle Teambetreuung. „Gemeinsames Ziel aller Beteiligten muss, bei optimaler Koordination der zur Verfügung stehenden Ressourcen, eine hohe Abheilungsrate sein“, sagt Professor Dr. med. Ralf Lobmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß in der DDG.

DDG sieht keinen Vorteil von HBO gegenüber Standardwundversorgung

Die Standardversorgung umfasst unter anderem die Stoffwechseloptimierung und Behandlung internistischer Grunderkrankungen wie Gefäßprobleme, die Infektionskontrolle, die lokale Wundbehandlung, eine effektive Druckentlastung durch speziell angepasstes Schuhwerk und insbesondere auch die Patientenschulung. Bei der hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) atmet der Patient in einer Druckkammer sitzend unter erhöhtem Luftdruck meist reinen Sauerstoff ein. Dieser soll die Durchblutung und dadurch auch die Wundheilung fördern.

Das IQWiG stellt in seinem Abschlussbericht zur Hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) beim diabetischen Fußsyndrom (N15-02) bezüglich des Endpunkts Wundverschluss einen „Anhaltspunkt für einen Nutzen der zusätzlichen HBO im Vergleich zu einer Standardwundversorgung“ fest. „Wir teilen diese Einschätzung nicht“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der DDG. Davon abgesehen stehe sie im Widerspruch zu anderen im IQWiG-Bericht gemachten Aussagen: „Die Feststellungen des IQWiG sind in sich widersprüchlich und inkonsistent sowie nicht durch die Datenbasis gedeckt“, betont Gallwitz. Diese zeige klar, dass es keinen Vorteil für die HBO in diesem Zusammenhang gebe.

Aktuelle Datenlage nicht ausreichend

Professor Dr. med. Ralf Lobmann erläutert dazu: „Die für die Bewertung herangezogenen Studien sind in punkto Patientenpopulation, Behandlungsdauer, Komorbiditäten und anderer Faktoren sehr heterogen, so dass anhand von reinen statistischen Analysen und Aufbereitung der veröffentlichten Studiendaten in Metaanalysen kein Zusatznutzen abgeleitet werden kann.“ Aus Sicht der AG Fuß komme aufgrund der derzeitigen Datenlage die HBO beim diabetischen Fußsyndrom ausschließlich in Fällen ab Stadium Wagner 3 im Rahmen eines individuellen Heilversuchs in Betracht, wenn alle etablierten Therapieoptionen erfolglos waren. „Bei solchen Fällen handelt es sich um tiefe eitrige Wunden bis zur Ebene von Knochen und Gelenken“, erklärt Professor Lobmann. Ansonsten erlaube die Datenlage den Einsatz der HBO nur innerhalb kontrollierter Studien.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)